Rechte Entwicklung

von Anita Starosta und Moritz Krawinkel
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 191 - August 2021

#Stiftung

Nach der Bundestagswahl wird die rechte »Desiderius-Erasmus-Stiftung« voraussichtlich ein Millionenbudget erhalten. Was zu erwarten ist und was uns das angeht.

 

Antifa Magazin der rechte rand
»Das Problem heißt Rassismus« Roland Geisheimer / attenzione

Rechte und rechtsradikale Parteien, Regierungen und ihnen nahestehende Organisationen bedrohen weltweit Kämpfe für grenzüberschreitende Solidarität, für soziale Gerechtigkeit und die Menschenrechte. Jair Bolsonaro in Brasilien, Viktor Orbán in Ungarn oder Rodrigo Duterte auf den Philippinen sind nur die prominentesten Beispiele einer globalen Entwicklung, die auf verschiedenen Ebenen auch medico international und unsere Partnerorganisationen in ­Asien, Afrika und Lateinamerika betrifft.

In Deutschland sammeln sich reaktionäre Kräfte mit anhaltendem (Wahl-)Erfolg in der »Alternative für Deutschland« (AfD). Gegen ihr reaktionäres Projekt des Rückbaus sozialer Rechte und emanzipatorischer Errungenschaften beteiligen wir uns an verschiedenen Mobilisierungen der Zivilgesellschaft. Deshalb unterzeichnen wir das Manifest »Keine Minute warten im Kampf gegen rechts« und setzen uns gemeinsam mit bildungspolitischen und anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die rassistische Spaltung der Gesellschaft ein, die die AfD vorantreibt. In den Vordergrund rückt dabei auch die ihr nahe stehende »Desiderius-Erasmus-Stiftung«, deren Aktivitäten schon jetzt darauf abzielen, Demokratie, Solidarität und Menschenrechte zu schädigen. Nach der kommenden Bundestagswahl wird die Stiftung voraussichtlich staatliche Fördergelder erhalten und ihre destruktive Arbeit ausweiten – auch ins Ausland.

 

Die Ziele der AfD in der Außen- und Entwicklungspolitik sind eindeutig: Der Schutz vermeintlich nationaler Interessen in der internationalen Zusammenarbeit, die Migrationsabwehr und der Zusammenschluss mit rechten Kräften stehen im Vordergrund. Mit einer staatlichen Förderung ihrer Stiftung in Millionenhöhe bekommt die AfD auch die Möglichkeit, Auslandsbüros zu eröffnen und in politisch instabilen Regionen der Welt rechtsradikale Projekte zu unterstützen, die hart erkämpfte demokratische und soziale Fortschritte bedrohen.

Dabei bleibt die AfD wie in anderen Politikfeldern auch ihrer Strategie treu, zunächst einmal alles zertrümmern zu wollen, was zum alten »System« gehört. Für ihre entwicklungspolitische Agenda gilt dasselbe wie für ihre übrigen Aktivitäten: Sie zeichnet sich durch eine Mischung aus Konzeptlosigkeit, Ignoranz und Vorurteil aus. Über die Zustände in anderen Regionen denkt man in der AfD vor allem wegen hier ankommender Migrant*innen nach. Entsprechend fordert die Partei »einen grundsätzlichen Strategiewechsel in der Entwicklungspolitik«. Ihr Ziel ist es, die Entwicklungshilfe gänzlich deutschen Interessen unterordnen. Um das sicherzustellen, soll das Entwicklungsministerium abgeschafft werden und das Außenministerium die verbleibenden Aufgaben übernehmen. Deutsche Zuwendungen erhielte dann nur noch, wer sicherheitspolitisch oder wirtschaftlich für Deutschland relevant oder eben Herkunftsland von Flüchtlingen ist. »Allen anderen streichen wir die Mittel«, erklärte Alexander Gauland 2017. Diese Perspektive liegt auch der Arbeit von AfD-Politiker*innen im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zugrunde. Mithilfe kleiner und großer Anfragen versuchen sie, Hilfsorganisationen unter Druck zu setzen und ihre Arbeit zu diskreditieren. Markus Frohnmaier, Sprecher des AfD-Arbeitskreises »Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung«, wird vom Verfassungsschutz bescheinigt, dass seine Äußerungen zum Islam und zum Umgang mit Geflüchteten gegen die Menschenwürdegarantie des Artikel 1 Grundgesetz verstoßen.

 

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Uns begleitet die Auseinandersetzung mit rechtsradikalen und rassistischen Akteur*innen in Deutschland und ihre internationale Vernetzung schon lange: Von den Beziehungen deutscher Neonazis zum südafrikanischen Apartheid-Regime in den 1980er Jahren bis in die Gegenwart und zur syrischen Diktatur. Zuletzt infolge der Flucht, die Millionen Menschen aus Syrien nach Europa antreten mussten, entstand für rechte Parteien in Europa ein Feindbild, das sie für ihre Zwecke instrumentalisieren. Doch »Syrien ist sicher« heißt es nicht nur von der AfD, sondern aus vielen deutschen Innenministerien – insbesondere vor den Innenministerkonferenzen, auf denen jedes Mal wieder darum gerungen wird, wenigstens Teile Syriens trotz Krieg und Verfolgung zum sicheren Herkunftsland zu erklären, in das abgeschoben werden kann.

Angefeuert wird dieser Diskurs von der AfD, von der inzwischen mehrmals Bundestags-Abgeordnete in Syrien waren, um die Legende von der »Normalität« Syriens zu verbreiten. Das kommt gut an bei der rechten Basis. Vor drei Jahren sammelte die der AfD nahestehende »Identitäre Bewegung« Gelder für vermeintliche Hilfsprojekte in den Camps syrischer Geflüchteter im Libanon. Ihr »patriotisches Hilfsprojekt« sollte, so die Außendarstellung, Mittel an Geflüchtete vergeben, die sich nicht nach Europa aufmachen. medico-Kollege Till Küster sagte damals der Zeitung Neues Deutschland: »Sie missbrauchen die Bedürfnisse der Menschen vor Ort, mit dem Ziel Menschen abzuwehren. Dabei setzen sie sich in keiner Weise mit der politischen Situation vor Ort und den Gründen für Flucht auseinander.«

Doch das Problem ist größer als rechtsradikale Splittergruppen und eine reaktionäre Fraktion im Bundestag: Wenn man sich die Programme zur sogenannten »Freiwilligen Rückkehr« anschaut, die die Bundesregierung inzwischen auflegt, um Menschen ihren Anspruch auf ein Asylverfahren abzukaufen und auch in unsichere Länder abschieben zu können und wenn man die längst stattfindende Verknüpfung deutscher Entwicklungshilfe mit der Migrationsabwehr im nördlichen Afrika anschaut, entsteht der Eindruck, die radikale Rechte wäre bereits Stichwortgeberin für Teile der Außen- und Entwicklungspolitik. Mehr Ressourcen, mehr Geld und mehr Einfluss für sie lassen nichts Gutes für die Zukunft erahnen.

Anita Starosta und Moritz Krawinkel sind Mitarbeiter*innen der Hilfsorganisation medico international, wo der Text als erstes veröffentlicht wurde.