VOX ganz groß

von Miquel Ramos
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Spanien

Die kommenden Europawahlen werden in Spanien zeitgleich mit mehreren Regional- und Kommunalwahlen stattfinden. Bei den Kommunalwahlen 2014 waren zahlreiche linke KandidatInnen erfolgreich und regierten seit dem große Städte wie Barcelona, Madrid, València oder Cádiz. Bei den Europawahlen 2014 erreichte die von ehemaligen Mitgliedern der konservativen »Partido Popular« (»Volkspartei«, PP) im Dezember 2013 gegründete rechte VOX nahezu 250.000 Stimmen (1,56 %).

Das Referendum
Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens, das von der vorherigen katalanischen Regierung gefördert worden war, war seit Mitte 2017 eines der beherrschenden Themen. Am 1. Oktober 2017 setzte die Regierung von Mariano Rajoy (PP) tausende von PolizistInnen in Katalonien ein, um das Referendum zu unterdrücken und die mehr als zwei Millionen WählerInnen einzuschüchtern. Das Resultat waren mehr als tausend Verletzte und Bilder extremer, durch die Polizei verursachter Gewalt. Die von spanischen NationalistInnen – den Rechten wie auch Teilen der nationalistischen Linken – gegen das Recht konstruierte Geschichte war ein Impuls für extrem rechte Organisationen. Sie erkannten die Gelegenheit, im Kampf um die Einheit von Spanien wieder sichtbar zu werden. Auch der spanische König Felipe VI. hielt Tage nach dem Referendum eine Rede, um die Polizei zu unterstützen und die SeparatistInnen zu warnen.

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Die VOX-KandidatInnen für die EU-Wahl 2019 © Jordi Borràs

Aufgrund des offiziellen Diskurses gegen Katalonien fühlten sich Militante der extremen Rechten gestärkt und steigerten ihre Übergriffe auf Personen und Zusammenhänge, die sie im Kontext mit der Unabhängigkeitsbewegung wähnten. Die große Mehrheit der Angriffe fand zudem keine Erwähnung in spanischen Medien; die Polizei hat die TäterInnen nicht aufgehalten. Ein schwerer Übergriff ereignete sich am 2. Oktober 2017, als dutzende Rechtsradikale versuchten, in die Radiostudios von Barcelona einzudringen. Der Fotojournalist Jordi Borràs hatte im Zeitraum von September bis Dezember 2017 mehr als 130 faschistische Angriffe in Katalonien gezählt. Am 16. Juli 2018 wurde er selbst zum Opfer. Ein Zivilpolizist griff ihn unter dem Ruf »Viva Franco!« an. Der Täter ist nicht der einzige spanische Polizist, der in Katalonien mit Gewalttaten gegen AktivistInnen der Unabhängigkeitsbewegung in Verbindung steht.

VOX
Im Juni 2018 befürwortete die »Partido Socialista Obrero Españo« (»Spanische Sozialistische Arbeiterpartei«, PSOE) einen – erfolgreichen – Misstrauensantrag gegen Mariano Rajoy. Dank der Unterstützung der linken Parteien und der »Independentistas« (»BefürworterInnen der Unabhängigkeit«) wurde Pedro Sánchez Regierungspräsident (PSOE). Seitdem fördert die PP eine ultranationalistische Kampagne, in der die Regierung von Pedro Sanchez beschuldigt wird, mit den »Independentistas« übereinzustimmen. Auch VOX macht sich diese Sichtweise zu Eigen.
Bei der Europawahl 2014 war VOX zum ersten Mal wählbar. Auch wenn sie den Einzug ins EU-Parlament verpasste, über Alejo Vidal-Quadras war VOX zum Ende der Legislaturperiode für knapp vier Monate im Parlament vertreten. Der ehemalige Abgeordnete der PP wird auch mit einer Spende vom »Nationalen Widerstandsrat des Iran« (NWRI) in Höhe von 500.000 Euro in Verbindung gebracht. Nach dem verpassten Einzug stellte Vidal-Quadras sein parteipolitisches Engagement ein.
Am 2. Dezember 2018 erzielte die Partei bei den Regionalwahlen in Andalusien mit elf Prozent einen Überraschungserfolg. Mit zwölf Abgeordneten zieht sie ins Regionalparlament ein und unterstützt die Minderheitenregierung der »Volkspartei« und der rechtsliberalen »Ciudadanos« (»Bürger«, Cs). Die sozialdemokratische PSOE, die Andalusien nahezu vier Jahrzehnte regiert hat, findet sich in der Opposition wieder.

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Erstmals wieder extreme Rechte im Parlament
Seitdem hat VOX enorme Bekanntheit erlangt, die von Steve Bannon empfohlene Partei steht im medialen Mittelpunkt. Seit dem Tod Francos 1975 hatte keine extrem rechte Partei bei Wahlen so gute Ergebnisse erzielt. Die konservative PP konnte bislang nahezu dem gesamten rechten Spektrum eine Heimat bieten. Allerdings haben unter anderem zahlreichen Fälle von Korruption der Partei geschadet und zur Entstehung der »Ciudadanos« und auch von VOX beigetragen, die nun durch mit der PP unzufriedene Stimmen genährt wurden.

Die Politik von VOX legt den Schwerpunkt auf die Verteidigung der Einheit Spaniens, den Kampf gegen die Unabhängigkeitsbewegungen, für einen zentralisierten Staat ohne Autonomie für die Provinzen, gegen Einwanderung, den Islam und gegen die »Genderdiktatur«. Obwohl dieser Diskurs in Spanien nicht neu ist, hatten die extrem rechten Gruppen, die ihn beförderten, nicht die Ressourcen und Fähigkeiten, die VOX derzeit besitzt. Formationen wie »Spain2000«, »National Democracy« oder »La Falange« konnten rechte WählerInnen nicht erreichen und sind seit Jahren bedeutungslos.
VOX nutzt soziale Netzwerke als Hauptschlachtfeld. Durch Fake News und provokante Äußerungen sichert sie sich eine überproportionale Präsenz in den Medien und zwingt andere Parteien in den von ihr gesteckten inhaltlichen Rahmen. Mehrere Umfragen deuten bereits bei den nächsten Wahlen auf einen großen Erfolg dieser Partei hin. Es wäre das erste Mal in 40 Jahren Demokratie, dass eine extrem rechte Partei in Spanien landesweit parlamentarisch vertreten ist.