Vor der Wahl

von Robert Andreasch
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 203 Juli | August 203

#Bayern

In Bayern hat der Landtagswahlkampf begonnen. Vor allem trans- und queerfeindliche Kampagnen sollen die radikalen Fans triggern und neue Wähler*innen für die »Alternative für Deutschland« (AfD) erschließen. Der Wahlkampf fällt in die Zeit, in der im Bundestag über das neue Selbstbestimmungsgesetz abgestimmt werden wird. Die AfD Bayern postet Sharepics wie »Transgender-Propaganda macht keinen Halt vor ‹Sendung mit der Maus›«. Gegen das »Fest der Vielfalt« im unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale am 1. Juli 2023 hängte die AfD »Warntafeln« auf: »Kinder schützen! Genderirrsinn stoppen.« 2018 bekam die AfD bei der Landtagswahl in Bayern 1.388.622 Gesamtstimmen (10,2 %). Für die kommende Wahl am 6. Oktober sehen Umfrageinstitute sie bei 12 oder 13 Prozent. Es wäre neben Hessen das beste Ergebnis in einem Westbundesland.

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Antifeminismus im Wahlkampf der AfD © Robert Andreasch

Beim Landesparteitag in Greding stimmten die AfD-Mitglieder im Mai über den Entwurf des Landtagswahlprogramms ab. Der Klimawandel sei natürlich, man müsse sich diesem lediglich anpassen, heißt es darin zum Beispiel. Die Partei verzettelte sich in Debatten, ob man den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt oder nicht. Mehrfach prallten die ultraradikalen Positionen der Versammelten auf Vorschläge, die von der Programmkommission betont »verfassungsschutzsicher« formuliert worden seien. Bewusst sei zum Beispiel die Parole »der politische Islam gehört nicht zu Bayern« statt »der Islam gehört nicht zu Bayern« gewählt worden. Vielleicht ist es dem Gredinger Änderungsantragschaos geschuldet, dass die AfD Anfang Juli ihr Wahlprogramm noch immer nicht veröffentlicht hat.

Taktisch zurückhaltend sind die AfD-Akteur*innen zuletzt nicht aufgetreten. Der AfD-Landtagsabgeordnete Richard Graupner machte aus der völkischen Ausrichtung der Partei keinen Hehl: »Rot-grün-gelb arbeitet mit Volldampf an der ethno-kulturellen Selbstabschaffung Deutschlands.« Die AfD ließ in München zum Wahlkampfbeginn die Parole »Es reicht! Remigration statt Massenmigration!« plakatieren. Und der Passauer AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler veröffentlichte stolz ein Video, in dem er ein migrantisches Pärchen vor der Abfahrt aus einem Zug drängte.

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Gegen diejenigen, die sich in der Fläche noch gegen die AfD engagieren, fuhr die AfD-Landtagsfraktion einen massiven Kurs, beispielsweise mit Landtagsanfragen gegen Jugendgruppen und Demoanmelder*innen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier und »Ein Prozent« veröffentlichten gemeinsam eine Anti-Antifa-Broschüre gegen das Rechercheportal »Allgäu Rechtsaußen«, linke Gruppen in Schwaben und das Landestheater in Memmingen. Offen ist nicht nur, was dem AfD-Wahlkampf entgegengesetzt werden kann, sondern auch, wie viele Wähler*innenstimmen eine Kandidatur der Partei »dieBasis« die AfD kosten könnte – falls diese die Unterstützungsunterschriften noch rechtzeitig beibringen kann.

Der Druck durch die extreme Rechte kann – angesichts ideologischer Brücken – dazu führen, dass konservative Parteien die Politik des »rechten Randes« übernehmen. Am Agieren der CSU zur Bundestagswahl 2017 lässt sich diese Radikalisierung analysieren: Sie reichte von der Einladung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der Verabschiedung eines rassistischen Integrationsgesetzes, dem ständigen Propagieren einer »Obergrenze« für Geflüchtete bis zur verzögerten Inkraftsetzung der neuen Richtlinien zur Sexualerziehung an bayerischen Schulen.

Sechs Jahre später ist noch offen, wie CSU und »Freie Wähler« (FW) reagieren werden. Als die AfD im Juni 2023 gegen eine Drag-Lesung für Kinder in der Stadtbibliothek München-Bogenhausen mobilisierte, warnte der FW-Spitzenkandidat Hubert Aiwanger vor »Kindeswohlgefährdung«. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) veröffentlichte queerfeindliche Tweets, zum Beispiel »Wir akzeptieren kein Gender-Gesetz und keine Genderstrafzettel. Wir sind ein Freistaat und kein Umerziehungsstaat«. Zu Beginn des Landtagswahlkampfs reisten die CSU-Politiker*innen Andreas Scheuer und Dorothee Bär zum extrem rechten Gouverneur Ron DeSantis nach Florida. Anschließend fuhr Scheuer, auch das ist eine Parallele zum Jahr 2017, nach Budapest und besuchte das Viktor Orbán nahestehende »Matthias-Corvinus-Collegium«.

Eine aus dem rechtskonservativen Spektrum angeschobene Versammlung gegen das »Heizungsgesetz« der Bundesregierung in Erding im Juni 2023 wurde durch Mobilisierungen der AfD und der Pandemie-Leugner*innen befeuert. Markus Söder, Hubert Aiwanger sowie der Chef der Bayern-FDP, Martin Hagen, grenzten sich nicht davon ab, sondern traten kurzfristig als Redner auf. Das extrem rechte Publikum hatte Söder seinen Corona-Maßnahmenkurs nicht verziehen und buhte ihn aus. Anders bei Hubert Aiwanger. Er legte unter dem Jubel der 13.000 Teilnehmer*innen gegen »links-grünen Gender-Gaga« und »Corona-Irrsinn« los. Die Bevölkerung solle die »Berliner Chaoten« vor sich hertreiben: »Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss.«

Der Aufschrei in Politik und Medien war beträchtlich. Markus Söder reagierte opportunistisch: Als bei der Münchner »Pride« 520.000 Menschen gegen Queerfeindlichkeit auf die Straße gingen und die Organisator*innen der CSU einen Wagen verweigerten, twitterte Söder Regenbogenfahnen und schrieb: »Bayern ist ein Land der Freiheit und des Miteinanders.«
Politikwissenschaftler*innen haben belegt, dass konservative Parteien nicht davon profitieren, wenn sie extrem rechte Parteien rechts überholen. Noch ist offen, ob diese antifaschistische Binsenweisheit bei CSU und FW angekommen ist.