»Meine Zielgruppe ist das Volk«

von Kai Budler und Lisa Krug
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 187 - Dezember 2020

#Netzwerk

Neben der monatlichen Printausgabe haben Jürgen Elsässer und seine Mitstreiter*innen ein wahres »Compact«-Netzwerk mit unterschiedlichen Formaten aufgebaut. Dazu gehören Veranstaltungen zur Eigenwerbung, Leser*innenbindung auch im Internet und Vernetzung, die auch die Kassen der Veranstalter füllen.

Antifa Magazin der rechte rand
Neonazi Jörg Hähnel von der NPD im Mitarbeiter*innenbereich des Messestands des »Compact Magazins« in Leipzig im Gespräch mit Jürgen Elsässer. © Mark Mühlhaus / attenzione

Gegenstand der »Compact-Magazin GmbH« ist »die Herausgabe der Zeitschrift Compact-Magazin«, heißt es in den Papieren der GmbH. Dort erscheinen außerdem unregelmäßig Ausgaben von »Compact Spezial«, »Aktuell«, »Geschichte« und »Edition«. Für deren Bewerbung führen die Blattmacher*innen Veranstaltungen durch, die meist die Inhalte der jeweiligen Sonderausgaben thematisieren wie zum Beispiel »Dresden 1945. Die Toten, die Täter und die Verharmloser« im Februar 2020 in Dresden. Andere Veranstaltungen mit entsprechenden Parteifunktionär*innen besonders aus dem Netzwerk des formal aufgelösten »Flügel« haben das Milieu der »Alternative für Deutschland« (AfD) als Zielgruppe im Blick. So gelang Elsässer im März 2016 am Abend der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt noch vor den öffentlich-rechtlichen Medien ein Live-Interview mit dem damaligen AfD-Spitzenkandidaten André Poggenburg.

Das Herzstück


Eine Konstante seit Erscheinen des gedruckten Magazins ist die jährliche »Compact-Konferenz« an wechselnden Orten, die bis mindestens 2015 mit dem in Moskau gegründeten Kulturinstitut »Institut de la Démocratie et de la Coopération« in Paris durchgeführt wurde. Seit 2012 firmiert das »Aushängeschild von Compact« als »Konferenz für Souveränität« mit einem Eintrittspreis von circa 70 Euro. Besonders zu Anfang standen noch typische Verschwörungsmythen wie der Anschlag am 11. September 2001 in New York auf der Agenda der Konferenzen, deren Vorträge und Diskussionen anschließend auf DVD erworben werden konnten. Später werden die Reden auf dem YouTube-Kanal von »Compact« verbreitet, ausgewählte Beiträge werden zudem in einer der folgenden Magazinausgaben zweitverwertet. Für die Konferenz »Zukunft der Familie« 2013 konnte Chefredakteur Elsässer Thilo Sarrazin als Redner vor etwa 600 zahlenden Gästen gewinnen. Im Vorfeld hatten die angekündigten Peter Scholl-Latour und Frauke Petry ihre Zusagen zurückgezogen, selbst Eva Herman hatte mit der Begründung abgesagt, sie wolle sich nicht »vorwerfen lassen müssen, an einem homophoben Kongress teilzunehmen«.

»Compact« und die rechten VIPs


Spätestens seit 2014 gelingt es den Organisator*innen, die neu-rechte Szene und die AfD in die Veranstaltungen einzubeziehen und damit an das Magazin zu binden. Unter dem Titel »Frieden mit Russland« referierten in Berlin neben Andreas von Bülow und Egon Bahr von der SPD sowie Willy Wimmer von der CDU auch Karl Albrecht Schachtschneider und Alexander Gauland. Im folgenden Jahr nahmen neben Schachtschneider und dem Schriftsteller Rolf Hochhuth unter anderem auch André Poggenburg von der AfD Sachsen-Anhalt, Götz Kubitschek vom »Institut für Staatspolitik« (IfS) und der Chef der »Identitären Bewegung« (IB) in Österreich, Martin Sellner, teil. Sie diskutierten nach Eigenangaben vor 1.000 zahlenden Besucher*innen über »Perspektiven für eine deutsche Freiheitsbewegung«. Sellner erhielt später die regelmäßige Kolumne »Sellners Revolution« im gedruckten Magazin. Zum Thema »Meinungsfreiheit« holte Elsässer 2016 in Berlin dann den Kopf von ­PEGIDA, Lutz Bachmann, mit ins Boot, der auch im folgenden Jahr bei der Konferenz »Opposition heißt Widerstand« in Leipzig als Redner auftrat. Ebenfalls auf der Bühne saßen 2016 Götz Kubitschek, Martin Sellner, Oliver Hilburger, Chef des Vereins »Zentrum Automobil« und Ex-Gitarrist der Neonazi-Band »Noie Werte« sowie Björn Höcke, Initiator des völkischen »Flügels« und AfD-Landesvorsitzender in Thüringen. In einer Nachbetrachtung wurden sie als »die wichtigsten Vertreter der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition« bezeichnet. Der erstmals bei der Konferenz des neu-rechten Netzwerks »Ein Prozent« gestiftete Preis »Held des Alltags« ging an Sellner und den damaligen Chef der Berliner und Brandenburger IB, Robert Timm. In den folgenden zwei Jahren erhielten den Preis der ehemalige Anführer der rassistischen »English Defence League«, Tommy Robinson, und Gernot Tegetmeyer von PEGIDA Nürnberg sowie der extrem rechte Hip-Hopper Christoph Zloch alias Chris Ares. Die vorerst letzten »Konferenzen für Souveränität« fanden 2018 in Garmisch-Partenkirchen (»Grenzschutz«) und 2019 in Magdeburg (»Ökodiktatur«) statt.

Wirtschaftsfaktor


Mit ihren Veranstaltungen kommen Elsässer und »Compact« ihrem Ziel näher, bei der weiteren Vernetzung und Zusammenarbeit der rechten Szene eine zentrale Rolle einzunehmen. Ein solcher Austausch ist auch in den Print-Ausgaben des Magazins zu beobachten. So bestehen Sonderausgaben wie »Compact Geschichte« bis zu einem Drittel aus Material des Verlags »Druffel & Vowinckel«, der sich unter dem Dach der Verlagsgesellschaft Berg, einem der größten extrem rechten Verlage bundesweit, befindet. Geschäftsführer ist der ehemalige Vorsitzende der »Gesellschaft für freie Publizistik«, Gert Sudholt, der wegen Volksverhetzung vorbestraft ist.


Mit zu Kongressen eingeladenen Referent*innen kann das Magazin neue Autor*innen und Interview-Partner*innen gewinnen. Ein reger Austausch besteht etwa mit Autor*innen aus der rassistischen Gruppierung »Nova Europa Society« mit Sitz in Mannheim. Sie strebt einen neuen »Ethnostaat« mit ausschließlich weißen Bewohner*innen an und hat dazu im Juli 2019 im Raum Karlsruhe einen ersten Kongress durchgeführt. Den Besucher*innen der Compact-Veranstaltungen wiederum wird ein Gefühl der Exklusivität vermittelt, das zu einer starken Bindung führt. Und nicht zuletzt generieren überteuerten Eintrittskarten und der Verkauf von Heften und dem üblichen Merchandising vor Ort eine nicht unerhebliche Menge an Umsatz. Ein Teil des insgesamt erwirtschafteten Geldes dürfte wohl für die Begleichung der Kosten für die verschiedenen »Compact«-Projekte genutzt werden. Unklar ist, ob dazu auch die Kosten für den Redaktionssitz gehören. In diesem Fall würde das Geld vor allem Jürgen Elsässer als alleinigem Geschäftsführer der »Compact-Magazin GmbH« zugutekommen, denn der Sitz der »Compact«-Redaktion im brandenburgischen Waldheim bei Falkensee ist zugleich Elsässers Wohnsitz.

»Compact« für zu Hause


Diejenigen, denen der Eintritt der Konferenzen zu teuer oder das Lesen zu anstrengend ist, können sich im YouTube-Kanal »Compact TV« mit aktuellen Inhalten und Debatten aus Sicht der »alternativen Journalisten« berieseln lassen. Seit August 2011 stellt »Compact TV« regelmäßig Videos online. Die Aufmachung ist über die Jahre aufwendiger geworden. Bewegte Grafiken in den Einspielern, professionell geschnittene Videoberichte, eine Moderatorin und geführte Interviews mimen ein seriöses Nachrichtenportal. Mit diesem Konzept werden mittlerweile 143.000 Abonnent*innen online erreicht, das ist ein Vielfaches mehr als bei anderen Kanäle im rechten Milieu. So bringen es vergleichsweise die IB-Plattform »einprozentfilm« gerade einmal auf 11.800 oder der NPD-Kanal »DS-TV« auf 7.830 Abonnent*innen. Neben den Berichten über diverse tagesaktuelle Themen aus dem politischen Deutschland gibt es bei »Compact-TV« auch immer wieder Interview- oder Gesprächsrunden. Der Live-Stream, in dem sich »Flügel«-Obmann Jens Meier mit Martin MüllerMerten und Elsässer im Sessel sitzend zur vermeintlichen Selbstauflösung des AfD-»Flügels« auslassen, wurde über 45.900 Mal aufgerufen. Das Interview mit Xavier Naidoo im Juli dieses Jahres brachte fast doppelt so viele Aufrufe – Klickzahlen, die längst zur Normalität geworden sind.

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Einen besonderen Clou ließ sich »Compact TV« zu den kürzlichen USA-Wahlen einfallen. In dem knapp zwölfstündigen Livestream gaben die Protagonist*innen ihre geistigen Ergüsse zu den aktuellen Zahlen und Spekulationen rund um Donald Trump und seinen Herausforderer Joe Biden preis. Um noch mehr Zuschauer*innen zu erreichen, sendeten sie parallel auf vier Kanälen. Neben »Compact TV« mit Jürgen Elsässer sendeten der »Digitale Chronist« Thomas Grabinger und Elijah Tee den Stream auf ihren eigenen Kanälen. Stefan Bauer plauderte auf seinem erst kurz vorher wieder freigegebenen Kanal unter anderem mit dem selbsternannten Wahlexperten Bernhard Boneberg, dessen Expertise darin besteht, nach eigenen Angaben seit 1984 die Wahlen in den USA live zu verfolgen – vor dem heimischen Fernseher. Im »Compact«-Kanal wurde der Livestream insgesamt 126.588 Mal aufgerufen.


Nicht zu leugnen ist, dass die YouTube-Community und das Netzwerk hinter »Compact TV« groß ist. Dennoch ist auch die Sorge einer Abschaltung groß. Elsässer arbeitet klar heraus, wie entscheidend er die Wahl Donald Trumps im Hinblick auf das Weiterbestehen des Compact-Kanals sieht. »Ich sehe die Zukunft, was ›Compact TV‹ auf YouTube angeht düster«, so Elsässer in dem USA-Livestream. Um einem Ende vorzubeugen, habe man während eines sogenannten »Patriotentreffs« eine Woche zuvor in Schmalkalden bereits Gespräche geführt, um mit anderen Gleichgesinnten gemeinsame Projekte zu starten. Ähnlich wie es bereits zum USA-Livestream praktiziert wurde, wolle man zukünftig stärker auf mehreren, alternativen Kanälen präsent sein. Das soll einem »Totalausfall« von »Compact TV« vorbeugen, so dass dieser trotz Sperrung einzelner Kanäle weiterhin online bleiben kann.