Begehrtes Steuergeld

von Ernst Kovahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#DerFlügel

Die »Alternative für Deutschland« in Thüringen will mit einer parteinahen Stiftung an Steuergeld kommen. Der Vorstand besteht aus Getreuen des Thüringer Partei- und Fraktionschefs Björn Höcke, UnterstützerInnen des rechtsradikalen Netzwerks »Der Flügel« und langjährigen Aktiven der »Neuen Rechten«.

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Torben Braga und Björn Höcke am 2. Dezember 2017 auf dem AfD-Parteitag in Hannover. © Roland Geisheimer / attenzione

Sogar dem »Mitteldeutschen Rundfunk« war die eigentlich unbedeutende Nachricht eine Meldung wert: »Die Thüringer AfD will eine politische Stiftung im Land aufbauen«, hieß es am 1. März 2019 stündlich im Radio. Am selben Tag hatte die »Thüringer Allgemeine« (TA) berichtet, dass der Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) eine »Carl-Joseph-Meyer-Stiftung« (CJMS) gegründet habe, um künftig an Steuergelder zu kommen. Die Stiftung wolle, so ließ die Lokalzeitung den AfD-Pressesprecher im Freistaat und das Vorstandsmitglied der CJMS, Torben Braga, erklären, Wissenschaft und Bildung, die Förderung von europäischer Zusammenarbeit und Kultur sowie Veranstaltungen organisieren. Dies sei, so Braga mit Blick auf die anderen parteinahen Stiftungen, »was auch alle anderen in ihren Satzungen stehen haben.«
Der Zweck des Vereins ist es, an den Geldtopf im Thüringer Landeshaushalt für parteinahe Bildungsvereine (»Stiftungen«) zu kommen. 450.000 Euro stehen dafür im Freistaat 2018 und 2019 jeweils zur Verfügung. Sie werden bisher an die parteinahen Stiftungen von SPD, FDP, Grüne, CDU und Linke vergeben. Das Geld können nur Vereine bekommen, »die mehrjährig existent sind und eine eigene Geschäftsstelle in Thüringen betreiben« – beides kann die AfD-nahe Stiftung in Thüringen nicht vorweisen. Da es bis zu einer Förderung der bundesweiten »Desiderius-Erasmus-Stiftung« aus Bundesmitteln und dem Aufbau von Strukturen vor Ort noch einige Jahre dauern dürfte, wählt die AfD nun den Weg über eigene Vereine in den Ländern. Burschenschafter Torben Braga bestätigte die Strategie gegenüber der TA: »Wenn wir zeitnah unsere Ziele erreichen wollen, dann geht das nur über eine eigenständige Stiftung.«

»Waffengleichheit«
Gegenüber der TA erklärte der AfD-Abgeordnete Stefan Möller, zwar stehe man dem System der parteinahen Stiftungen weiterhin kritisch gegenüber, aber »wir benötigen halt Waffengleichheit gegenüber der Konkurrenz.« Die AfD werde quasi gezwungen, in das angeblich abgelehnte System der »Altparteien« einzusteigen. Dabei ist die Thüringer Stiftung ganz und gar nicht neu – es hatte bloß noch niemand über sie berichtet. Denn die Satzung des Vereins, der sich derzeit um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bemüht, wurde bereits am 18. Oktober 2017 beschlossen und der Verein am 15. August 2018 beim Amtsgericht Erfurt registriert. Die Pläne sind offenbar noch älter, eine Website war bereits vor geraumer Zeit angemeldet worden. Die Domain war im Besitz von Torben Braga – die letzte Änderung erfolgte am 1. Februar 2017. Und auch auf Facebook existiert schon seit Ende August 2017 eine Seite. Doch aktiv ist der Verein bisher offenbar noch nicht.

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Dr. Jens Dietrich © thueringenrechtsaussen

»Der Flügel«, JA, Höcke-Jünger und »Neue Rechte«
Öffentlich bekannt wurden bisher lediglich Braga als Vorstandsmitglied der CJMS und Stefan Möller als Mitgründer des Vereins, die beide zum engsten Umfeld des rechtsradikalen Björn Höcke gehören, der Leitfigur des AfD-Netzwerks »Der Flügel«. Braga ist Schatzmeister der Stiftung, war lange Zeit »Assistent« von Höcke in der Landtagsfraktion, ist Ansprechpartner für Presseanfragen der AfD-Jugend »Junge Alternative« und bis heute Pressesprecher des von Höcke und Möller geführten Landesverbands der Partei. Er ist Mitglied der »Marburger Burschenschaft Germania«, die politisch zwischen der »Neuen Rechten« und offenem Neonazismus changiert, und war Sprecher des korporierten, völkischen Dachverbands »Deutsche Burschenschaft«. Auch Möller ist seit Jahren eine wichtige Stütze Höckes und war Erstunterzeichner der »Erfurter Resolution«, dem politischen Grundsatzpapier von »Der Flügel«.

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Stefan Möller © thueringenrechtsaussen

Bei näherer Betrachtung weiterer AkteurInnen im Vereinsvorstand wird deutlich: Der Vorstand besteht aus Höcke-Getreuen, UnterstützerInnen des rechtsradikalen Netzwerks »Der Flügel« und langjährigen Aktiven der »Neuen Rechten«. Der Vorsitzende des Vereins, Dr. Jens Dietrich, ist Mitglied im Landesvorstand der Partei, unter anderem in der Programmkommission und in der »Unterstützung der Geschäftsstelle« tätig sowie stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbands Ilmkreis/Gotha. Der Chemiker ist korporiert in der »Burschenschaft Sigambria et Alemannia zu Siegen« und war jahrelang im Vorstand deren »Altherrenverbands«. Zeitweise übernahm er die Funktion als stellvertretender Vorsitzender der Landespartei, nachdem eine Kritikerin des Rechtskurses der Partei zurücktrat. Dietrich legte den GegnerInnen Höckes damals laut Presseberichten nahe, die AfD zu verlassen. Inzwischen arbeitet er als Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion, wo er »Geschäftsführer« der Landesgruppe der Thüringer AfD-Bundestagsabgeordneten wurde.

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Screenshot von Henkels inzwischen abgeschalteter Homepage

»Ehemaliger Skinhead«
Vorstandsmitglied der Thüringer Stiftung ist auch Birgit Noll, Beisitzerin im Landesvorstand der Thüringer AfD, Vorsitzende des Kreisverbands Westthüringen, Referentin von Stefan Möller – und auch ihr Name stand auf der Liste der UnterstützerInnen der »Erfurter Resolution«. Auch der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung, Dr. Michael Henkel, hat eine ausgewiesen rechte Vita – und muss ebenfalls zu den Kräften direkt um Höcke gezählt werden. Als Referent für Grundsatzfragen, Europapolitik, Kultur und Medien in der Thüringer Landtagsfraktion ist er inhaltlich Höckes »rechte Hand«. Er bewegt sich seit Jahren zwischen Hochschule, katholischer Kirche und der »Neuen Rechten« – zum Beispiel als Autor im AfD-nahen Blog »Die freie Welt«, in der Schriftenreihe der »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«, die der neu-rechten Zeitung »Junge Freiheit« nahe steht. Henkel setzt seit Jahren – bisher öffentlich nahezu unbemerkt – die Strategie der »Neuen Rechten« um, der es in der Vergangenheit nicht um parlamentarische Mehrheiten oder Präsenz in Boulevard-Medien, sondern um die Erringung von Hegemonie in Hochschulen, bei Intellektuellen und unter gesellschaftlichen Eliten ging. Neben ihm dürfte Heiko Luge als Mitglied des Stiftungsvorstands der zweite »Intellektuelle« der Stiftung sein: Er arbeitet für den Thüringer Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl, der dem »völkisch-sozialen« Flügel zuzurechnen ist. Luge ist Herausgeber eines Buches über den Anfang 2017 verstorbenen rechten Vordenker und früheren Herausgeber der »Staatsbriefe« im einschlägigen »Ares Verlag«, Hans-Dietrich Sander. Im rechten »Arnshaugk Verlag« aus Thüringen gibt Luge die gesammelten Schriften Sanders heraus. Auch der Inlandsgeheimdienst kennt das heutige Mitglied des Stiftungsvorstands. So schrieb das »Bundesamt für Verfassungsschutz« in seinem Bericht 2001 über ihn und seine Tätigkeit für das rechtsradikale »Deutsche Kolleg« (DK): »Schulungsleiter des DK ist der ehemalige Skinhead Heiko LUGE.« Im DK war unter anderem auch der spätere Holocaust-Leugner Horst Mahler führend tätig.

Der Vorstand der »Carl-Joseph-Meyer-Stiftung« ist fest in der Hand von Personen aus dem direkten Umfeld von Höcke und dessen völkischem »Flügel«. Neu-rechte Denker und ein völkischer Burschenschafter ergänzen dieses Spektrum. Über den früheren Schulungsleiter des »Deutschen Kolleg« ergeben sich sogar Schnittstellen zum Spektrum der Holocaust-LeugnerInnen und »Reichsbürger«.

An die Fleischtöpfe
Gerade die »Neue Rechte« schielt begierig auf die Gelder der AfD, ihrer Fraktionen und der Stiftungen. Die bisher laut vorgetragene Kritik an der Parteien- und Stiftungsfinanzierung kippt schnell um in ein offenes Rennen an die Fleischtöpfe. Ganz offen formulierte das Ende der Zurückhaltung beispielsweise der »Gastautor« Martin Hettstedt Ende Februar 2019 im Blog der neu-rechten »Sezession«: Es könne »mehr als bisher getan werden«, um mit den Geldern »neben der reinen Parlaments- und Parteiarbeit auch das politische Vorfeld der AfD zu stärken«, schrieb er in einem Aufsatz, in dem es ausschließlich um die Forderung ging, Gelder aus der Partei umzuleiten. Verschämt nennt er das »politische Vorfeldpflege« und warnt, diese Planungen nicht vor den Augen der Öffentlichkeit darzulegen, sondern geheim zu halten. Die verfügbaren »riesigen Summen« seien »bis auf den letzten Cent« für den »Kampf gegen einen an Mitteln und Ressourcen vielfach überlegenen Gegner« »bitter nötig«, schrieb er. Bitter nötig ist das Geld offenbar auch für die zunehmende Zahl neu-rechter AkademikerInnen, die nach dem Studium schnell in Lohn und Brot kommen wollen.

Plakat zum Download @makeafdsadagain

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make afd sad again … Wir verachten die AfD und wir bekämpfen Faschist*innen. © Mark Mühlhaus / attenzione

Ausgang offen
Doch dass die Thüringer AfD-nahe Stiftung schnell an Geld kommt, ist noch nicht ausgemacht. Eine Sprecherin der zuständigen Staatskanzlei wies gegenüber der Zeitung »Freies Wort« darauf hin, dass nur jene Vereine Zuschüsse bekämen »die mehrjährig existent sind«. Darüber hinaus dürften die Behörden vor einer Förderung auch prüfen, ob durch die politisch einschlägige Zusammensetzung des Vereinsvorstands eine Förderung möglich ist. Denn »Der Flügel« um Höcke ist – anders als die AfD als Partei – in Gänze »Verdachtsfall« des Inlandsgeheimdienstes, ebenso die »Junge Alternative« (JA). Die absolute Dominanz von »Flügel«-, Höcke- und ehemaligen JA-Leuten sowie eines ehemaligen Funktionärs des DK in der CJMS ist unübersehbar. Am Problem der »Gemeinwohlgefährdung« wegen ihrer Beobachtung durch den Geheimdienst waren schon die Bemühungen der rechtsradikalen Partei »Die Republikaner« um Gründung und Förderung einer »Franz-Schönhuber-Stiftung« in Nordrhein-Westfalen gescheitert. Der Fall beweist, dass die Finanzierung parteinaher Stiftungen kein Automatismus ist, sondern durch politische und juristische Entscheidungen beeinflusst wird. Ob also künftig die Gesellschaft die »Alternative für Deutschland« und ihr Umfeld mit weiteren Millionenbeträgen subventionieren will, ist auch eine Entscheidung darüber, wo die Gesellschaft eine rote Linie gegenüber der radikalen Rechten ziehen will.

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Jürgen Pohl, Stefan Möller, Björn Höcke und Birgit Noll (v.l.n.r.) am 1. Mai 2018 in Eisenach
© Mark Mühlhaus / attenzione