Ein Streifzug durch die Medien der christlichen Rechten

von Ulli Jentsch und Eike Sanders

Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#NeueRechte

Sie haben unverfängliche Namen wie »ideaSpektrum«, »LebensForum« oder »Die Tagespost«. Doch was wie Lifestylemagazin und Lokalpresse klingt, sind christlich-fundamentalistische Blätter, die Antifeminismus und Rechtskonservatismus propagieren.

 

der rechte rand Magazin

Wochenzeitschrift »ideaSpektrum« auf der Buchmesse Leipzig 2018 © Mark Mühlhaus / attenzione

Die fundamentalistischen Kreise, die es in evangelikalen, freikirchlichen und katholischen Gemeinden gibt, vertreten unter Berufung auf eine wörtliche Auslegung der Bibel (»Bibeltreue«) unterschiedliche autoritäre und antidemokratische Positionen, die teilweise deckungsgleich sind mit Forderungen der extremen Rechten. So wird beispielsweise das dramatische Bild eines bedrängten Christentums gezeichnet, das sich gegen einen äußeren Feind, »den Islam«, und einen inneren Feind, die säkularisierte Gesellschaft, wehren muss, um den weiteren Verlust oder Untergang »christlich-abendländischer Werte« zu verhindern. Vor allem der von der extremen Rechten in den vergangenen Jahren in Stellung gebrachte Antifeminismus bietet vielfache Anknüpfungspunkte, denn die fundamentalistischen AktivistInnen fordern als »natürlich« und »gottgegeben« apostrophierte, angenommene Selbstverständlichkeiten wie die patriarchale, zweigeschlechtliche Ordnung, die daraus abgeleitete heterosexuelle Ehe mit all ihren Geschlechterklischees und Rollenaufteilungen und inszenieren sich selbst als bedrohte, angegriffene Minderheit (s. drr Nr. 170).

Evangelikale Medienmonopole
Eines der einflussreichsten Medien ist die 1970 gegründete evangelische Nachrichtenagentur »idea«, de facto das Medienhaus der evangelikalen »Deutschen Evangelischen Allianz« (DEA) mit ihren rund 1,3 Millionen Mitgliedern. Kern der Medienarbeit sind das Nachrichtenportal »idea.de« sowie die seit 1979 erscheinende Wochenzeitschrift »ideaSpektrum«. Journalistischer Leiter und presserechtlich Verantwortlicher war von 1978 bis Ende 2017 Helmut Matthies, Träger des »Gerhard-Löwenthal-Preises« der »Jungen Freiheit«; sein Nachfolger ist Pfarrer Matthias Pankau. Neben Online und Print wird auch das werktägliche TV-Format »ideaFernsehen« produziert. »ideaSpektrum« hat nach Eigenangaben wöchentlich über 90.000 LeserInnen. Die Auflage betrug inklusive E-Paper im dritten Quartal 2017 laut Statistik der »Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern« aber nur knapp 28.000 Exemplare.
Neben Aspekten der evangelikalen Gemeindearbeit widmet sich »idea« der religiösen Deutung tagesaktueller Ereignisse, von der Christenverfolgung bis hin zur Frage, ob gleichgeschlechtliche Paare in den evangelischen Gemeinden gesegnet werden dürfen. Die »Alternative für Deutschland« (AfD) wird ausdrücklich ebenso behandelt wie alle anderen Parteien auch; über die Arbeit der »Christen in der AfD« (ChrAfD) berichtet »idea« regelmäßig. Dabei öffnet die Agentur vor allem solchen Positionen den Raum, welche die Ablehnung der AfD durch die Amtskirchen kritisieren und eine Normalisierung im Umgang mit der AfD fordern. Der neue Chef Matthias Pankau: »Die AfD ist auf demokratischem Wege gewählt worden. In der Tagespolitik kann und muss sie sich nun beweisen – so wie alle anderen Parteien auch. (…) Wir hofieren die AfD nicht, aber wir verteufeln sie auch nicht.« Die tagesaktuellen Nachrichten werden von einer Vielzahl anderer konservativer bis christlich-fundamentalistischer Medien aufgegriffen, damit beschränkt sich ihre Resonanz im Wesentlichen auf den rechten bis extrem rechten evangelikalen und katholischen Bereich.

Die »Stiftung Christlicher Medien« (SCM) ist das Dach einer Firmengruppe mit verschiedenen Verlagen und Marken. Die SCM beschreibt sich als »evangelisch-freikirchlich« und steht nach Eigenangaben inhaltlich ebenfalls der evangelikalen DEA nahe. In ihrer Breite ist es jedoch schwierig, eine politische Ausrichtung ähnlich wie bei »idea­Spektrum« auszumachen. »Wichtig ist uns die Orientierung auf Jesus Christus – er ist die Mitte unseres Auftrags: Jesus nachfolgen – unser Kernanliegen«, heißt es auf einer der vielen Homepages. Die Zeitschriftensparte, der SCM-Bundes-Verlag mit Sitz in Witten, produziert derzeit 16 unterschiedliche Zeitschriften, die »helfen« möchten, »den Glauben zu leben – mitten im Alltag« und auf verschiedene Zielgruppen zugeschnitten sind. »KLÄX – Spielen. Glauben. Rätseln. Wissen« (Auflage: 13.000) beispielsweise adressiert »Kids im Grundschulalter«. »SevenEleven« bietet KindergottesdienstmitarbeiterInnen Material für die titelgebende Altersgruppe und das »Teensmag« trägt den Untertitel »Trends. Glaube. Action. Tiefgang« und erscheint in einer Auflage von 18.000 Exemplaren. Weitere Titel sind »die christliche Frauenzeitschrift« namens »Lydia« (»Persönlich. Echt. Lebensnah.«) mit einer Druckauflage von 65.000 Exemplaren, »JOYCE« (»Was Frauen inspiriert« – Auflage: 16.000) und »MOVO« (»Was Männer bewegt. Was Männer bewegen.« – Auflage: 13.000). Verschiedene Fachzeitschriften adressieren gezielt TheologInnen, SeelsorgerInnen oder VerantwortungsträgerInnen: In »Gemeinde.Praktisch« (»Technik. Service. Know-How«) geht es beispielsweise um die technische Verbesserung der Akustik in der Kirche.

»Romtreuer« Katholizismus
Während es im evangelikalen Bereich kaum andere Anbieter als SCM und »idea« gibt, ist das Angebot im katholischen Fundamentalismus unübersichtlicher. Das »Forum Deutscher Katholiken« beispielsweise ist eine der wichtigsten rechts-katholischen Vereinigungen, die sich als Opposition zum »Zentralrat Deutscher Katholiken« (ZdK) versteht: »Nach unserer Meinung weicht das ZdK in wesentlichen Fragen vom Glauben der Kirche ab.« In ihrem Monatsblatt »Der Fels« berichten AutorInnen wie Jürgen Liminski (ebenso Autor in der »Preußischen Allgemeinen Zeitung« und bei der rechts-katholischen »Kirche in Not«), Felizitas Küble (»Charismatismus-Blog«), Werner Münch (ehem. CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt) oder Hubert Gindert (Herausgeber und Sprecher des Forums) über aktuelle und grundsätzliche politische und religiöse Fragen. Auch bekannte ProtagonistInnen der »Lebensschutz«-Bewegung wie Alexandra Maria Linder von der »Aktion Lebensrecht für Alle« (ALfA) und dem »Bundesverband Lebensrecht« (BVL) oder der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer füllen hier die Seiten. Das Forum kritisiert das ZdK, aber auch die Bundesregierung unter anderem »für das Festhalten an ‹Donum Vitae›, das mit der Erteilung des Beratungsscheins ungeborene Kinder der ‹gesetzwidrigen, aber straffreien› Abtreibung ausliefert oder für die Zustimmung zur Genderideologie«.

Über gewissen Einfluss verfügt auch »Die Tagespost«, die einzige überregionale katholische Zeitung in Deutschland. Die traditionsreiche und »romtreue« Zeitung erscheint seit Beginn des Jahres 2018 nach wirtschaftlichen Problemen – sie verlor in den letzten zehn Jahren rund ein Drittel der AbonnentInnen – nur noch einmal wöchentlich und verkauft derzeit circa 10.000 Exemplare. Hinzu kommt die Online-Präsenz, mit inzwischen auch tagesaktuellen Meldungen. Artikel und Interviews der Tagespost werden auch in anderen Medien aus dem Bereich aufgegriffen. VertreterInnen der AfD wird selbstverständlich Platz eingeräumt, so beispielsweise dem kirchenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Volker Münz, um den scharf kritisierten Antrag seiner Fraktion zu Schwerbehinderten zu verteidigen. Obwohl »Die Tagespost« mit der Neuordnung wirtschaftlich unabhängiger geworden ist, greift ihr die Freisinger Bischofskonferenz nach wie vor finanziell unter die Arme. Die Zeitung hatte bei Auseinandersetzungen innerhalb der katholischen Kirche immer wieder die konservative und papsttreue Linie auch gegen die deutsche Amtskirche vertreten, so 1999 im Streit um die Frage, ob die katholische »Donum Vitae« in der Schwangerschaftskonfliktberatung bleibt.
Eine Monatszeitung für Religion und Politik gibt der Verein »Christliche Mitte« (CM) heraus. »Der Kurier« der einstigen christlich-fundamentalistischen Kleinstpartei strotzt vor antimuslimischen Ressentiments und homo- und transfeindlichen Inhalten. In wenigen Zeilen wird Propaganda in scheinbaren Nachrichten präsentiert: »Katholisches Bollwerk Köln«, »Wo der Islam wütet« und »Die ‹Homo-Ehe› – ein großer Betrug«. Oder: »Angela Merkel – ein deutsches Verhängnis«, worin Werner J. Mertensacker über die historischen Pläne zur Vernichtung des deutschen Volkes schwadroniert. Diesmal versuche man, die Vernichtung »durch einen kompletten Austausch« zu erreichen und es liege nahe zu vermuten, dass Merkel einen israelischen »Führungs-Offizier« habe, so Mertensacker. In dem Blatt schreibt ebenfalls der fanatische »Lebensschützer« Klaus Günter Annen, der unter Ausnutzung des Paragrafen 219a mit seiner »Initiative Nie wieder e. V.« reihenweise ÄrztInnen angezeigt hat, die Abtreibungen durchführen.

Neben den konfessionell geprägten christlichen Medien seien noch die Publikationen der »Lebensschutz«-Bewegung erwähnt, die jedoch in ihrer thematischen Beschränkung trotz beispielsweise fünfstelliger Mitgliederzahlen bei der »Aktion Lebensrecht für Alle« (ALfA) eine geringere Reichweite in ihrem politischen und ideologischen Einfluss haben dürften. So bieten die vierteljährlich erscheinende Zeitschriften »LebensForum« (Auflage: 6.500), an deren Redaktion auch die »Ärzte für das Leben« beteiligt sind, und das Blatt »Lebenszeichen«, das nur an ALfA-Mitglieder adressiert ist, ausschließlich Artikel und Meldungen zum weiten Feld »Lebensschutz«.

Insofern ist diese Auswahl exemplarisch für das Spektrum rechter christlicher Publikationen: Die christliche Rechte ist gerade in Deutschland konfessionell zersplittert und die innerchristlichen Auseinandersetzungen werden von antifaschistischen BeobachterInnen allzu oft desinteressiert als religiöse Fachfragen abgetan. Dabei werden hier gesellschaftlich relevante Richtungsfragen entschieden, gerade in Bezug auf Gender und Rassismus vs. »Nächstenliebe«, die über das Spektrum hinaus gesellschaftliche Strahlkraft haben.