»Für eine Ausgrenzungsstrategie«

Interview mit Christian Schaft
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 191 - August 2021

#Landtag

Wie veränderte die »Alternative für Deutschland« die Arbeit im Thüringer Landtag und was wäre der richtige Weg, um die rechtsradikale Partei im Parlament zu stoppen? Darüber sprach »der rechte rand« mit Christian Schaft. Er ist seit 2014 Mitglied des Thüringer Landtags für Die Linke.

Antifa Magazin der rechte rand
Christian Schaft @ Mark Mühlhaus / attenzione

drr: In der Thüringer »Alternative für Deutschland« (AfD) dominiert der völkische »Flügel«. Vertreter der radikalen Rechten, wie Björn Höcke oder Stephan Brandner, prägen das Bild der Partei seit vielen Jahren. Wie tritt die AfD im Thüringer Landtag auf?
Christian Schaft: 2014 zog die AfD mit elf Abgeordneten in den Thüringer Landtag ein, nach Austritten waren später nur noch acht Mitglieder der Fraktion übrig. Mit der Partei zog in die Parlamentsdebatten eine ganz andere Atmosphäre ein. Das zeigte sich auch an der deutlich höheren Zahl an Ordnungsrufen und Rügen in den Debatten durch das Parlamentspräsidium. Schon in der ersten Legislaturperiode von 2014 bis 2019 wurde klar, dass die AfD das Parlament im Wesentlichen als Bühne für ihre Hetze und Propaganda versteht. Das zeigt sich auch immer wieder an dem riesigen Unterschied zwischen ihrer Arbeit in den Ausschüssen und ihrem Auftreten in den öffentlichen Parlamentsdebatten. In den weniger öffentlichen Ausschüssen glänzte sie oft mit Abwesenheit oder ihre Abgeordneten sagten dort einfach nichts. In den Plenumsdebatten erlebten wir dann Phrasendrescherei aus dem AfD-Programm und bei bestimmten Themen, wenn es zum Beispiel um Migration ging, offen rassistische Hetze. Durch das Anwachsen der Fraktion auf 22 Abgeordnete nach der Wahl 2019 wurde das nicht besser.

Wird die Arbeitsfähigkeit des Parlaments durch dieses Agieren der AfD eingeschränkt?
Ja, durchaus. Das hat sich nun in der kurzen Legislaturperiode seit Ende 2019 noch einmal deutlich gezeigt. In den letzten Monaten ist – sicherlich auch mit Blick auf die möglichen Neuwahlen im Herbst – das Parlament mit einer Flut von Anträgen und Gesetzentwürfen der AfD beschäftigt. Viele Anträge von den rot-rot-grünen Fraktionen, der Landesregierung oder auch der CDU, über die man ja in einer sachlichen Debatte streiten könnte, gehen dabei unter. In der Vorwahlkampfzeit versucht die AfD nun auch stärker, populäre Themen aufzugreifen, wie zum Beispiel die Abschaffung der automatischen Erhöhung der Diäten für die Abgeordneten – das ist schon lange eine Forderung der Linken. Die AfD versucht damit, die Regierungsfraktionen und die demokratische Opposition vor sich herzutreiben und sich so als einzige angeblich nicht-etablierte Partei darzustellen. Exemplarisch für ihr aktuelles Agieren war der Streit um zwei Untersuchungsausschüsse Anfang Juli dieses Jahres. Die AfD zog da ihren eigenen Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zu den Auswirkungen der Treuhand-Privatisierungen in den 1990er Jahren wieder zurück und ließ damit die CDU in eine Falle laufen. Denn die hatte auch einen Untersuchungsausschuss zu einem anderen Thema beantragt, nämlich zu politischer Gewalt aus Anlass der Brandserie in rechten Immobilien in Thüringen. Die AfD hätte durch das Zurückziehen ihres Antrags den Vorsitz des Ausschusses zu politischer Gewalt übernehmen können. Der ganze Vorgang war ein Trauerspiel! Denn um den AfD-Vorsitz zu verhindern, brachte nun die CDU den AfD-Antrag zur Treuhand ein. Da hat sich gezeigt, wie die CDU der AfD auf den Leim geht und sich am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments wird so auch ganz bewusst beeinträchtigt.

Immer wieder werden Abgeordnete anderer Fraktionen durch Vertreter*innen der AfD angegriffen, teils sehr persönlich und verleumderisch. Was ist das politische Ziel und die Strategie solcher Angriffe?
Die persönliche Integrität der Personen soll angegriffen werden. Ein Beispiel: Seit 2015 wird durch die AfD immer wieder das Bild vom Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gebracht, als er 2015 in Saalfeld den dort ankommenden Zug mit Hunderten geflüchteten Menschen persönlich am Bahnsteig empfangen hat und er wird in dem Zusammenhang von Rechts als »Inshallah Bodo« bezeichnet. Auch die Abgeordnete Katharina König-Preuss wird immer wieder diffamiert, weil sie nun einmal das prominente Gesicht der Thüringer Linksfraktion für den Bereich Antifaschismus und Antirassismus ist. Auch die Vorsitzende des Petitionsausschusses Anja Müller gerät in das Visier der AfD, weil sie auch den Vorsitz der Härtefallkommission innehat und dort darum bemüht ist, Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, hier eine Perspektive zu geben.

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Im Wesentlichen ist es immer wieder der Versuch, das Bild der Linken als »linksradikal« oder als »links-grün versifften Antifa-Apparat« zu zeichnen – gestützt durch die Regierung Ramelow. Auch demokratische Initiativen der Zivilgesellschaft geraten ins Visier. Es gibt zum Beispiel in Arnstadt im Ilmkreis ein sehr aktives antifaschistisches Aktionsbündnis »Zaunrüttlär«. Die werden vom AfD-Abgeordneten Olaf Kießling regelmäßig mit »Kleinen Anfragen« an die Regierung mit Fragen über deren Arbeit malträtiert und so ins Licht der Öffentlichkeit gezogen. Genauso geraten auch immer wieder andere Gruppen in den Blick der AfD und der extremen Rechten. Da gibt es offenbar die klare Zielstellung, die Leute zu diffamieren und zur Zielscheibe der Öffentlichkeit und insbesondere der eigenen Anhänger*innen zu machen.

Richten sich die Angriffe gegen alle Abgeordneten und Fraktionen der demokratischen Parteien oder gibt es Muster, wer am häufigsten ins Visier gerät und warum?
Bei den Fraktionen stehen vor allem wir als Linke und die Grünen im Fokus, die SPD teils auch. Die CDU eher selten – aber doch auch immer dann, wenn sich zum Beispiel konservative Abgeordnete deutlich gegen die AfD positionieren. Es ist auch erkennbar, dass vor allem Frauen – und hier noch einmal stärker junge Frauen – verschiedener Fraktionen öfter und stärker angegriffen werden. Das belegt auch noch einmal die antifeministische Politik der AfD.

Wie reagieren die demokratischen Parteien und die Gesellschaft auf das polarisierte Klima im Parlament und die Angriffe? Welcher Umgang wäre empfehlenswert, um die AfD in ihrer politischen Wirkung einzuschränken?
Im Parlament werden die Angriffe und Diffamierungen in den Debatten und den öffentlichen Diskursen zumindest durch die rot-rot-grünen Fraktionen zurückgewiesen. Zunehmend gefährlich finde ich aber den Umgang der CDU mit der AfD. Das haben ja auch die Ereignisse vom 5. Februar 2020 gezeigt, als mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Die Aufstellung von Hans-Georg Maaßen in Süd­thüringen als CDU-Bundestagskandidat ist nur ein weiteres Beispiel für die politische Ausrichtung der Partei in Thüringen. Aber auch im Parlament sieht man immer wieder, dass es wenig Berührungsängste gibt. Da ist immer mal wieder der eine oder andere Abgeordnete der CDU im netten Plausch mit Leuten von der AfD zu sehen. Letztens hatte der Abgeordnete Torsten Czuppon von der AfD einigen Abgeordneten der CDU T-Shirts geschenkt und überreicht. Wenn also der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt sich in seinen Reden noch klar gegen die AfD positioniert, ist die vermeintliche »Brandmauer gegen rechts« aber im politisch-zwischenmenschlichen Umgang zwischen der AfD und den Konservativen nicht so stabil. Ich sehe die Gefahr, dass Anträge der AfD peu à peu von CDU und eventuell auch der FDP mal mit in die Ausschüsse zur weiteren Bearbeitung überwiesen werden oder ihnen vielleicht gar zugestimmt wird. So findet Stück für Stück eine Normalisierung der Parlamentsarbeit der AfD statt. Die Forderung, mit der Partei zusammenzuarbeiten gibt es ja schon länger und sie wird begründet mit dem Argument, man könne nicht ein Viertel der Wähler*innen in Thüringen ignorieren. Aber die AfD benutzt das Parlament doch nur als Bühne. Sie verachtet das Parlament, in dem sie sitzt. Sie hat kein Interesse daran, dort auch inhaltlich zu arbeiten. Und man muss vor allem immer wieder deutlich machen, wer dort eigentlich sitzt: Die AfD in Thüringen ist eine klar faschistische Fraktion. Und deswegen muss man eine klare Strategie der Ausgrenzung fahren, um der AfD nicht die Möglichkeit zu geben, die parlamentarische Arbeit mitzugestalten und andere Parteien vor sich herzutreiben. Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zur Ausgrenzung.

Vielen Dank für das Interview!