Rechtes Netzwerk macht Wahlwerbung für schwarz-blau

von Kai Budler

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 180 - September / Oktober 2019 - online only

#AfDWahlhelfer

Zwei Wochen vor der Landtagswahl versucht die „Vereinigung der Freien Medien“ die Brücke für eine schwarz-blaue Koalition zwischen CDU und AfD in Thüringen zu bauen. Das Zeitungsprojekt ist neu, der Kreis der Personen dahinter besteht jedoch aus Altbekannten.

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Der Wahlhelfer © derrechterand #AntifaMagazin

„Macht die Wahl zur Volksabstimmung!“, fordern die Initiator*innen der Gratis-Zeitung „Der Wahlhelfer – Argumente für mündige Bürger“ in jener Ausgabe, die im Vorfeld der Landtagswahl in Thüringen verteilt wird. Allein die Kosten für die Herstellung der nach eigenen Angaben 500.000 Exemplare dürften bei mindestens rund 13.000 Euro gelegen haben. Für den Inhalt verantwortlich zeichnen Hanno Vollenweider und Vera Lengsfeld vom Vorstand der „Vereinigung der Freien Medien“, die Ende Oktober 2018 gegründet worden war. Neben ihnen werden noch drei weitere Vorstandsmitglieder aufgelistet, darunter der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte Islamfeind Michael Stürzenberger. Eine erste Sitzung fand am 11.11.2018 bei dem rechten Blogger David Berger in Berlin statt.

Verein in Gründung mit Briefkastenadresse
Der dort angekündigte Versuch, die „Vereinigung“ als Verein registrieren zu lassen, scheint bis heute gescheitert zu sein, obwohl man sich bereits eine Satzung gegeben hatte. Im Vereinsregister jedenfalls ist ein gleichnamiger Verein nicht zu finden, die Gruppierung firmiert stattdessen als „eingetragener Verein in Gründung“. Die auf der Homepage angegebene Adresse in der Berliner Friedrichstraße entpuppt sich als Briefkasten des Dienstleisters Clevver GmbH, auf dem die Vereinigung den Zusatz „e.V.“

trägt.

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Der Wahlhelfer – gegen Rot-Rot_Grün mit einer Lüge © derrechterand #AntifaMagazin

 

Die nun in Thüringen verteilte Publikation warnt auf der letzten Seite: „Dieses Material darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden!“. Dass dieser Satz lediglich einer Schadensbegrenzung dient, darf nicht zuletzt aufgrund der Mitgliedschaft von David Bendels in der Vereinigung angenommen werden. Bendels ist Chefredakteur des „Deutschland Kuriers“, für den mehrere AfD-Politiker*innen geschrieben haben. Er ist auch Vorsitzender des „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“, der vor seiner Gründung 2016 als lose Vereinigung agierte und bis 2018 den „Deutschland Kurier“ herausgab. Als der Verein mit großflächigen Plakaten und Extra-Blättern die AfD in Wahlkämpfen unterstützte, überprüfte die Bundestagsverwaltung, ob die Unterstützung der AfD in Millionenhöhe durch den Verein gegen das Parteiengesetz verstoße.

Zusammenarbeit von AfD und „freien Medien“
Auch ihre Premiere in der Öffentlichkeit stellt die Behauptung der „Vereinigung der Freien Medien“, sie sei „staatspolitisch unabhängig“, in Frage. Schließlich gehörte sie zu den Vertreter*innen „alternativer Medien“ der rechten Szene auf einer Konferenz, zu der die AfD im Mai 2019 in den Bundestag eingeladen hatte. Auch auf dem Roll-Up prangte das Logo der Vereinigung. Auf der Konferenz diskutierte David Berger mit den beiden AfD-Bundestagsabgeordneten Uwe Schulz und Petr Bystom, später folgte ein Vortrag über „Synergieeffekte und Kooperationsmöglichkeiten“. Bystrom erklärte anschließend: „Das große Vernetzungstreffen mit der jüngsten Fraktion im Deutschen Bundestag und der jungen, frischen Generation freier Medienmacher war längst überfällig und hat ganz wichtige Weichen für die Zukunft der AfD-Pressearbeit gestellt. (…) Die Zusammenarbeit von AfD-Fraktion und freien Medien hat bereits in den letzten Jahren Früchte getragen. Diese Kooperation zu optimieren, war ein Hauptanliegen der Organisatoren“.

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Der Wahlhelfer – Dialog gegen Höcke – Screenshot © derrechterand #AntifaMagazin

In der Zeitung ist beispielsweise ein offener Brief der Initiative „Dialog jetzt!“ an die CDU Thüringen und die Alternative für Deutschland Thüringen abgedruckt, in dem es heißt: „Die CDU Thüringen hätte die historische Chance, einen echten Neuanfang der Partei einzuleiten und ihr mit konservativem Profil wieder zu ihrer ursprünglichen Bedeutung zu verhelfen“. Ohnehin würde eine Kooperation mit der AfD nur die Macht des Faktischen untermauern, wenn eine solche Kooperation in kommunalen Gremien sowieso schon praktiziert werde. Einer Annäherung der beiden Fraktionen aber stehe der AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke im Weg, der als Beleg für die Behauptung diene, „AfD-Funktionäre seien Brüder im Geiste mit der NPD“. Für eine Koalition solle Höcke den Weg freimachen und zum Beispiel „eine Verzichtserklärung auf jegliche Funktionen in einer Landesregierung im Fall einer schwarz-blauen Koalition“ unterzeichnen. So sehen es zumindest die Sprecher der Initiative, der ehemalige wissenschaftliche Direktor der Stiftung Schloss Ettersburg, Wulf Bennert, und der ehemalige CDU-Landrat Hans-Helmut Münchberg. Dabei ist es eine irrige Annahme, zu glauben, die Thüringer AfD und „Der Flügel“ wären auch ohne Höcke im Vordergrund weniger radikal als sie es unter ihrem Vorsitzenden sind. Das gilt auch trotz Vera Lengsfelds Vorwurf: „So lange die AfD Höcke in ihren Reihen hat, wird sie sich den Vorwurf, nationalen Sozialisten eine Heimstatt zu bieten, gefallen lassen müssen“.

Rechte AfD ohne Höcke bleibt rechte AfD
Für das Zeitungsprojekt in Thüringen greift die Gruppierung auf die Erfahrungen in Sachsen zurück, wo sie vor der Landtagswahl 200.000 Exemplare eines zwölfseitigen Flyers mit dem Namen „Wahlkampfhelfer“ landesweit verteilt hatte. Allerdings ist der „Wahlhelfer“ kein vorbehaltsloser Aufruf zur Wahl der Thüringer AfD. Vera Lengsfeld schließt zwar an die „Wende 2.0“-Rhetorik der Partei an, wonach aus Ostdeutschland „vor dreißig Jahren der entscheidende Impuls für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus[ging]“ und folgert: „Von hier kann die demokratische Erneuerung unseres Landes ausgehen“. Vielmehr ist der „Wahlhelfer“ aber der Versuch, die CDU zu einer Zusammenarbeit mit der AfD zu bewegen, die konservative Partei weiter nach rechts zu treiben und die Existenz der AfD zu normalisieren.

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Der Wahlhelfer – Lengsfeld wärmt Texte auf © derrechterand #AntifaMagazin

Keine Hetzjagden in Chemnitz
Dabei ist die vermeintlich aus der Mitte stammende ehemalige Bürgerrechtlerin Lengsfeld selbst nach rechtsaußen gedriftet. Früher einmal war sie Mitglied bei den Grünen und der CDU. Im März 2013 dann saß sie neben Beatrix von Storch im Vorstand des später aufgelösten Bürgerkonvents, der von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung als „Apo von rechts“ und „von oben“ bezeichnet wurde. Seit 2017 wurde die Zusammenarbeit mit der AfD unter Frauke Petry enger, ein Jahr später initiierte Lengsfeld die „Gemeinsame Erklärung 2018“, trat als Rednerin auf einer Pegida-nahen Kundgebung in Köln auf und nahm neben Thilo Sarrazin, Jörg Meuthen und anderen als Rednerin an dem „Neuen Hambacher Fest“ teil. Nach wie vor behauptet sie, bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz habe es keine „Angriffe von Nazis“ gegeben: „Dabei gab es von Anfang an keine Beweise für angebliche Hetzjagden auf alles, ‚was ausländisch aussieht‘, die in Chemnitz am Rand des Trauermarschs der 800 Chemnitzer stattgefunden haben sollen. (…) Die Schimäre Hetzjagden wird aufrecht erhalten und damit zum bleibenden Schaden der Stadt“. Für die Thüringer Ausgabe des „Wahlhelfer“ recycelt Lengsfeld ihren im September 2019 veröffentlichten Text „Deutschland rechts außen? Kampf gegen Rechts als Geschäftsmodell“. Auch dort bestreitet sie die Hetzjagden in Chemnitz. Sie behauptet, es sei bis heute nicht geklärt, „wer die Vermummten waren, die das dortige jüdische Restaurant attackiert haben“ und versteigt sich zu der Behauptung: „Klar ist allerdings, dass der in den Medien vielfach abgelichtete Hitlergrüßer ein bekennender Antifant war“.

 

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Der Wahlhelfer – Rassismus vs. Klimaschutz © derrechterand #AntifaMagazin

 

Verschwörungstheoretiker*innen, Islamfeind*innen und Rassismus
Ein Blick auf die anderen Autor*innen des Blattes zeigt den rechten und verschwörungstheoretischen Charakter der „Vereinigung der Freien Medien“. Ein unter dem Pseudonym Hanno Vollenweider agierender Autor betreibt den Blog „Die Unbestechlichen“ mit Werbung für Bücher von Thilo Sarrazin und Publikationen aus dem „Kopp Verlag“ sowie dem „Lichtschlag Buchverlag“. Im Impressum findet sich der „Amadeus Verlag“, dessen Geschäftsführer Jan Udo Holey unter dem Pseudonym Jan van Helsing als Autor geschichtsrevisionistischer und rechtsesoterischer Bücher bekannt wurde. Vollenweider gab Ende 2018 auch das Buch “Wir sind noch mehr: Deutschland in Aufruhr” heraus, das die „bekanntesten Autoren der Freien Medien“ versammelt, auf die nun auch für „Der Wahlhelfer“ zurückgegriffen wird. Für den „Wahlhelfer“ schreibt auch Wolfgang Hübner als langjähriger Autor der islamfeindlichen Seite „PI-News“ und von 2001 bis 2016 Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender der rechtspopulistischen „Bürger für Frankfurt“ (BFF). Auch Wolfgang van de Rydt gehört zu den Autor*innen und geriet 2018 in das Licht der Öffentlichkeit, als er eine Belohnung von 10.000 Euro aussetzte für den, der ihm den „Kopf von Psiram“ bringe – einer Internetseite, die sich mit der Aufklärung über rechte Esoteriker*innen beschäftigt. Über das Thema „Sind die Thüringer Kultusminister die eigentlichen Schulversager?“ schrieb der völkisch-christliche Missionar und erste Landesvorsitzende der AfD in Thüringen, Mathias Wohlfarth, der später gegen Björn Höcke unterlag und bereits im März 2014 mit rassistischen Äußerungen aufgefallen war.

Für den Deutschen Journalistenverband (djv) ist die Sache klar. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa kritisierte Pressesprecher Hendrik Zörner eine grobe Verzerrung der Medienwirklichkeit und der Presselandschaft, weil das Blatt den Eindruck erwecke, dass es als einziges Medium wirklich unabhängig sei.

 

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