Let’s talk about F…

von Andreas Speit
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 191 - August 2021

#Faschismus

Die Formulierungen folgen auf die Positionierungen: »Weit rechts«, »noch rechter« oder »äußerst rechts«. Ein wiederkehrendes Ritual in Politik und Medien, wenn sich die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, oder der AfD-Fraktionschef in Thüringen, Björn Höcke, mal wieder getreu ihrer Gesinnung eindeutig äußern. Ein Mantra, das auch nach Programmentscheidungen und Provokationen der selbsternannten »Alternative für Deutschland« (AfD), angestimmt wird. Wie rechts darf eine Person oder Partei im Land der Täter*innen und Mitläufer*innen aber sein? Immer weiter rechts – bis wohin?

Antifa Magazin der rechte rand
Protest gegen AfD-Wahlerfolg am Abend der Bundestagswahl, 24. September 2017 in Berlin. © Christian Ditsch

Bürgerlich und roh

Keine Partei, die unter dem Label »Mut zur Wahrheit« Lüge um Lüge verbreitet, konnte nach 1945 die Bundesrepublik so weit nach rechts bewegen. Der gesellschaftlich-politische Kontext war schon lange vorher aus der Mitte der Gesellschaft mit vorangetrieben worden. Das Sag-, Wähl- und Handelbare haben nicht die Weißmanns und Kubitscheks allein nach weit rechts ausgedehnt. Die politischen Koordinaten verschiebt gerade ein ehemaliger Bundesverfassungsschutzpräsident und Bundestagskandidat aus der CDU ohne großen parteiinternen Widerspruch. Die Biografie und der Habitus aus der Mitte sind der Nimbus, der vor klaren Termini schützt. Das Böse ist nach Hannah Arendt bekanntlich banal – und bürgerlich. Elite und Mob, vereint im Pöbeln und Agieren gegen emanzipatorische Hoffnungen, egalitäre Ideen und demokratische Vorstellungen, könnten, statt erneut wieder als »jetzt aber weit rechts« eingeordnet, mal als faschistoid diskutiert werden.


Die Mitte faschistisch? Die AfD eine faschistische Partei? Bitte, geht es noch pauschaler, noch ungenauer? Die Mitte, das sind doch wir und das ist ja klar: Wir sind keine Faschist*innen! Die AfD, ihre Mitglieder und ihre Wähler*innenschaft ebenso nicht. Ein paar Ressentiments gegen Geflüchtete, gegen LGBTQI, Muslim*innen, Jüdinnen*Juden, Obdachlose oder Gutmenschen machen doch nicht gleich einen Faschismus. Viel Verständnis wird den sogenannten besorgten Bürger*innen immer wieder entgegengebracht. Sie sollen ja auch nicht mit zu harten Bezeichnungen verprellt werden. Das Hinterherlaufen ist allerdings hier und da langsam zu Ende.

»NPD de luxe«

Im Februar dieses Jahres legte Robert Vehrkamp für die Bertelsmann Stiftung eine Analyse zu »Rechtsextremen Einstellungen der Wähler*innen vor der Bundestagswahl 2021« vor. Die Studie, für die 10.055 Teilnehmende online befragt wurden, offenbart, dass »,mehr als die Hälfte der AfD-Wählerschaft (…) latent oder manifest rechtsextrem eingestellt« ist. Die AfD sei »die erste mehrheitlich durch rechtsextreme Einstellungen geprägte Wählerpartei im Deutschen Bundestag«, so Vehrkamp. Und er hebt hervor: »Ihr ideologisches Wählerprofil ähnelt mehrheitlich eher der rechtsextremen NPD.« Der Wahlerfolg bei der Bundestagswahl 2017 sei noch »vor allem ein Erfolg rechtspopulistischer Wählermobilisierung im Schatten der Flüchtlingskrise gewesen«, vor der kommenden Bundestagswahl 2021 zeige sich jedoch, dass »die AfD als eine mehrheitlich durch rechtsextreme Einstellungen ihrer Wähler:innen geprägte Partei« zu bezeichnen ist, »deren rechtsextreme ihre ursprünglich eher rechtspopulistische Orientierung inzwischen dominiert«. Diese Partei zerstöre das »eigene Werte- und Rechtsfundament« der Re­publik, so Vehrkamp.

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Diese AfD ist insofern keine Partei neuen Typs. Sie verachtet – getreu den alten Typen des Faschismus – die Werte einer humanistischen Zivilisation und emanzipatorischen Kultur. Die »Umwertung der Werte«, wie Friedrich Nietzsche gegen die bürgerliche Welt polterte, will sie vorantreiben. Aus dieser Intention erfolgen die gegenwärtigen Angriffe auf »die Gutmenschen«, wird eine Cancel-Culture beklagt. Wer mit einstimmt, ist selber schuld, wenn vermeintlich plötzlich unvorhersehbar keine Werte mehr schützen.

Ideologie-geschichtlich ist der Faschismus am Ende des Ersten Weltkriegs mit Benito Mussolini verortet. Das Signet seiner Bewegung in Italien war das römische Rutenbündel – lateinisch fasces – als Symbol des Zusammenhalts. Keine Frage, nicht alle Charakteristika »des Faschismus« finden sich bei der AfD. Schon die Unterscheidung von Bewegung und Staatsmacht weist auf Differenzen hin. Der Partei fehlt denn auch das unwidersprochene Führerprinzip und die paramilitärische Parteiorganisation. Doch müssen denn alle Affinitäten gegeben sein, um mit einer Klassifizierung zu provozieren? Die kulturstiftenden Mythen wie die der »deutschen Nation« oder die identitätsgenerierenden Erzählungen von dem »Großen Austausch« fehlen nicht. Die antreibende Motivation gegen Liberalität und Parlamentarismus ebenso wenig. Ein Totalitätsanspruch ist nicht minder gegeben.

Der von dem AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander Gauland als »Seele« und »Mitte« der Partei bezeichnete Björn Höcke kann als Faschist bezeichnet werden. Ein Auftreten von ihm vor Parteipublikum belegt auch schon einen Personenkult, um »den Björn«, »den Höcke«. In den vergangenen Jahren ist der unumstrittene Führer des offiziell aufgelösten »Flügels« nicht nur unter #hoeckeisteinFaschist als solcher bezeichnet worden. Eine Klage folgte bisher nicht. In seinem Gesprächsband »Nie zweimal in denselben Fluss« von 2018 warnt Höcke nicht nur vor dem »Volkstod durch Bevölkerungsaustausch« und benennt Andersdenkende als »brandige Glieder«. Er stellt auch fest, dass bei der von ihm angestrebten Umwälzung »wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind« mitzumachen. Und, und, und. Wenn das die Seele der Partei ist, dann ist ihre Gesinnung klar.