Flügelflattern

von Lucius Teidelbaum

Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Januar / Februar 2020

#CDU

Nach dem »Christlich-Konservativen Deutschlandforum« in den 1990er Jahren und der »Aktion Linkstrend stoppen« ab 2010 ist die 2017 gegründete »WerteUnion« der dritte bundesweite Versuch, die Unionsparteien stärker nach rechts zu rücken.

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Ex-Inlandsgeheimdienst-Chef Hans-Georg Maaßen. Screenshot aus der Zeitung »Der Selbständige«

Am 17. Juli 2016 wurde von Mitgliedern der Jungen Union und der CDU in Schorndorf der »Konservative Aufbruch Baden-Württemberg e.V.« gegründet. Aus diesem ging im März 2017 ein Verein hervor, der später als »WerteUnion« (WU) auftrat. Neben anderen Ansätzen und Versuchen wie der 2010 gegründeten »Aktion Linkstrend stoppen«, dem »Berliner Kreis«, der ab 2012 an die Öffentlichkeit gegangen ist, den 2016 gegründeten »Konrads Erben« oder dem 2014 gegründeten »Konservativer Aufbruch! CSU-Basisbewegung für Werte und Reisefreiheit!« ist die »WerteUnion« Teil des Bemühens, die Unions-Parteien deutlich rechtskonservativer zu positionieren. Dazu wurde am 7. April 2018 ein »Konservatives Manifest« veröffentlicht, das »eine inhaltliche und personelle Erneuerung von CDU und CSU auf christlich-konservativer und marktwirtschaftlicher Basis« einfordert. Das Manifest tritt »für einen gesunden, weltoffenen Patriotismus ein, der sich bewusst von nationalistischen Parolen abhebt«. Weiterhin wird gefordert: »Die ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland und in unser Sozialsystem […] abzuwenden.« Behauptet wird, die gestiegene Migration von Geflüchteten »seit 2015 war rechtswidrig und falsch«. Daraus wird abgeleitet: »Eine Aufnahme in Deutschland soll nur subsidiär und bis zu einer Obergrenze von 50.000 Personen im Jahr zulässig sein.« Die Autor*innen sind auch gegen die Gender Studies: »In diesem Zusammenhang sprechen wir uns gegen staatliche Förderung der ideologisch motivierten sogenannten Genderforschung aus.«

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Ausgabe der rechte rand – #AntifaMagazin CDU AFD


Ein Vorbild der »WerteUnion« ist Sebastian Kurz von der »Österreichischen Volkspartei«, obwohl er gar nicht so sehr für ein ausgeprägtes konservatives Profil, sondern eher für einen autoritären Populismus und Personenkult steht. Politisch ist Kurz auch eher ein Pragmatiker, was die Auswechslung seines bisherigen Koalitionspartners, die »Freiheitliche Partei Österreich«, durch die Grünen beweist. Aber Kurz steht für einen Bruch mit dem, was als »Sozialdemokratisierung« umschrieben wird. Die auch von rechten Konservativen gerne bemühte Erzählung von der »Sozialdemokratisierung« der Union trifft in Wahrheit aber nur halb zu, denn sie erwähnt meist nicht die gleichzeitige »Neoliberalisierung« der SPD. Während gesellschaftspolitisch Zugeständnisse an die linksliberalen Milieus gemacht wurden, wurden sie auf ökonomischer Ebene verweigert und der Abbau des Sozialstaates betrieben.

Das Personal
Vorsitzender der »WerteUnion« ist Alexander Mitsch, ein DiplomKaufmann aus Plankenstadt bei Heidelberg. Er trat 1985 der CDU bei und war bis Oktober 2019 Beisitzer im CDU-Kreisverband Rhein-Neckar. Mitsch nennt die »WerteUnion« die »Speerspitze der konservativen Bewegung«. Die Mitgliederzahlen seiner Organisation sind steigend, im November 2019 lagen sie laut Eigenangabe bei 3.600 Mitgliedern. Im Vergleich mit den insgesamt 400.000 Mitgliedern in der CDU handelt es sich aber weiterhin nur um eine kleine Minderheit. Landespolitiker*innen suchten immer wieder gezielt ihre Nähe, aber eine offizielle Anerkennung als parteiinterne Gliederung blieb ihr bisher versagt. Einzelne Bundes- oder Landtagsabgeordnete sind Mitglieder oder Sympathisant*innen.


Die Gruppe kann nicht der extremen Rechten zugerechnet werden, sondern ist Teil einer konservativen Rechten. Es existieren bei ihr gute Verbindungen zum pragmatischen Flügel der »Neuen Rechten« um die »Junge Freiheit« (JF) herum. Der stellvertretende Vorsitzende der »WerteUnion«, Hinrich Rohbohm aus Jork (Niedersachsen), ist seit Mai 2008 Reporter für die JF. Er war bis mindestens 2009 CDU-Mitglied und ist weiter Landesvorsitzender der »Christdemokraten für das Leben« in Niedersachsen, der »Lebensschützer«-Lobby in der Union. Inzwischen besitzt die »WerteUnion« in jedem Bundesland einen eigenen Landesverband, die aber in unterschiedlichem Maße aktiv sind. Zunehmend werden auch regionale Gliederungen gegründet.


Seit Anfang 2019 existiert das Halbjahres-Magazin »TAXIS« aus Augsburg, als »Debattenmagazin für den christdemokratischen Konservatismus«. In ihm schreibt auch der emeritierte Professor Werner J. Patzelt (s. @derrechterand Nr. 177) aus Dresden. Schon mehrfach hatte er als CDU- und »WerteUnion«-Mitglied seiner Partei empfohlen, am rechten Rand zu fischen.


An der Basis wirkt Rainer Wendt von der »Deutschen Polizeigewerkschaft« (s. @derrechterand Nr. 171), dem erst kürzlich nur knapp ein Posten als Staatssekretär in Magdeburg verwehrt werden konnte. Doch nicht alle Mitglieder sind innerhalb der Organisation so unumstritten wie Wendt. Nach einem relativierenden Tweet von Max Otte, dem Vorsitzenden des Kuratoriums der AfD-nahen »Desiderius-Erasmus-Stiftung«, zur Tötung von Walter Lübcke forderte die »WerteUnion« am 19. Juni 2019 den Ausschluss ihres eigenen Mitglieds Otte aus der CDU.


Als strategischer Annäherungsversuch dürften 2019 die Treffen von »WerteUnion« mit dem wiedergewählten sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU bei der Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg, gelten. Hintergrund dürfte dabei auch sein, dass sich Mitsch als CDU-Direktkandidat für den Wahlkreis 40 Schwetzingen/Hockenheim bewerben will. Ob die Unterstützung der Gruppe immer hilft, ist fraglich. Bei der Wahl zum neuen CDU-Bundesvorsitzenden im Dezember 2018 unterstützte sie den knapp gescheiterten Friedrich Merz.

Der Botschafter
Als Botschafter vor den Kameras und Mikrofonen fungiert der Ex-Inlandsgeheimdienst-Chef Hans-Georg Maaßen. Er ist seit 1978 CDU-Mitglied, war vom 1. August 2012 bis September 2018 Präsident des Inlandsgeheimdienstes »Bundesamt für Verfassungsschutz« (BfV) und ist seit Ende Februar 2019 Mitglied der »WerteUnion«. Er tritt als parteiinterner Merkel- und Migrations-Kritiker auf, arbeitet stellenweise mit plumpen Angstgemälden und gibt aber auch gerne den vornehmen Konservativen.


Erbost twitterte er im Juni 2019: »Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.« Obwohl er durch verschwörungsideologisches Spekulieren seinen Posten verloren hat, raunt Maaßen weiter. Im Interview mit dem Magazin »Der Selbstständige« 12/2019 meint er etwa: »Der Greta-Hype ist eine Kampagne von Hintermännern oder Hinterfrauen, die dieses an Autismus erkrankte Mädchen nach vorne geschoben haben, um bestimmte politische Ziele zu verfolgen.«


Maaßen muss generell zu einer ganzen Reihe von Einzelpersonen gezählt werden, die organisatorisch die Distanz zur extremen Rechten pflegen, aber Teile extrem rechter Ideologie und Mythen sehr wohl adaptiert haben. Damit fungieren sie als Türöffner nach rechts im Diskurs. Thilo Sarrazin war sicherlich der wichtigste Vertreter dieser sehr unterschiedlichen Gruppe. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz nannte Maaßen 2019 zu Recht den »Sarrazin der CDU«.

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Obwohl die CDU-Führung sich von Maaßen distanzierte, führte dieser in den Landtagswahlkämpfen in Thüringen und Sachsen zusammen mit CDU-Kandidat*innen einen regelrechten Parallel-Wahlkampf. Auch wenn die Veranstaltungen gut besucht waren, ließ sich statistisch kein positiver Effekt für die CDU-Kandidat*innen ermitteln. Maaßen ist nicht der einzige hochrangige Ex-Geheimdienst-Funktionär im Umfeld der Organisation. Am 26. Oktober 2019 trat auf der »Nordkonferenz der WerteUnion« in Buxtehude neben ihm auch Gerhard Schindler auf, der von 2012 bis 2016 Chef des Auslandsgeheimdiensts BND war. Schindler ist seit 1974 Mitglied der »Saarbrücker Burschenschaft Germania«. Den Burschentag von deren neugegründetem Dachverband »Allgemeine Deutsche Burschenschaft« beehrte er 2017 auch mit einer Rede.

Das Bindeglied?
Statt einer echten Hausmacht in der Union verfügt die »WerteUnion« eher über eine Diskursmacht im Sinne einer überproportionalen Wahrnehmung in den Medien.


Ähnlich wie die AfD, schafft sie es über das Prinzip der Provokation immer wieder in die Schlagzeilen. Die Medien springen über so manches Stöckchen, das ihnen diese Gruppierung oder einzelne Vertreter*innen hinhalten. Mitsch wurde so in den letzten Jahren zu dem bekanntesten CDU-Kreisvorstands-Mitglied. Die derzeitige Unionsspitze wird vermutlich vorerst keine nachhaltige »konservative Wende« einleiten, sondern eher ab und zu rechts oder links blinken, um dann weiter geradeaus zu fahren. Es regiert in der CDU-Führung eher der Pragmatismus. Die Union ist und bleibt derzeit der einzig realistische Koalitionspartner der AfD und damit deren Option zur direkten Macht. Es stellt sich die Frage, ob die Union über die »WerteUnion« als Bindeglied künftig in eine Koalition mit der AfD geraten könnte. Kurzfristig scheint das eher unwahrscheinlich. Zum einen gibt es durchaus inhaltlich Trennendes: Der von der »WerteUnion« favorisierte Kanzlerkandidat Friedrich Merz positionierte sich auch recht eindeutig gegen die AfD. Sein ausgeprägter Neoliberalismus widerspricht gleichzeitig auch der »sozialpatriotischen« Linie des Höcke-Flügels. Auch betont die »WerteUnion« ihre Unterstützung der NATO und ihre Verbundenheit mit der EU, während man Russland mit Vorbehalten begegnet. Die Nähe von Teilen der AfD zum Russland unter Putin wird hier eher misstrauisch betrachtet.


Vermutlich auch aus solchen Gründen und angesichts des offenen Rechtsradikalismus von Teilen der AfD plädiert die »WerteUnion« nicht offensiv für eine Koalition mit der Union, sondern eher für eine Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die AfD.
Aber vielleicht werden es auch weniger ideologische Überschneidungen sein, die zu einer konservativ-extrem rechten Koalition führen, als mehr pragmatische Gründe des Machterhalts.