Braune Burschenhäuser
von Felix Krebs
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 179 - Juli / August 2019
#Tradition
Es gibt im deutschsprachigen Raum keine anderen Immobilien, die mit einer über hundertjährigen Tradition soviel zur Behausung, Schulung und Vernetzung der extremen Rechten beigetragen haben, wie die Häuser vieler Burschenschaften. Die »Deutsche Burschenschaft« (DB) fällt immer wieder durch NS-apologetische Bezüge auf, hat ein völkisch-nationalistisches Selbstverständnis und zur NPD sowie zu anderen neofaschistischen Organisationen besteht kein Unvereinbarkeitsbeschluss. Die DB und ihr innerverbandliches Kartell »Burschenschaftliche Gemeinschaft« (BG) sollen deshalb im Zentrum dieses Artikels stehen, auch wenn teilweise Korporationshäuser anderer Dachverbände als Veranstaltungs-, Wohn- oder Versammlungsorte der extremen Rechten dienten.
Vor 1945
Die besondere Rolle der Korporationen und der besonders rechten Burschenschaften für die Herausbildung einer völkischen, antisemitischen und deutsch-nationalen Strömung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik ist durch zahlreiche Studien ebenso belegt wie ihre Rolle als Wegbereiter des Nationalsozialismus. Die Korporationen und ihre Häuser waren schon früh Brutstätten für den Kampf gegen Republik, Liberalismus, Demokratie und Gleichberechtigung. Das äußerte sich in der Weimarer Republik nicht nur durch überdurchschnittliche Mitgliedschaften von Korporierten in NS-Organisationen, sondern auch ganz praktisch: In Korporationshäusern wurde neben dem obligatorischen Mensurbetrieb der schlagenden Verbindungen auch Erziehung im nationalsozialistischen Geiste betrieben. Die Korporationen hatten einen entscheidenden Anteil an der Militarisierung des Hochschulsports, die DB unterhielt zum Beispiel eine eigene Motorfliegerabteilung, um das Luftwaffenverbot der Alliierten zu unterlaufen. Der spätere SS-Gruppenführer Otto Schwab organisierte ab 1928 die paramilitärische Ausbildung der Burschen und wurde 1930 Leiter des Wehramtes der DB. Eine endgültige Eingliederung der DB-eigenen Burschenhäuser in den NS-Erziehungsbetrieb fand dann im Oktober 1933 statt, als DB-Führer Schwab anordnete, dass die DB-Häuser für alle Studenten des ersten und zweiten Semesters »eine gemeinsame Bundeswohnung« einrichten sollten, die in »soldatischem Stil« gehalten werden muss. Freudig teilte die DB mit, »daß der Typ des Freistudenten verschwinden soll und daß die nationalsozialistische Kameradschaftserziehung auf den Korporationen aufgebaut werden soll.« Die Umwandlung von Häusern der Studentenverbindungen in NS-Kameradschaftshäuser beschreibt auch Geoffrey J. Giles in seinem Standardwerk »Students and National Socialism in Germany« (siehe Karte).
Und danach
Eine zentrale Rolle für die Herausbildung von parteiförmigen oder studentischen Strukturen der extremen Rechten spielt seit den 1960er Jahren die »Burschenschaft Danubia München«. Im Danubenhaus fand 1961 die Gründung der BG statt und damit die Wiederaufnahme der besonders rechten Burschenschaften aus Österreich in die DB. Ebenfalls im Danubenhaus erfolgte 1989 die Gründung des »Republikanischen Hochschulverbandes« (RHV), der Studierendenorganisation der Partei »Die Republikaner«.
Schon 1989 gehörten Korporationshäuser auch zur Vertriebsstruktur der Zeitung »Junge Freiheit« (JF). In den frühen 1990er Jahren organisierte die »Danubia« dann zusammen mit der JF »Sommeruniversitäten« und beteiligt sich an der Vernetzung der Abonnent*innen durch JF-Lesekreise. In München nannte sich der Lesekreis »Jungkonservativer Club« und tagte in den Räumen der »Danubia«. Vorbild für die Lesekreise waren die präfaschistischen Diskussionszirkel der jungkonservativen Bewegung der 1920er Jahre. Auch an anderen Orten dienten Burschenhäuser als Ort für die JF-Leserkreise oder deren Nachfolger namens »Die 89er – Konservative Gesprächs- und Arbeitskreise«. Genannt seien hier die »Hamburger Burschenschaft Germania« und die »Thuringia Braunschweig«.
Die Etablierung einer rechten Graswurzelrevolution um die Lesekreise der JF scheiterte jedoch an der geheimdienstlichen Beobachtung einiger dieser Zirkel. Trotzdem hat die Bereitstellung von Schulungs- und Vortragsräumen für Referent*innen der extremen Rechten durch Burschenschaften in den letzten Jahren nicht abgenommen. Gerade aus dem metapolitischen Netzwerk der »Neuen Rechten« lassen sich zahlreiche Personen finden, die in den letzten 20 Jahren in Burschen- und teilweise auch anderen Korporationshäusern referierten. Redakteur*innen und Stammautor*innen der JF oder des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) sind seit langem Referent*innen in Verbindungshäusern. Eine Melange aus neurechten Verlagen, extrem rechten Kleinstorganisationen, rassistischen Blogs, völkischen Kleinkünstlern bis hin zu NPD-Mitgliedern sowie rechten Burschenschaftern traf sich auch mehrfach bei rechten Messen namens »Zwischentag«. 2015 musste sich der »Zwischentag« mangels geeigneter anderer Räume in der Burschenschaft »Frankonia Erlangen« treffen. Dem bayrischen Verfassungsschutz diente unter anderem diese Veranstaltung als Beleg für die Einstufung der »Frankonia« als »rechtsextremistisch«, die »Danubia« trägt dieses Prädikat schon länger. Auch in Hamburg war ein Referent Auslöser, wenn wohl auch nicht alleinige Ursache für die geheimdienstliche Beobachtung der »Burschenschaft Germania«. Diese hatte 2012 einen ehemaligen Vordenker der NPD, Jürgen Schwab, zu einem Vortrag eingeladen.
In den letzten Jahren häufen sich naturgemäß Auftritte von AfD-Politiker*innen in Burschenhäusern und in einigen sind auch Aktivist*innen der »Identitären Bewegung« (IB) zu Gast gewesen. Einige »Identitäre« sind Mitglieder von Burschenschaften, wohnen dort oder wurden dort geschult. Bekanntestes Beispiel ist der österreichische Führer der IB Martin Sellner, welcher in der »Olympia Wien« sozialisiert wurde.
Dass in Burschenhäusern nicht nur ideologische Schulungen für die eigene und befreundete Klientel stattfinden, sondern zuweilen auch ganz praktisch für den Straßenkampf geprobt wird, zeigt sich wiederum an der »Hamburger Germania«. Sie lud Ende 2015 mit »Werte IBler, wir haben bei uns auf dem Haus bereits rund 10 Einheiten Selbstverteidigungs- und Fitness-Training absolviert« zum Wehrsport ein. Anleiter war der Türsteher Thomas Gardlo, der über eine lange Vergangenheit in der rechten Szene verfügt und 2018/19 für Aufmärsche unter dem MottAlteo »Merkel muss weg« in Hamburg verantwortlich war. Mittlerweile lassen sich per einfacher Internet-Recherche für fast alle Standorte von (BG-)Burschenschaften Belege finden, dass in deren Häusern Mitglieder extrem rechter Organisationen wohnen, die Räume entsprechenden Gruppierungen zur Verfügung gestellt werden oder Personen mit nationaldemokratischem, neurechten oder völkischem Hintergrund dort referieren.
Staatliche Finanzierung
Den Burschenhäusern kommt eine zentrale Funktion für die Ausbildung, Absicherung und Tradierung der akademisch geprägten Rechten zu. Rechte Karrieren beginnen oftmals mit dem jahrelangen und billigen Wohnen in einem Korporationshaus. Unterstützt durch die »Alten Herren« erfahren junge Aktivisten hier eine umfassende ideologische Schulung, Treffen andere Rechte im geschützten Raum und können auf ein umfangreiches interkorporiertes Netzwerk zurückgreifen. Gelegentlich dienen Burschenhäuser auch schon dem allerjüngsten Nachwuchs als Treffpunkt. Die meisten Schülerverbindungen haben keine eigenen Räume und halten ihre Treffen und Veranstaltungen in den Häusern ihrer älteren Vorbilder ab.
Überwiegend sind die Häuser Eigentum der jeweiligen Korporation beziehungsweise ihres sogenannten Hausvereins. Mit Kündigung aufgrund von neofaschistischen Aktivitäten müssen sie also nicht rechnen. Die Mieten sind gering, da sie sich oftmals seit Jahrzehnten im eigenen Besitz befinden und die Alten Herren auch einen Beitrag leisten. Die Hausvereine wickeln nicht nur das Mietverhältnis, Renovierungen und die Verwaltung ab, sie sind formal auch mitverantwortlich für die dort abgehaltenen Veranstaltungen. So fanden 2017 auch zwei Burschenhäuser Eingang in einen Bericht der Bundesregierung über »rechtsextremistische Immobilien.«
Die Hausvereine sind größtenteils nicht als gemeinnützig anerkannt, jedoch oftmals in größeren, gemeinnützigen Vereinen zusammengeschlossen. Der größte Verein dieser Art ist der 1975 in Bonn gegründete »Verband für Studentenwohnheime e. V.« (VfS), an dessen erstem gesamtdeutschen Treffen 1990 über 100 Vertreter diverser Studierendenverbindungen teilnahmen. Der VfS dient »unmittelbar und ausschließlich der Studentenhilfe« und fördert die Einrichtung und Unterhaltung von Studierendenwohnheimen. Dafür bemüht er sich, »Mittel für andere Körperschaften, die sich ihm durch Abschluss eines Betreuungsvertrages angeschlossen haben, zu beschaffen und die Mittel für die Verwirklichung deren steuerbegünstigter Zwecke zur Verfügung zu stellen«. Auf diese Art und Weise werden zahlreiche Verbindungshäuser als Studierendenwohnheime betrieben und durch Begünstigungen sowie Zuschüsse staatlich gefördert.
Der VfS veranstaltet Seminare an einzelnen Hochschulorten, um über die Erlangung und mögliche Stolperfallen bezüglich der Gemeinnützigkeit zu informieren sowie finanzamtliche, verwalterische und hausmeisterliche Tipps zu geben. Gelegentlich gibt er auch Darlehen zum Bau oder Renovierung von Verbindungshäusern.
Anders als es der Name nahelegt ist dieser Wohnraum jedoch nicht allen Studierenden zugänglich, sondern fast immer nur Männern, die Mitglieder der jeweiligen Einzelverbindung sind. Diese regelt die konkreten Mietverhältnisse, was bei den DB-Burschenschaften meisten auch den Ausschluss von Mietern bedeutet, die nicht dem volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff der DB entsprechen.
Dass mittels staatlicher Förderung und Gewährung von steuerlichen Nachlässen »Wohnheime« gefördert werden, die nur einer sehr eingeschränkten Klientel zur Verfügung stehen und darüber hinaus auch als Schulungs- und Veranstaltungsstätten der extremen Rechten dienen, ist allerdings mit einem demokratischen Hochschulwesen schwer vereinbar.