Klein, aber gemein
von Peter Steiniger
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
#Portugal
Im westlichsten Land Europas ist die extreme Rechte auf der politischen Bühne nur eine Randerscheinung. 45 Jahre nach der Nelkenrevolution, die am 25. April 1974 dem klerikal-faschistischen Salazar-Regime nach 48 Jahren ein Ende bereitete, besitzt keine Gruppierung aus diesem Spektrum einen nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung. Doch auch das Ansehen der etablierten Politik ist beschädigt. Dazu beigetragen haben Korruptionsfälle und große Skandale um die Banken Espirito Santi und BPN Paribas. Die Folgen der Wirtschaftskrise und der Kürzungen nach Brüsseler Vorgaben von Anfang des Jahrzehnts sind längst nicht bewältigt. Die von drei Linksparteien tolerierte, seit November 2015 im Amt befindliche Regierung des Sozialisten António Costa hat eine Politik der kleinen Schritte eingeleitet, um den sozialen Zusammenhalt wieder zu stärken.
Portugal ist geprägt von einer langen Geschichte der Auswanderung. In den vergangenen Jahren verließen erneut Hunderttausende das Land, um anderswo ihr Glück zu suchen. Gleichzeitig ist Portugal seit den 1990er Jahren zu einem Einwanderungsland geworden. Das schafft Empathie. Besonders Menschen aus Brasilien, der Ukraine und den früheren portugiesischen Kolonien in Afrika sind hier sesshaft geworden. Viele der Schwarzen, die bereits in den 1970ern kamen, erlebten Armut und Stigmatisierung. Öffentlich in Erscheinung treten RassistInnen und FremdenfeindInnen jedoch wenig.
Kriminelles Milieu
Seit 2017 lässt sich in Portugal eine deutliche Zunahme von Aktivitäten der extremen Rechten beobachten. Das stellt der im vergangenen März dem Parlament von den Behörden vorgelegte »Jahresbericht zur Inneren Sicherheit« fest. Demnach wachsen entsprechend Organisationen, knüpfen engere internationale Kontakte und betreiben verstärkt Propaganda in den sozialen Netzwerken im Internet. Aufmerksamkeit erregte bereits Ende 2016 die Verhaftung von 17 Personen wegen rassistischer Übergriffe. Sie gehören dem portugiesischen Ableger der 1986 in Dallas in den USA gegründeten Vereinigung neonazistischer Skinheads, den »Hammerskins«, an. Ihre Ideologie baut auf der Vorstellung einer »weißen Überlegenheit« auf. Die rechte Unterwelt finanziert sich zum Teil durch das Sicherheitsgewerbe wie auch durch kriminelle Aktivitäten. Mitglieder rekrutiert sie nicht zuletzt aus der Ultra-Bewegung von Fußballfans und dem Milieu des Motorradclubs »Bandidos«. Neu in Erscheinung treten die Gruppen »Red & Gold« sowie »Nova Ordem Social« (»Neue soziale Ordnung«). Der Chef der letzteren, Mário Machado, war am 10. Juni 1995 beteiligt am Totschlag des jungen Kabverdiers Alcino Monteiro durch eine Gruppe rechter Skinheads, die damals in Lissabons Ausgehviertel Bairro Alto den Nationalfeiertag als »Tag der Rasse« zelebrierte. Wegen dieser Tat sowie Raub, Entführung, illegalem Waffenbesitz, Körperverletzung und weiterer Delikte verbrachte Machado insgesamt zehn Jahre im Gefängnis. Am 3. Januar 2019 bekam der Führer von »Nova Ordem Social« beim privaten portugiesischen Fernsehsender TVI einen großen Auftritt. »Brauchen wir einen neuen Salazar?«, lautete das Thema des Gesprächs, zu dem er geladen war. In einem Offenen Brief protestieren mehr als 300 bekannte Persönlichkeiten und Initiativen dagegen, dass dem Faschisten für seine Positionen – sie so »normalisierend und legitimierend« – eine Bühne geboten wurde.
Vorbild Bolsonaro
Portugals Verfassung verbietet an sich die Zulassung von rassistischen Organisationen oder solchen, »die sich eine faschistische Ideologie zu eigen machen«. Ewiggestrigen bietet die »Nationale Erneuerungspartei« (»Partido Nacional Renovador«, PNR) dennoch eine politische Heimat. In ihrem Programm vermengt diese übersteigerten Nationalismus mit dem Wunsch nach einem starken Staat und sozialen Forderungen. Die PNR behauptet, dass eine Invasion von EinwanderInnen für niedrige Löhne und steigende Kriminalität verantwortlich sei. Die Fremden bedrohten »die Identität, die Souveränität, die Sicherheit und das künftige Überleben von Portugal«. Zum Repertoire gehören Antisemitismus, Islam- und Frauenfeindlichkeit. Die Vergabe der Staatsbürgerschaft möchte die Partei an das Abstammungsprinzip binden. Bei der Parlamentswahl vor vier Jahren blieb die PNR wie bisher stets ohne Mandat. Die Partei versucht nun, von der aktuellen braunen Welle im großen Schwesterland Brasilien zu profitieren. Auf Großplakaten beglückwünschte sie Jair Bolsonaro zu seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl. Sie greift dieselben Parolen auf: gegen die Korruption, den »kulturellen Marxismus« und die »Gender-Ideologie«. Zu Bolsonaros Erfolg trug auch die brasilianische Diaspora in Portugal bei. In Lissabon gingen bei der Stichwahl am 29. Oktober 60 Prozent der Stimmen an den Faschisten. Vor dem Wahllokal in der Juristischen Fakultät in Lissabon gab es Übergriffe von Bolsonaro-AnhängerInnen auf linke WählerInnen.
Bei der Europawahl in Portugal am 26. Mai dürfte die PNR erneut leer ausgehen. Die beiden letzten Wahlen zum Europäischen Parlament waren für die Partei kein Erfolg – sie erhielt jeweils weniger als ein halbes Prozent der gültigen Stimmen. Um einen der 21 dem Land zustehenden Sitze zu erhalten, muss eine Liste etwa 4,5 Prozent erreichen.