Unter Beobachtung

von David Janzen
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 177 - März / April 2019

#JungeAlternative

Aktionismus für die Öffentlichkeit
Noch vor wenigen Wochen war das noch ganz anders, eine gewisse Panik machte sich breit: Kaum hatten die Innenminister von Bremen und Niedersachsen im August und September 2018 angekündigt, künftig die »Junge Alternative« in ihren Bundesländern mit geheimdienstlichen Mitteln beobachten zu wollen, da forderte die Bundes-AfD die Auflösung der beiden Landesverbände der Parteijugend. Die Angst ging um, die Beobachtung des Partei-Nachwuchses könnte Einfallstor für die Beobachtung der Gesamtpartei werden. Immerhin sind viele JAlerInnen gleichzeitig auch in der Mutterpartei in Ämtern; sind MandatsträgerInnen und Abgeordnete, oder arbeiten für die Fraktionen in Kommunen, Ländern und im Bundestag. Der Landesvorstand der AfD in Niedersachsen warnte im Herbst bereits vor ganz konkreten Folgen: »Beobachtet der VS eine Partei, verlassen in kürzester Zeit nahezu alle Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes diese Partei.« Im Landtag in Hannover kommen über die Hälfte der AfD-Abgeordneten aus dem Staatsdienst – ähnlich sieht es auch in anderen Bundesländern aus.

Auf einem eilig einberufenen JA-Bundeskongress Anfang November in Barsinghausen bei Hannover wurde dann auch die sofortige Auflösung der niedersächsischen JA beschlossen. Diese habe gegen die Ordnung der »Jungen Alternative« sowie gegen die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« verstoßen, hieß es zur Begründung. Zuvor äußerte der JA-Bundesvorsitzende Damian Lohr, die »Entscheidung der Landesämter für Verfassungsschutz Bremen und Niedersachsen« sei »nicht nachvollziehbar«, man wolle aber trotzdem eine Auflösung der Landesverbände allein »zum Schutze der Gesamtorganisation«. Zwei Wochen später verkündigte Lohr zudem, alle 150 Mitglieder aus Niedersachsen seien ganz aus dem Verband ausgeschlossen worden. Gegenüber dem Bremer Landesverband gab es gleichzeitig allerdings kaum Konsequenzen. Eine Kommission soll sich hier zunächst mit den Vorwürfen auseinandersetzen und auf dem nächsten JA-Bundeskongress einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreiten. Hier seien die Vorwürfe nicht so schwerwiegend wie in Niedersachsen, so ein Sprecher der »Jungen Alternative« gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Ob nun allerdings in Bremen, Niedersachsen oder in anderen Bundesländern: Überall gibt es zahlreiche Belege für Sympathien, Zusammenarbeit oder personelle Überschneidungen mit der »Identitären Bewegung« (IB), zu der es seit 2016 einen formalen Abgrenzungsbeschluss gibt. Auch in den »Leitlinien« für den Umgang mit vom »Verfassungsschutz beobachteten Organisationen«, die Bundesvorstand und Bundeskonvent 2017 verabschiedeten, ist die Rede davon, dass »keine Aktivitäten von Funktionsträgern, welche die Junge Alternative in Zusammenhang mit vom VS (Bundesamt und Landesämter) beobachteten Organisationen« bringen, geduldet werden. In der Realität wird sich kaum daran gehalten. Wo es entsprechende Ausschlussanträge gab, scheiterten diese oder blieben oft Monate oder gar jahrelang vor dem Schiedsgericht in der Schwebe.

»Deutschland braucht dich!« prangt auf einem Rollup-Banner beim Bundeskongress der »Jungen Alternative« am 17./18. Februar 2019 in Magdeburg. Im Hintergrund das »Eiserne Kreuz« der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Daneben ein Zitat des ersten Reichskanzlers Otto von Bismarck – »Wo das Müssen beginnt, hört das Fürchten auf« – und dessen Konterfei mit Pickelhaube und ein Banner mit der Aufschrift »Generation Nation«. Damit ist auch schon der Rahmen abgesteckt, in dem der Nachwuchs der »Alternative für Deutschland« (AfD) sich bewegen will: Rückwärtsgewandte Symbolik und Traditionen aus dem Kaiserreich sind ok, ein bisschen Anlehnung an die »Génération Identitaire« auch. Und jede allzu völkisch, nationalistisch und menschenrechtsfeindlich klingende Programmatik will man hier einmal mit Weichspüler waschen, in der Hoffnung, auf diese Weise der Beobachtung durch den Verfassungsschutz die Grundlage zu entziehen. Man zeigt demonstrative Einigkeit und dementsprechend lau sind die sonst bei JA-Bundeskongressen durchaus hitzig geführten Debatten. Mit 81 Prozent der Stimmen und ohne GegenkandidatInnen wird der bisherige Bundesvorsitzende Damian Lohr, der für die AfD im Landtag von Rheinland-Pfalz sitzt, wiedergewählt. Die anwesende Parteiprominenz stärkt dem Parteinachwuchs demonstrativ den Rücken: »Ich sehe hier keine Verdachtsfälle, ich sehe hier junge Menschen, die engagiert sind«, so Martin Reichert, Parteichef der AfD Sachsen-Anhalt zu den Anwesenden. Er wünscht sich eine Parteijugend, die auch künftig »rebellischer« und »provokanter« auftritt als die Mutterpartei. Von einer etwaigen Auflösung oder Ablösung von der AfD ist hier heute keine Rede.

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Patrick Pana (rechts) beim Landesparteitag der AfD 2018 in Gießen neben Sascha Sindl © Mark Mühlhaus / attenzione

Hessen
Auch in Hessen bestanden in den vergangenen Jahren zahlreiche Verbindungen zwischen JA und IB. Zwar mussten nach Medienberichten über zu enge Beziehungen zur IB jüngst mit Tristan Lessing, Mitglied der DB-Burschenschaft »Germania Kassel«, und Carsten Dietrich zwei Kreisverbandsfunktionäre aus Nordhessen die JA verlassen. Seit Ende Januar steht mit Jens Mierdel jedoch der ehemalige kommissarische Bezirksleiter der IB Hessen an der Spitze des Landesverbandes. An seiner Seite: der einstige Schriftführer der hessischen »Die Republikaner«, Michael Werl, der zwei Jahre bei der »Germania Kassel« wohnte. Vom Beisitzer zum stellvertretenden Landesvorsitzenden ist Patrick Pana aufgestiegen. Er demonstrierte noch im März 2018 im IB-Block in Kandel und besuchte im November eine Veranstaltung mit Alain de Benoist im Haus der »Marburger Burschenschaft Germania«. Trotz des Rückzugs des rund ein dutzend Mal im VS-Gutachten erwähnten einstigen Landesvorsitzenden und jetzigen Bundestagsabgeordneten Jan Nolte (MdB), kann von einem moderateren Kurs in Hessen also keine Rede sein – im Gegenteil.

Alternative zur »Jungen Alternative«
Wie es in Niedersachsen mit der »Jungen Alternative« nach ihrer Auflösung weitergeht, ist weiterhin unklar. Die eigentlich als »Koordinatoren« zur Neugründung eingesetzten Frank Rinck und Christopher Jahn jedenfalls haben mittlerweile der JA den Rücken gekehrt. Damit sind sie nicht alleine, insgesamt sind etwa 400 Mitglieder in den letzten Monaten ausgetreten. In Baden-Württemberg gaben im November 2018 der Landesvorsitzende Moritz Brodbeck und weitere Vorstandsmitglieder bekannt, dass sie aus der Beobachtung durch den dortigen Verfassungsschutz die Konsequenz ziehen und ihre Ämter niederlegen sowie aus der »Jungen Alternative« austreten werden. Die Beobachtung sei ein Resultat davon, dass »nennenswerte Teile der baden-württembergischen JA-Mitglieder« sich nicht zwischen der IB und der JA hätten entscheiden können und so die Überschneidung beider Organisationen geschaffen hätten. Brodbeck sagte gegenüber dpa, es gebe Überlegungen, eine neue – der AfD nahestehende – Jugendorganisation ins Leben zu rufen. Er selbst wird im Gutachten vom VS in der Aufzählung von »hochrangige(n) JA-Funktionäre(n)«, die »zumindest zeitweise für die ‹Identitäre Bewegung› aktiv« waren, aufgeführt. Auch Rinck und Jahn kündigten an, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch bundesweit eine »liberalere« Alternative zur jetzigen »Jungen Alternative« aufzubauen. Solange die AfD allerdings weiterhin an der »Jungen Alternative« als offizielle Parteijugend festhält, wie dies beim Bundeskongress in Magdeburg zum Ausdruck kam, werden diese Pläne wohl keinen Erfolg haben. Und nachdem inzwischen nicht nur die JA auch auf Bundesebene als »Verdachtsfall« mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet wird, sondern auch »Der Flügel« innerhalb der AfD und die gesamte Partei zum »Prüffall« erklärt wurde, dürfte kaum jemand mehr hoffen, dass mit einer Auflösung der JA die Beobachtung der AfD abgewendet werden könnte.

Schadensbegrenzung
Und so diskutierten beim Bundeskongress in Magdeburg die verbliebenen Jungalternativen vor allem darüber, wie pragmatisch mit der Beobachtung umgegangen werden kann und wie künftig weitere Skandale über extrem rechte Äußerungen und Verbindungen verhindert werden können. Das erst im Sommer verabschiedete Grundsatzprogramm soll so umformuliert werden, dass möglichst alle Passagen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Gutachten als Belege für eine »extremistische Bestrebung« nennt, entschärft werden. Das betrifft den »ethnisch-homogenen Volksbegriff«, eine über »reine Islamkritik deutlich hinausgehende Muslimfeindlichkeit« und die »absolute Verächtlichmachung des Parlamentarismus«. Dass es hier nur um Maskerade geht, macht die Begründung eines Antrages deutlich, in der es laut »Die Welt« heißt: »Natürlich ist die Argumentation des Verfassungsschutzes kritisch zu hinterfragen, weil sie jeden Volksbegriff delegitimiert«, dies solle aber nicht über die eigene Programmatik diskutiert werden, sondern »in erster Linie auf metapolitischer Ebene«.

Strukturell wurden auf dem Bundeskongress die Befugnisse und die Möglichkeiten der Kontrolle von Untergliederungen gestärkt. Um schneller Mitglieder ausschließen zu können, wurde das Schiedsgericht abgeschafft. Bundesvorstand und Landesvorstände können künftig Ausschlüsse beantragen, die dann mit einfacher Mehrheit vom Bundeskonvent bestätigt werden müssen. Dem Bundeskonvent gehören sieben Bundesvorstandsmitglieder und 16 Vertreter aus den Landesverbänden an. Negative Schlagzeilen will man insbesondere auch dadurch vermeiden, dass es eine Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder geben soll und die Debatte über mögliche »Extremisten« in der Organisation nur noch intern geführt werde – passend dazu musste zur Diskussion um den Verfassungsschutz die Presse den Saal verlassen. »Teilnahmen an vereinsfremden politischen Aktivitäten« sollen Untergliederungen in Zukunft nur nach vorheriger Anmeldung bei der jeweils nächsthöheren Gliederung erlaubt sein.

Ob sich die Basis an all diese Vorgaben halten wird, ist äußerst fraglich. Und auch im neugewählten Bundesvorstand sitzen Personen wie zum Beispiel Tim Ballschuh, der laut VS-Gutachten »frühere Kontakte zur NPD« eingeräumt habe und »zudem Mitglied in den als rechtsextremistisch eingeordneten Burschenschaften ‹Frankonia Erlangen› und ‹Halle-Leobener Burschenschaft›« war.