In der rechten Mitte
von Michael Bergmann
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019
#Sachsen
Der Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt sorgte in den Wochen vor seiner Emeritierung für Schlagzeilen. Seine Empörung über die Ablehnung einer Seniorprofessur, seine aktive Unterstützung der Sachsen-CDU und seine Nähe zur „Neuen Rechten“ sorgen für Kritik.
Werner J. Patzelt ist ein routinierter Rhetoriker. Er versteht es, in Bildern zu sprechen. Bilder, die auf den ersten Blick logisch erscheinen, die sich vor dem geistigen Auge blumig entfalten und so ausdrucksvoll sind, dass pure Fakten neben ihnen blass und unbeholfen wirken. „Geradeso als ob es sich für einen Medizinprofessor nicht gehören würde, Kranke zu behandeln oder als ob es unanständig wäre, wenn ein Musikprofessor öffentlich musizieren würde“, so sei es, meint der Dresdner Professor in einem Youtube-Video, wenn man ihm vorwerfen würde, dass er seine Rolle als Politikwissenschaftler und als politischer Bürger auf unzulässige Weise miteinander vermengt habe. Dieser Vorwurf wurde in einem Schreiben „seiner Universität“ an ihn ausgesprochen. Inhalt des Briefs, der dafür sorgte, dass Patzelt wenige Wochen vor seiner Pensionierung noch einmal ein bundesweites Medienecho provozierte, ist die Ablehnung einer Seniorprofessur an der „Technischen Universität Dresden“ (TUD).
„… den Machthabern nicht gefällt“
Patzelts Auftritt in Folge dieser Ablehnung hat ihm nicht nur wiederholt Applaus der Montagsspaziergänger in Dresden eingebracht, sondern auch Zuspruch durch den Leiter des BILD-Parlamentsbüros in Berlin, Ralf Schuler, oder durch den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Friedrich (CSU). Letzterer schrieb auf Twitter, dass die „traurige Realität in Deutschland 2019“ zur Causa Patzelt aufgearbeitet werden müsse, auch wenn die Wahrheit „den Machthabern nicht gefällt.“ Er bezog sich auf einen Artikel des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Arnold Vaatz. Dieser philosophierte auf der Internetseite „Die Achse des Guten“ unter der Überschrift „Die Geschichte einer Säuberung“ über Patzelts gescheiterte Seniorprofessur. Der sächsische CDU-Abgeordnete Vaatz gilt als rechter Hardliner in seiner Partei. In seinem Artikel über Patzelt verlinkte er unter anderem auf die extrem rechte russische Internetseite „anonymousnews.ru“.
CDU und „Neue Rechte“
Der Schmerz über Patzelts Abschied von der TU Dresden sitzt tief beim rechten Flügel der Konservativen. Der Politikwissenschaftler war trotz seiner rechtskonservativen Positionen und seiner fehlenden Distanz zur „Neuen Rechten“ stets ein gefragter Interviewpartner für viele Medien. Ebenjene Popularität dürfte nach seiner Emeritierung spürbar nachlassen. Der 1953 in Passau geborene Werner J. Patzelt baute zu Beginn der 1990er Jahre das Dresdner Institut für Politikwissenschaft mit auf und hatte über 27 Jahre die Professur für Politische Systeme und Systemvergleich inne. Als langjähriges Mitglied der CDU war er Vertrauensdozent der „Konrad-Adenauer-Stiftung“ und wurde immer wieder als Berater für die sächsische Union herangezogen. Darüber hinaus hat Werner J. Patzelt seit langem einen Sitz im Kuratorium der „Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung“. Dass er von diesem Sitz zurücktreten solle, fordert der ehemalige Chef der Behörde Frank Richter – er ist inzwischen Wahlkämpfer für die sächsische SPD. Die Rücktrittsforderungen fußen jedoch nicht auf Patzelts politischen Ansichten und seiner Nähe zu neu-rechten Ideologen. Frank Richter moniert eine mögliche „parteipolitische Einflussnahme“, weil Patzelt seit Beginn des Jahres maßgeblich in der Programmkommission der CDU zur sächsischen Landtagswahl im September 2019 mitwirkt.
Rechts außen
Dabei gäbe es seit Jahren ausreichend andere Gründe, warum man denken könne, dass Patzelt in einem Kuratorium einer „Landeszentrale für Politische Bildung“ fehl am Platze ist. Der redegewandte Professor war in den letzten 20 Jahren ein gern gesehener Gast bei verschiedenen schlagenden Studentenverbindungen mit einer verpflichtenden Mensur, einige sind Mitglied im extrem rechten Verband der „Deutschen Burschenschaft“ (DB). Im Juni 2006 sprach er beim „Deutschen Burschentag“ in Eisenach auf der Wartburg. Sein Vortrag unter dem Titel „Deutscher Patriotismus und sein Wert“ erschien in den „Burschenschaftlichen Blättern“, die von der extrem rechten DB herausgegeben werden. In Dresden war er 2011 bei der „Aachen-Dresdner Burschenschaft Cheruscia“ zu Gast. Diese pflegte in der Vergangenheit Kontakte zur sächsischen Führungsriege der neonazistischen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO). Bei Veranstaltungen der „Cheruscia“ waren auch der langjährige Anmelder der Neonazi-Demonstrationen zum 13. Februar, Alexander Kleber, sowie der spätere NPD-Landeschef Holger Szymanski wiederholt zu Gast. Die Forderungen nach einem Rücktritt von Patzelt aus dem Kuratorium der „Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung“ blieben auch im November 2015 aus, als er zusammen mit Thilo Sarrazin vor 450 zahlenden Gästen in einem Dresdner Hotel das damals aktuelle Sarrazin-Buch „Der neue Tugendterror: Über die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland“ vorstellte. Patzelt eröffnete seinen Vortrag mit den Worten: „Alles was Herr Sarrazin angesprochen hat, sind wichtige Probleme unseres Landes.“ In seinem Redebeitrag warnt er vor „den 68er“, die seiner Ansicht nach „alle Schalt- und Machtstellen im Staate inne“ haben. Patzelt meint, wenn der Eindruck entsteht „und sei es durch die Realität selbst“, dass ein Staat sein Ordnungsgefüge nicht mehr aufrecht erhalten kann, „zum Beispiel dadurch, dass ein Staat sagt, sowas wie Grenzen ist eigentlich überflüssig und sinnlos, ´No Nations, no borders´“ (…) Wenn ein Staat also seine Gestaltungsmacht verliert, wenn er also seine Kontrolle verliert über die Bereiche in denen er seine Gestaltungsmacht durchsetzen will, (…) dann endet das alles in Anarchie und Bürgerkrieg.“ Patzelt bleibt mit seinen Ausführungen bewusst auf der Meta-Ebene. Die konkrete Übertragung seiner Analyse auf aktuelle Ereignisse überlässt er den Rezipienten. An der Seite von Sarrazin erhielt er dafür tosenden Applaus.
„Fahrlässige Migrationspolitik“
Ein weiteres Markenzeichen Patzelts ist seit vielen Jahren das konsequente Herunterspielen neonazistischer und rassistischer Ereignisse in Sachsen. Als die NPD 2004 mit mehr als neun Prozent der Stimmen in den sächsischen Landtag einzog, sprach Patzelt von einer Protestwahl. Er forderte öffentlich, dass die CDU sich so ausrichten solle, dass die NPD rechts neben ihr weniger Wähler erreiche. Nachdem im Spätsommer 2018 in Chemnitz rassistische Aufmärsche unter Beteiligung des Who-is-who der deutschen Neonazi-Szene stattfanden und Geflüchtete angegriffen wurden, sprach Patzelt davon, dass der Grund der Demonstrationen der „Zorn über üble Folgen der fahrlässigen Migrationspolitik“ gewesen sei, keine Hetzjagden stattgefunden haben und „die Medien“ ihre Hauptaufgabe „mehrheitlich“ in einer „politischen Parteinahme“ sehen, statt Fakten zu recherchieren.
Seit Beginn der Pegida-Demonstrationen hatte Patzelt jede Fassade fallen gelassen.
Nicht neu
Regelmäßig ist Patzelt Autor oder prominenter Interviewpartner in der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ – ebenjenes Blattes, das vom neofaschistischen „Institut für Staatspolitik“ als wichtigstes „Organ unseres Lagers“ bezeichnet wird. Seit 2016 tritt Patzelt in der neu-rechten „Bibliothek des Konservatismus“ (BdK) in Berlin mit Vorträgen in Erscheinung. Sie orientiert sich an Ideen und Vordenkern der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik und ist eng verknüpft mit der antifeministischen und fundamentalistischen „Lebensschutz“-Bewegung. Antifeminismus sowie die Reduzierung von Frauen auf ihre Reproduktions- und Mutterrolle sind auch Themen des „Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.“, in dessen wissenschaftlichem Beirat Patzelt mitwirkt. Insofern sind die neuerlichen Vorwürfe gegen Patzelt, er weise eine Nähe zur AfD auf, weil er von der Partei Aufträge angenommen habe und auf ihren Veranstaltungen spricht, überraschend. Patzelt hatte schon lange vor dem Erfolg der AfD jede Grenzziehung zu Strömungen und Gruppen vermissen lassen, die sich deutlich im Sinne völkischer und neu-rechter Denkweisen ausrichten. Dass er mögliche Koalitionen zwischen Konservativen und der AfD nicht ausschließt oder gar empfiehlt, ist im Sinne seines politischen Weges nur konsequent.
#Wochenzeitung
Die ›Generallinie‹ der »Jungen Freiheit«
von Helmut Kellershohn
Magazin “der rechte rand” Ausgabe 172 – Mai / Juni 2018