Kampfsport- Netzwerk
von Robert Claus
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019
#International
Die Entwicklung des Kampfsportes in der extremen Rechten ist eng mit der Geschichte des Hooliganismus verknüpft. Beide haben sich internationalisiert. Deutlich wird dies an europaweiten Reisen, Events, Medien und Geschäften der Szene.
Das Wetter ist grau, ein leichter Wind weht über den Platz. Es ist Oktober 2013 in Moskau. Die extrem rechten Hooligans »Warriors« von CSKA Moskau haben zum Fußballturnier geladen. Auch rechte Ultras und Hooligans aus Köln reisen an: Die Fahne der »Hooligans Köln« hängt am Zaun neben denen der extrem rechten Hooligangruppe »N-Troops« und der neofaschistischen »Einfach-Jugend«. Während die Teams auf dem Platz gegeneinander kicken, wimmelt es drumherum nur so von Runen, Totenköpfen und Keltenkreuzen. Auch gibt es Wein mit Hitlers Konterfei auf dem Etikett.
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Es sind gewachsene Netzwerke, mehrfach traten russische Hools mit Kölnern zu Kämpfen in Deutschland an. Zentral für die Verbindung ist der deutsch-russische Hooligan und Neonazi Denis Kapustin – der in Deutschland jahrelang als Denis Nikitin firmierte. Seine Familie zog 2001 aus Russland nach Köln-Chorweiler. Kapustin ging später nach Russland zurück, hielt jedoch Kontakt und bekannte sich Anfang 2017 in einem Interview mit der ukrainischen Hooligan-Website »www.troublemakers.com« freimütig weiterhin der Kölner Hooliganszene zugehörig. »Mit den Jungs aus Köln und Dortmund ist eine echte Männerfreundschaft entstanden. Uns verbinden die nationalistischen Ideen«, beschrieb er damals seine Verbindung nach Deutschland, die er konstant pflegt.
Hierfür sind Fußballturniere wichtige Treffpunkte und haben eine lange Tradition in der Hooliganszene: Im Winter 2018 fuhren Dortmunder Hools zu einem Hallenturnier der »Psycho Fans« ins polnische Chorzow. Im September 2018 wiederum nahmen Leipziger Hooligans aus dem »Imperium Fight Team« rund um den MMA-Kämpfer Benjamin Brinsa an einem Fußballturnier in Lodz teil. Nach dem Turnier in Moskau wiederum wurde noch ein »Ackermatch« durchgeführt – nicht überall ist das üblich. Acht Kölner traten gegen den sogenannten Kindergarten aus Moskau zu einer Gruppenprügelei an und verloren fulminant. Der Anführer der Kölner ging schnell K.O., ein anderer erlitt Brüche im Gesicht. Freizeitspaß für rechte Hooligans.
Der »Kampf der Nibelungen« und die »Gruppa Of«
Auf Seiten der Kölner kämpfte auch Kapustin, der als Schlüsselfigur des extrem rechten Hooliganismus in Europa bezeichnet werden kann. Denn er bietet auch außerhalb Russlands Kurse zu Selbstverteidigung und Messerkampf an. Laut des Blogs »Ukrainianpolicy.com« wurde er 2014 als Redner zu einem Treffen der »London New Right«-Bewegung eingeladen. Schon zuvor hatte er Fitnesskurse auf einem Trainingscamp britischer Neonazis in Wales geleitet, später Seminare zu »Selbstverteidigung« in der Schweiz gegeben.
Zudem verfügt er durch seine 2008 gegründete Neonazi-Kampfsportmarke »White Rex« (dt. »Weißer König«) über Kontakte in die Fanszenen von Legia Warschau sowie Sparta Prag. 2011 begann er, Kampfsportturniere zu veranstalten: Die ersten MMA-Qualifikationsturniere namens »Kriegergeist« fanden in der russischen Provinz statt, anfangs noch in kleinen Räumen mit zehn Kämpfern und zwanzig Zuschauern. Dort konnten sich die Kämpfer für die finalen Turniere in Sankt Petersburg und Moskau vor einer vierstelligen Zahl ZuschauerInnen qualifizieren, die teils international besetzt waren: Aus Deutschland trat der Dortmunder Hooligan Timo K. – Kämpfername »Fritz« – zweifach an. Kapustins Kampfsportreihe wuchs über die Jahre rasant an. Er setzt mit seinem nationalsozialistischen Business, modernen Wehrsportübungen und Veranstaltungsmanagement große Summen an Geld um. Die Vermischung von politischem Hass und rassistischer Gewalt mit der Eventkultur ist zum internationalen Geschäftsmodell geworden. Seinen Onlinehandel in der Schweiz führt mittlerweile ein Kader der »Partei National orientierter Schweizer« (PNOS).
Nach seinen Erfolgen in Russland baute Kapustin europaweit Kampfsportevents für die extrem rechte Szene auf, beispielsweise in Italien oder Ungarn. Zu diesem internationalen Netzwerk gehört auch der deutsche »Kampf der Nibelungen« (KdN). Dieser wurde 2013 erstmals als »Ring der Nibelungen« von Pfälzer und Dortmunder Neonazis ausgerichtet, seinerzeit noch geheim organisiert, vor weniger als 200 ZuschauerInnen. 2017 kamen erstmals über 500 Gäste und der KdN ließ sich offiziell als Marke registrieren. 2018 stand »White Rex« größer auf den Plakaten als der Name des Turniers. KämpferInnen und ZuschauerInnen reisten bundesweit an – von Dortmund bis Cottbus – sowie international, unter anderem aus Skandinavien, den USA, Polen, Tschechien und der Ukraine. Der KdN ist Teil einer internationalen extrem rechten Kampfsport- und Eventreihe geworden, zu dem auch das »Pro Patria« in Griechenland zählt.
An dessen Verbindungen in den Hooliganismus besteht kein Zweifel. 2018 trat erstmals auch die Facebookseite »Gruppa Of« als Sponsor des KdN auf. Sie wurde im März 2017 erstellt und wuchs schnell: Über 22.000 Accounts haben sie mittlerweile abonniert. Durch ihre täglich geposteten Ergebnisse von Hooliganmatches, Fotos von Hooligangruppen und Videos von Straßen- oder Stadionrandalen ist sie derzeit die führende deutschsprachige Informationsseite der Szene in Deutschland und den Nachbarländern. Und steht damit in einer Tradition, die wie die gesamte Entwicklung ihre Ursprünge in den osteuropäischen Szenen hat: »HooligansTV« beispielsweise informiert über die dortigen Gruppen, am Rande der Homepage warb die Cottbusser Marke »Label 23« lange Zeit für ihre Ausstattung.
Zwischen Kampfsportmarken und Drogenhandel
Doch während sich »Label 23« öffentlich halbherzig gegen das Image als extrem rechts wehrt, macht das Netzwerk um »White Rex« aus seiner rassistischen Gesinnung keinen Hehl: Gemeinsam mit einer Reihe an europaweiten, extrem rechten Marken vertreibt es sein Merchandise zum Beispiel über den Internetversand »2yt4u«. Das Kürzel steht für die Lautsprache des englischen Slogans »Too White For You« (dt. »Zu weiß für dich«). Dort verkaufen »White Rex«, »Pride France« (gegründet 2013), »Sva Stone« aus der Ukraine (2010) und »Rodobran« aus Bulgarien (2018) alles von Alltagskleidung bis zu Kampfsportausstattung. Symbolisch bewegt man sich zwischen eher unverfänglichen Tiermotiven und kriegerischen Bildern, deutlicher NS-Symbolik und vermeintlich germanischen oder slawischen Runen. Mit den Labels »Greifvogel« (2014) und »Black Legion« (2016) gehören auch zwei deutsche Labels dem Netzwerk an. Wobei Greifvogel eigentlich zum deutlich älteren Musiklabel »OPOS Records« zählt. Dessen Besitzer Sebastian Raack kommt aus der Dresdner Hooliganszene. »OPOS« steht für »One People One Struggle« (»Ein Volk, ein Kampf«) und ist auch dank seines Versandhandels eines der drei größten deutschen RechtsRock-Labels. Bei den geschäftlichen Beziehungen scheinen frühere, rassistisch motivierte Konflikte zwischen deutschen, ukrainischen und russischen Neonazis keine Rolle mehr zu spielen.
Darüber hinaus entstand 2017 die dem KdN zugehörige Trainingsgruppe »Wardon«, die in eigenen T-Shirts und mit gekreuzten Armen auf Fotos posiert – das Szenezeichen für Straight Edge. Vor allem Drogen werden als moderne Verwahrlosung und Entfremdung von natürlichen Ursprüngen verurteilt und gemieden. Als der KdN im April 2018 erstmals nicht klandestin, sondern als Teil des extrem rechten Festivals »Schild und Schwert« im sächsischen Ostritz stattfand, diskutierten die Organisatoren vorab intern kritisch darüber, ob man vor einem zum Teil hoch alkoholisierten Publikum auftreten wolle.
Letztlich setzte sich die Aussicht auf den finanziellen Erfolg jedoch durch – worin ein Grundwiderspruch der Szene besteht. Denn Kapustin zog im Vorfeld der Fußball-WM 2018 nach Kiew, wirkte dort an den Kampfsportturnieren »Reconquista Club« mit. Im Oktober 2018 – kurz nach dem KdN in Ostritz – nahmen ihn die ukrainischen Behörden fest und ermittelten wegen des Verdachts, er habe Amphetamine hergestellt. Da Kapustin auch Kontakte in die Rockerszene – unter anderem zu den deutschen »Hells Angels« – pflegt, ergibt sich möglicherweise ein Bild. Derlei Drogengeschäfte stehen selbstredend in krassem Widerspruch zum von der Szene propagierten Ideal des asketischen, nationalsozialistischen Straight-Edge-Kämpfers und dem dazugehörigen Slogan »Gesunder Körper – Gesunder Geist«.
“Imperium Fighting Championship” und Hells Angels
Auch der Chef des eingangs erwähnten Leipziger »Imperium Fight Teams«, Benjamin Brinsa, postete Ende März ein Bild auf Facebook, das ihn mit der Ex-Hells-Angels-Größe Frank Hanebuth Arm in Arm zeigt. Kaum überraschend, waren die Leipziger »Hells Angels« doch gern gesehene Gäste auf den Events der »Imperium Fighting Championship«. Zudem funktionieren die erwähnten Kontakte in die polnische Hooliganszene nach anderen Regeln: Die dortige Landkarte ist weniger durch klassische Fan-Freund- und Feindschaften bestimmt, vielmehr geben regionale und landesweite mafiöse Konflikte um Drogenhandel den Ton an. Fahren in die deutsche Rockerszene vernetzte Hooligans dort wirklich nur hin, um auf einem provinziellen Bolzplatz zu kicken?
Letzten Endes mischen sich in der Szene sportliche und kulturelle Aktivitäten – Fußballturniere, Ackermatches und RechtsRock – mit einträglichen Geschäften. Der internationale Versandhandel sowie die möglichen Drogengeschäfte sind dabei zwei zentrale Standbeine. Zwar mögen propagierte Ideale und geschäftliche Tätigkeiten zuweilen im Widerspruch zueinander stehen. Doch klar wird, dass extrem rechte Hooligans keine schlecht organisierten Straßenschläger mehr sind, sondern ein männerbündisches, internationales und professionalisiertes Kampfsport- und Geschäftsnetzwerk begründet haben.