Kampfsport-Events

von Arthur John Johnson
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019

#Promoter

In Deutschland finden jedes Wochenende dutzende Kampfsportveranstaltungen im Bereich Kickboxen, Muay Thai und Mixed Martial Arts (MMA) statt – meist kleinere Turniere unterschiedlicher Disziplinen, NewcomerInnenveranstaltungen und »Hausgalas« – Veranstaltungen in einem Gym. Große Kampfsportgalas haben bis zu 3.000 ZuschauerInnen. Der Branchenprimus im MMA, die »Ultimate Fight Championship« (UFC) kommt auf etwa 10.000 ZuschauerInnen, wobei selbst bei der bisher größten Veranstaltung 2009 in der Kölner »Laxness Arena« mehr als die Hälfte wohl aus dem europäischen Ausland stammte. 90 Prozent der Events dürften eher im Bereich von 200 – 500 ZuschauerInnen liegen.

3. Weg, 1. Mai, Kampfsport, runter von der Matte, AfD Flügel, Bundeswehr, Hanibal
Ausgabe der rechte rand
#AntifaMagazin Schwerpunkt Neonazis und Kampfsport und Polizei

Die deutsche Vollkontakt-Kampfsportszene zeichnet sich durch extreme Fragmentierung aus. Unter dem Begriff Vollkontakt-Kampfsport werden unzählige Disziplinen wie K1 Rules, Kickboxen, Muay Thai oder Mixed Martial Arts, um nur einige zu nennen, subsumiert. Noch größer ist die Anzahl der Verbände, die Veranstaltungen sanktionieren, KampfrichterInnen stellen und Titel und Championgürtel vergeben. Die »Bekannteren« darunter heißen ISKA, WKU, WAKO, WFCA, WKC, oder IPTA. Dazu kommen Veranstalter wie GLORY, WE LOVE MMA, FAIR FC und UFC. Grob gesagt bestimmt nicht der Verband, wer um einen Titel kämpfen darf, sondern der Veranstalter der Gala (meist ein Gym, eine Sportschule oder ein Verein) sucht sich den Verband, der seinem Lokalmatador einen Titelkampf ermöglicht. Weltmeisterschaftskämpfe vor 200 ZuschauerInnen sind daher keine Seltenheit. Wer also in Deutschland einen nationalen oder internationalen Titel trägt, muss kein Profi, geschweige denn ein guter Kämpfer oder eine gute Kämpferin sein. Die Gagen für diese Kämpfe bewegen sich in der Regel weit unter 1.000 Euro. Aktuell wird im MMA mehr gezahlt als in den anderen Vollkontakt-Kampfsportarten wie Kickboxen oder Muay Thai, da dieser Sport mehr mediale Beachtung findet. Trotzdem verdient ein durchschnittlicher Oberliga-Fußballer weitaus mehr.

Diese Fragmentierung zeigt sich auch daran, dass der Vollkontakt-Kampfsport nur über eine marginale Repräsentation in den etablierten Verbänden wie dem »Deutschen Olympischen Sportbund« (DOSB) verfügt. Lediglich der »Bundesverband für Kickboxen e. V.« (WAKO) ist Mitglied im DOSB und er gehört noch zu den kleineren Verbänden. Regulierung findet in diesem Sportbereich also nicht durch etablierte Strukturen wie den DOSB oder die Landessportbünde statt, sondern kommt aus der Szene selbst.

Autoritäre Denkstrukturen
Als Randsportart hat man es im Kampfsport oftmals mit gewaltaffinen Menschen zu tun. Kampfsportarten gelten nach wie vor als »Unterschichtensport« und ziehen entsprechendes Klientel an. Auch wenn inzwischen Menschen aller Gesellschaftsschichten anzutreffen sind, TrainerInnen haben es doch immer noch mit Gangs, Clans, delinquenten Jugendlichen, Hooligans oder dem Türstehermillieu in all seinen Schattierungen zu tun. Das in den »Rocky«-Filmen gezeichnete Bild der Entwicklung vom Kleinkriminellen zum Superstar scheint das Handeln vieler TrainerInnen im Umgang mit gewaltaffinem Klientel zu beeinflussen. Neonazis und RassistInnen können sich dort leicht einreihen: Es wird als »Integrationsleistung« betrachtet, dass sie den Sport mit oft migrantischen TrainingspartnerInnen ausüben, auch wenn sie dabei ihre rassistischen Weltbilder nicht hinterfragen. In der Logik der bürgerlichen Extremismustheorie reicht es aus, diese Vorstellungen während des Trainings nicht gewaltförmig zu praktizieren. Das knüpft schließlich an den olympischen Gedanken an: Wir lassen die Waffen ruhen und messen uns im sportlichen Wettkampf.

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Haltung zeigen

Dazu kommt, dass autoritäre Denkstrukturen in der Kampfsportszene weit verbreitet sind. Das Selbstbildnis als »Krieger« und Werte wie Loyalität, Konflikt- und Leidensbereitschaft sind anschlussfähig für Neonazis. Der von der Wehrmacht stammende Spruch »Klagt nicht, kämpft« dürfte ungeachtet seiner Herkunft von vielen KampfsportlerInnen geteilt werden.

Auch die hierarchische Struktur vieler Kampfsportschulen dürfte Neonazis gefallen: Ein Trainer an der Spitze, der die Gruppe leitet, kommt dem durchschnittlichen »autoritären Charakter« entgegen. Diese Anziehung beruht auf Gegenseitigkeit: So mancher Kampfsporttrainer fühlt sich bestätigt, wenn Neonazis durch die Unterordnung und oft geradezu devotes Verhalten seine Position innerhalb der Gruppe bestärken. Für ihn sind diese Menschen schließlich keine Gefahr, sie geben sich fügsam und sympathisch. Die Gefahr, die sie für andere Menschen darstellen können, wird ausgeblendet oder sozialarbeiterisch affirmiert. »Ja ich weiß, dass das ein ‹Rechter› ist, aber hier haben wir den unter Kontrolle«, könnte man dem prototypischen Kampfsporttrainer in den Mund legen. Was aber auch erwähnt werden sollte: Gelegentlich werden eben jene Typen als »Prügelknaben« eingespannt, an denen Fortgeschrittene sich austesten, während die Verprügelten dies als Anerkennung ihrer sportlichen Härte interpretieren. Diese Grundstruktur führt mitunter dazu, dass Salafisten und Neonazis in derselben Kampfsportschule trainieren und sich dort wohl fühlen.

Unterschiede in Ost und West
Beim Blick auf Kampfsportdeutschland fallen Unterschiede zwischen »alten« und »neuen« Bundesländern auf. Dies liegt nicht nur an der mangelnden Professionalität der VeranstalterInnen, SportlerInnen und Verbände, sondern vor allem an der Rolle als Randsport innerhalb der Randsportarten. Eine durchschnittliche westdeutsche Kampfsportveranstaltung erreicht weniger als 1.000, maximal 2.000 ZuschauerInnen. Ein Samstagabend in einer beliebigen Großstadt im Westen bietet zahllose Möglichkeiten, sich zu amüsieren. Veranstalter im Osten haben es da leichter: Einerseits gibt es weniger Konkurrenz, andererseits eine hohe Affinität zu Kampfsport. Dies liegt auch an der hohen gesellschaftlichen Anerkennung, den der Boxsport in der DDR genoss. Weiterhin ist die Fußball- und Hooligankultur in den ostdeutschen Bundesländern viel weiter verbreitet, an die Veranstalter einer Kampfsportgala anknüpfen können. Im Osten werden so mit dem gleichen organisatorischen Aufwand wesentlich mehr ZuschauerInnen erreicht als im Westen.

Übertragungszeit und Sponsoren
Für den finanziellen Erfolg einer Kampfsportveranstaltung sind zwei Faktoren relevant, die sich wechselseitig bedingen: Fernsehzeit und Sponsoren. Im Kampfsport dominiert das Profiboxen im öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen. Noch scheint für einen anderen Kampfsport kein Platz. Aktuell gibt es nur eine Promotion, »Stekos Fight Night«, die Kickboxen im privaten Fernsehen zeigt. Im Bereich des MMA überträgt der Sender »Sport1« die UFC. Deutsche Veranstalter versuchen deshalb vor allem über Streamingdienste oder Onlineportale wie »Fight24« und »ran Fighting« der »ProSiebenSat.1 Sports GmbH« ein Publikum außerhalb der Eventhalle zu gewinnen. Die Zugriffszahlen stehen bisher in keinem Verhältnis zu den TV-Reichweiten. Ziel der Onlineportale im Bereich Kampfsport ist vor allem, möglichst viel Content und damit möglichst viele Klicks zu erzeugen. Der Stream eines Neonazikämpfers kann da insofern interessant sein, wenn durch einen »Naziskandal« die Zugriffszahlen nach oben treiben.

Da sich mit der Übertragung kaum Geld verdienen lässt, sind Sponsoren umso relevanter. Diese sind jedoch schwer zu akquirieren, wenn das öffentliche Interesse fehlt. Im Durchschnitt dürfte das übliche Sponsorenpaket einer Kampfsportveranstaltung bei 500 bis 1.000 Euro liegen, kein Vergleich zum Sponsoring im »etablierten« Sport. So greifen Veranstalter auch auf Sponsoren aus dem Rotlicht-, Rocker- und Glücksspiel-Milieu zurück – und auch die eine oder andere »fragwürdige« Bekleidungsmarke.

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Neonazi mit Schienbeinschützern

Neonazis bei Wettkämpfen
Für die meisten Veranstalter einer Kampfsportgala sind teilnehmende Neonazis ein Phänomen, das entweder als marginal betracht (»das ist eine Minderheit«) oder opportunistisch abgetan wird (»wird sich schon verwachsen«). Auch andere Faktoren spielen eine Rolle: Bei einer Gala kann eventuell eine Kampfpaarung nicht ersetzt werden und es müssen finanzielle Einbußen in Kauf genommen werden. Umgekehrt kann es für Veranstalter interessant sein, gerade einen solchen »kontroversen« Kämpfer einzusetzen, wenn der provozierte Skandal Öffentlichkeit schafft und Tickets verkauft. Bei so manchem Promoter dürfte sogar die Vorstellung herrschen, einen extrem rechten Kämpfer durch eine Niederlage gegen eine/n KämpferIn mit Migrationshintergrund zu entdämonisieren. Und es gibt natürlich auch solche, die aus persönlicher Verbundenheit oder sogar politischer Überzeugung heraus versuchen, diesen KämpferInnen eine Bühne zu bieten. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Veranstalter, die Neonazis nicht antreten lassen. Ihnen genügt oft nur ein Hinweis auf den extrem rechten Hintergrund des Kämpfers, damit dieser aus der Fightcard entfernt wird.

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Neben der persönlichen Einstellung und den ökonomischen Überlegungen eines Promoters hängt es letztendlich auch vom gesellschaftlichen Umfeld einer Kampfsportveranstaltung ab, wie mit extrem rechten KämpferInnen umgegangen wird. Das ist im Kampfsport wie beim Fußball. Das Gedenken an eine lokale verstorbene Neonazigröße mag in Chemnitz im Stadion unter den Fans keinen Widerspruch erzeugen, in Hamburg aber einen Eklat auslösen. Das Skandalpotenzial ist auch abhängig vom Resonanzboden, auf den es stößt. Dies gilt selbstverständlich auch für Kampfsportschulen und Vereine. Die Mitglieder sind letztendlich ein Querschnitt der jeweiligen Bevölkerungsstruktur. Ein konsequenter Ausschluss von Neonazis könnte in einer Stadt wie Chemnitz das finanzielle Aus bedeuten, in Berlin jedoch die Grundlage des Erfolges.

AntifaschistInnen müssen damit rechnen, dass es nicht unbedingt ausreicht, einen Neonazi in einer Sportschule zu outen oder seine Teilnahme an einem Turnier publik zu machen. Gym-BetreiberInnen und Veranstalter können sich viel zu leicht entweder mit dem »Sozialarbeiter«-Ticket oder dem Narrativ der dunklen »Vergangenheit« eines Kämpfers oder einer Kämpferin herausreden. Vielversprechender erscheint der Hinweis, dass der Kodex des Kampfsports verraten wird. Wenn besagte Person weiterhin gewalttätig ist oder sich öffentlich als Neonazi zu erkennen gibt, greift die Verharmlosung nicht mehr so leicht.