Die CDU zwischen Harmagedon und schwarz-blau

von Kai Budler
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 181 - November / Dezember 2019 - online only

Nach der Landtagswahl in Thüringen

#schwazblau

Mit dem Erstarken der »Alternative für Deutschland« nach der Landtagswahl in Thüringen denken CDU-Funktionäre über Kooperationen mit der Partei des Faschisten Björn Höcke nach. Auch ohne bislang konkrete Ergebnisse ist damit ein diskursiver Dammbruch mit erheblichem Flurschaden entstanden.

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Titelbild unserer Ausgabe »der rechte rand«
Sommer 2019
CDU AFD

Nach der Wahl in Thüringen Ende Oktober 2019 ist die »Alternative für Deutschland« (AfD) mit 23,4 Prozent die zweitstärkste Partei im Freistaat und zukünftig mit einer 22-köpfigen Fraktion im neu gewählten Landtag vertreten. 2014 hatte sie mit 10,4 Prozent der abgegebenen Stimmen noch elf Mandate geholt, im Laufe der Jahre war die Fraktion jedoch auf nur sieben Abgeordnete geschrumpft. Mit Ausnahme von Wiebke Muhsal, die schon vor der Wahl ihren Verzicht auf ein weiteres Mandat erklärt hatte, sind alle sechs bisherigen AfD-Mandatsträger*innen auch in der neuen Fraktion vertreten. Nur drei der 22 neuen Abgeordneten sind Frauen, von den fünf Polizisten auf der Landesliste haben drei Beamte den Sprung in die Fraktion geschafft. Alter und neuer Fraktionsvorsitzender ist der Faschist Björn Höcke, der in seinem katholischen Wahlkreis Eichsfeld I 21,4 Prozent und an seinem Wohnort Bornhagen 38,8 Prozent der Erststimmen holte. Damit unterlag er deutlich dem CDU-Kandidaten Thadäus König, der im CDU-Wahlkreis mit dem stärksten Erststimmen-Ergebnis mehr als doppelt so viele Stimmen wie Höcke bekam. Im Vergleich zur Landtagswahl 2014 aber verlor die CDU landesweit 13 Direktmandate, während die AfD elf von 44 Wahlkreisen direkt gewann. Dies dürfte auch an der um knapp 12 Prozentpunkte gestiegenen Wahlbeteiligung liegen, von der die AfD am meisten profitierte. Im Vergleich zu 2014 gewann sie 153.000 Stimmen hinzu, 43 Prozent davon stammten von ehemaligen Nichtwähler*innen, knapp ein Viertel kam von ehemaligen Wählern der Thüringer CDU, die im Vergleich zur Landtagswahl 2014 11,7 Prozent der Stimmen verlor.

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Titelbild unserer Ausgabe »der rechte rand«
Oktober 2018
Faschist Höcke

»Höcke ist ein Nazi«
Auf der Bundespressekonferenz am Tag nach der Landtagswahl bezeichnete der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen das Thüringer Ergebnis als »eine Art Zeitenwende« und nannte Björn Höcke »mittig«. Sein Co-Vorsitzender Alexander Gauland ergänzte, der Anführer des völkischen «Der Flügel« stehe in der «Mitte der Partei«. Gauland erklärte: «Also, Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts.« Die Thüringer CDU und ihr Landesvorsitzender Mike Mohring hingegen haben ihr bislang schlechtestes Ergebnis eingefahren und sind mit ihrem #aufbruch2019 deutlich gescheitert. Noch kurz vor der Wahl hatte Moring erklärt »Höcke ist ein Nazi« und mit den Worten »Ich habe nichts mit diesen Drecksnazis gemeinsam, die gehen mir auf den Sack« nicht zum ersten Mal eine Koalition mit der AfD nach der Landtagswahl ausgeschlossen. Nach der Wahlniederlage stellt sich die Situation nun aber weitaus komplexer und die CDU selbst als zerrissen dar, wenn CDU-Funktionäre offen über eine Zusammenarbeit mit der AfD nachdenken. Dabei ist das Liebäugeln mit der AfD in Teilen der Thüringer CDU nichts Neues. Schon 2014 hatte sie mit der AfD geplant, einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken, um die Wahl von Bodo Ramelow (Die Linke) als Ministerpräsidenten zu verhindern. Nach der diesjährigen Landtagswahl denkt auch der Vizefraktionsvorsitzende, Michael Heym, öffentlich über ein Bündnis aus AfD, CDU und FDP nach und fordert, »das sollte man nicht von vornherein ausschließen«. Ziel sei eine »bürgerliche Mehrheit rechts« im Landtag mit einer von Heym als »konservativ« titulierten AfD.

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Hans Georg Maaßen am 11. Oktober 2019 in Suhl © Kai Budler

Werteunion mit Scharnierfunktion
Diese Haltung ist wenig überraschend, nahm Heym doch zwei Wochen vor der Wahl an einer Veranstaltung mit dem früheren Vorsitzenden des Bundesverfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, in Suhl teil, die der örtliche Kreisverband und die Thüringer »Werte Union« organisiert hatten. Letztere unterstützt Heym bei seinen Äußerungen zu einer möglichen Kooperation mit der AfD und entwickelt sich innerhalb der Union immer mehr zu einem Scharnier zwischen CDU und AfD-Wähler*innen und Sympathisant*innen. Zur »Werteunion« bekannte sich an dem Abend in Suhl auch der örtliche CDU-Direktkandidat und Polizist, Marcus Kalkhake, für dessen Wahlkampf Maaßen eingeladen worden war. Im benachbarten Sachsen galt er während des Wahlkampfs der CDU als unerwünscht. Anders ist es bei der CDU in Thüringen, wo der Vorsitzende der »Werteunion« in Thüringen, Christian Sitter, in Suhl erklärte: »Für mich sind Sie ein Held, Herr Doktor Maaßen,« So verwundert es nicht, dass Sitter zu einer 17-köpfigen Gruppe »konservativer Unionsmitglieder in Thüringen« gehört, die Anfang November mit einem Appell an die Öffentlichkeit trat. Die Unterzeichner*innen, darunter auch Heyms Landtagskollege Jörg Kellner, stellen sich hinter Heym, beklagen eine »Ausschließeritis« und fordern, dass die CDU sich »aktiv am Gesprächsprozess mit ALLEN demokratisch gewählten Parteien im Thüringer Landtag beteiligt«. Zwar wird die AfD in dem Appell nicht namentlich genannt, doch der Hinweis, es könne nicht sein, »dass fast ein Viertel der Wählerstimmen bei diesen Gesprächen außen vor bleiben sollen«, zielt genau auf die Partei unter Führung des Faschisten Höcke. Die Unterzeichner*innen lehnen zwar eine Koalition mit der AfD ab, um »einen Ministerpräsidenten Björn Höcke ins Amt zu bringen«. Deutlich betreiben sie jedoch einen diskursiven Dammbruch, um Mitglieder, Anhänger*innen und potenzielle Wähler*innen der CDU langfristig auf eine Kooperation mit der AfD und damit deren Normalisierung vorzubereiten. Immerhin hatten bei einer Befragung drei Wochen vor der Landtagswahl knapp zwei Drittel der potenziellen CDU-Wähler*innen angegeben, nicht mehr CDU zu wählen, wenn diese in Thüringen eine Regierungskoalition mit der AfD einginge.

Harmagedon für CDU-Abgeordnete
Eine drastische Gegenrede kommt ausgerechnet aus dem traditionell katholisch-konservativen Eichsfeld in Nordthüringen. Hier fordert der CDU-Landrat Werner Henning die CDU-Landtagsabgeordneten mit deutlichen Worten auf, sich Mohring zu verweigern, wenn dieser sich als Ministerpräsident zur Wahl stellen sollte. Henning reagiert damit auf den Rat des Parlamentarischen Staatssekretärs und Ostbeauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte, der Mohring geraten hatte »bei der Ministerpräsidentenwahl im Landtag gegen Amtsinhaber Bodo Ramelow anzutreten«. In Hennings Pressemitteilung mit offiziellem Briefkopf des Landratsamtes heißt es: »Wie das ohne die Mitwirkung von Herrn Höcke erfolgreich sein soll, bleibt schleierhaft. Der intellektuelle Unabhängigkeitsbeweis aller anderen AFD-Landtagsabgeordneten von dessen Demagogie steht zumindest noch eine ganze Zeit aus.« Henning verweist auf eine Rede von Papst Benedikt XVI., der 2011 vor dem Deutschen Bundestag gesagt hatte: »Der Erfolg ist dem Maßstab der Gerechtigkeit, dem Willen zum Recht und dem Verstehen für das Recht untergeordnet. Erfolg kann auch Verführung sein und kann so den Weg auftun für die Verfälschung des Rechts, für die Zerstörung der Gerechtigkeit (…). Besonders die Deutschen wissen es aus eigener Erfahrung, dass diese Worte nicht ein leeres Schreckgespenst sind«, so der Landrat. Sollten sich die CDU-Mitglieder des neuen Landtages nicht danach richten, werde jeder Mandatsträger »sein Harmagedon bestehen müssen«. Der Katholik meint damit die in der neutestamentarischen Apokalypse geschilderte letzte Serie von endzeitlichen Plagen, die im Krieg mit Gott am Berg Harmagedon gipfeln. Ob die zerrissene Thüringer CDU dem christlichen Ratschlag des bundesweit dienstältesten Landrats folgen wird, ist aktuell ebenso unklar wie die Frage, ob ihre Abgeordneten der von Henning prophezeiten Katastrophe standhalten können. Unzweifelhaft ist jedoch schon jetzt der übergroße Flurschaden, den die Gespräche über eine Kooperation mit der extrem rechten AfD angerichtet haben.