Warntracht
von James Tubman und Harriet Baldwin
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 178 - Mai / Juni 2019
#Angstmacher
Ein T-Shirt macht noch keinen Straßenkämpfer
Manche Zusammenhänge lassen sich besser durch Analogien erklären – die merkwürdige Begeisterung von Neonazis für Oberbekleidung mit brachialen Symbolen oder Aussagen gehört dazu.
In der Natur tragen Wespen und Hornissen auffällige Farben zur Warnung, womit Feinden Ungenießbarkeit und Wehrhaftigkeit signalisiert werden, das Gegenteil von Tarnung. Die Warntracht bei subkulturellen Neonazis ist das Zurschaustellen oder Vorgeben der eigenen Gewaltbereitschaft. Indem sich der Träger als Gefahr für das Gegenüber ausweist, verschafft er sich mehr Präsenz.
Kleidung als Zeichen der Gesinnung
In den späten 1980er Jahren begann in der Naziskinhead-Szene der Trend, T-Shirts mit Bandmotiven zu tragen. Meist waren es Nachdrucke der entsprechenden LP-Covers oder von Konzertplakaten. Zur Inszenierung des Nazi-Rocks gehört neben brutalen und simplen Texten auch eine entsprechende Bildsprache: Wehrmachtspanzer, Kampfflugzeuge und Waffen. Neben historischen Motiven finden sich gewalttätige Darstellungen von Molotow-Cocktails, Schlagringen, Stahlkappenstiefeln und Baseballschlägern, die der eigenen oder vermeintlichen Realität entsprechen. Weniger häufig sind Personen abgebildet, und wenn, dann sind es Soldaten, Klansmänner oder Skinheads.
In den 1990er Jahren wurden T-Shirts mit Logos und Symbolen insgesamt populärer. Ästhetisch näherten sich die Neonazis den Hooligans an. Neben den üblichen »Landser«-, »Störkraft«- und Rudolf-Heß-T-Shirts wurde der Kampfhund, ursprünglich Zeichen der englischen Fußballszene, zur Ikone.
Neonaziversände gründeten eigene Marken wie »Dobermann Deutschland« oder »Staffbull Department«. Doch dem multikulturellen Markenführer »Pit Bull« aus Frankfurt oder »Amstaff« aus Berlin konnten die rechten Marken nie ernsthaft Konkurrenz machen. Kampfhunde sind eben nicht wie die Waffen der Wehrmacht explizit von rechts besetzt.
Die englische Skinheadszene demonstriert seit jeher ihre Nähe zum Boxen, das als klassischer Working-Class-Sport perfekt zur »männlichen« Identität passt. »Lonsdale«, ehemaliger Sponsor von Muhammad Ali, ist die bekannteste Skinheadmarke. Bei Naziskins wurde »Lonsdale« auch deshalb so beliebt, weil bei geöffneter Bomberjacke die Buchstabenfolge »NSDA« (vor allem in Deutschland) als Anspielung auf die »NSDAP« umgedeutet werden konnte. Die Marke kann als frühes Beispiel dafür gesehen werden, wie Neonazis subkulturelle Codes als Erkennungszeichen der Gesinnung nutzen.
»Lonsdale« und auch »Pit Bull« distanzieren sich von rassistischen KäuferInnen und beliefern auch entsprechende HändlerInnen nicht mit Ware.
Neue Marken mit Kampfsportbezug
Mit dem Siegeszug der Mixed Martial Arts (MMA) in Deutschland etablierten sich auch neue, eigene Kampfsportmarken. MMA gilt als hart, kompromisslos und brutal. Durch ein Übertragungsverbot im Fernsehen haftete diesem Sport zumindest anfänglich das Image des Illegalen und Grenzüberschreitenden an.
Entsprechend aufgeladen war das Tragen der MMA-Kleidungsmarken »Tapout«, »Full-Contact Fighter« und »Hitman«. Diese Marken waren in Europa bis etwa 2010 nur schwer erhältlich. Die deutsche Neonaziszene begeisterte sich von Anfang an für den Free Fight, das heißt die MMA. Entsprechend schnell tauchten bald T-Shirts mit Kampfsportbezug in der Szene auf. Im Unterschied zum Organisieren von Sportveranstaltungen ist das Bekleidungsgeschäft deutlich lukrativer und finanziell risikoärmer – auch deutsche Neonazis witterten hier ein Geschäftsmodell. Es gab mehrere Versuche von bekannten Neonazis, eigene Free-Fight-, MMA- oder Kampfsport-Bekleidungsmarken zu etablieren. Eine der ersten kam 2007 aus Gera: Der langjährige Kader der NPD und »Kameradschaft Gera«, Jörg Krautheim, versuchte sich recht erfolglos mit »Attack Sports«. Bei einigen Sportmarken ist der Werdegang diffus, »Walhall Athletik« beispielsweise behauptet von sich: »Der tägliche Kampf mit sich selbst und einer verdorbenen Welt spendet die nötige Innovation für unsere Produkte (…). Disziplin und eiserner Wille sind für uns ein Lebensgefühl geworden, um auch die schwierigsten Zeiten zu meistern.« Eindeutiger ist die erfolgreichste Kampfsportmarke aus der Nazi-Szene »Label 23-Boxing Connection«, in Cottbus gegründet. Der ehemalige Inhaber der Marke ist ein bekannter Neonazi, Hooligan und Kickboxer aus Cottbus. »Label 23« bewegt sich mit seiner sportlichen Streetwear-Bekleidung und Gewalt-Ästhetik am Schnittpunkt zwischen Kraft-, Kampfsportszene und rechtem Hooligan-Milieu. Ähnlich wie »Thor Steinar« ist das Design zwar kompatibel mit einer rechten Lebenswelt, aber eben nicht eindeutig genug, um im Alltag anzuecken. Dadurch konnte sich die Marke über die rechte Szene hinaus verbreiten. Andere Marken wie »Greifvogel Wear«, »Black Legion«, »Svastone« oder »Pride France« sind bisher weniger erfolgreich. Eine Sonderstellung nimmt »White Rex« aus Russland ein: In Deutschland noch nicht etabliert, aber in Russland bereits enorm populär. Die antifaschistische Kampagne »Runter von der Matte« hat weitere extrem rechte Kampfsportmarken auf ihrer Homepage aufgelistet und beschrieben.
Ein Jahres-Abo des Magazins von und für Antifaschist*innen kostet
25 € für 6 Ausgaben.
Messer mit Blutspritzern
Interessant ist, dass diese Labels grafisch die Darstellungen der Neonaziszene mit denen des Sports mischen. Es finden sich hier Motive, die Waffen zeigen, Runen, Wikinger, Soldaten, schwarze Sonnen und Ähnliches, die bewusst mit den Motiven des Sportes kombiniert werden. Kein professioneller Athlet würde ein mit Messern und Blutspritzern bedrucktes T-Shirt tragen. In internationalen Nazikreisen hingegen ist es ein beliebtes Motiv, das mehrere eindeutige Marken anbieten.
Doch auch hier gilt das Gleiche wie für die Warnfarben der Wespen: Nicht alle gelb-schwarz-gestreiften Insekten tragen einen Stachel. Auch manch harmlose Fliegenart versucht so, sich hinter ihren aggressiven Kollegen zu verstecken. Ebenso funktionieren die Marken nur, weil es etablierte rechte Kampfsportler gibt und weil es faschistische Straßengewalt gibt. Wer »White Rex«, »Greifvogel Wear« oder »Pride France« trägt, zeigt eben nicht seine Begeisterung für den sportlichen Wettkampf, sondern trägt seine rassistische Identität und Gewaltaffinität zur Schau.