»Aus der Heimat«

von Charles Paresse
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Vertriebene

Die Presse der »Vertriebenen« zwischen Heimattümelei, Konservatismus und extremer Rechter.

Magazin der rechte rand

© Archiv »der rechte rand«

»Neben der Jungen Freiheit ist die Preußische Allgemeine Zeitung die zweite rechte Wochenzeitung, die aufgrund ihrer traditionellen Anbindung an das Vertriebenenmilieu der Bundesrepublik (…) und damit ihres strukturellen Einflusses in einem großen Milieu zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus nicht nur seit Jahrzehnten stabile Auflagenzahlen im fünfstelligen Bereich verzeichnet, sondern auch ein breites Spektrum am rechten Rand anspricht«, schrieb der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn in seiner Studie »Angriff der Antidemokraten« (2017). Der Experte für die Politik der »Vertriebenen« weist zu recht auf die anhaltende – und öffentlich nicht wahrgenommenen Bedeutung – dieses Spektrums hin. Zwischen Heimattümelei, etabliertem Konservatismus und extremer Rechter existiert ein lebhaftes Publikationswesen – kaum überschaubar und aus dem Blick antifaschistischer Recherche geraten.

»Geistiges Rüstzeug«
Die »Preußische Allgemeine Zeitung – Das Ostpreußenblatt« (PAZ) ist das bekannteste und einflussreichste Blatt. Die Wochenzeitung hat ihren Sitz in Hamburg, repräsentativ und nur zwei Straßenecken von der Binnenalster entfernt. Sie ist das offizielle Organ der »Landsmannschaft Ostpreußen« (LMO) und sowohl im Abonnement als auch bundesweit in Zeitschriftenläden und Kiosken zu haben. Neben Ostpreußen-Nostalgie, Vertriebenen-Romantik und den seit Jahrzehnten bekannten Klagen über die Rote Armee, die Umsiedlungen und Vertreibungen von Deutschen verfolgt das Blatt eine politische, eine rechte Linie. Hier ein freundliches Porträt über eine Buchhändlerin, die gegen die vermeintliche Einschränkung der Meinungsfreiheit für Rechte zu Felde zieht, da scharfe Kritik an Zuwanderung und dort der verständnisvolle Artikel über die Erfolge der »Alternative für Deutschland«. Offen wird das »Staatspolitische Handbuch« des neu-rechten »Verlag Antaios« als »geistiges Rüstzeug« empfohlen, »um im intellektuellen Kampf mit dem politischen Gegner zu bestehen.« Unter den AutorInnen der PAZ finden sich einschlägige Namen der Rechten, zum Beispiel Eva Herman, Konrad Löw, Klaus Rainer Röhl oder Wilhelm von Gottberg.

»An der Seite der Vertriebenen«
Der »Bund der Vertriebenen« (BdV) als Dachorganisation gibt seit 60 Jahren den »Deutschen Ostdienst« (DOD) heraus, der heute nur im Abo zu bekommen ist. »Kanzlerin an der Seite der Vertriebenen« (3/2015), heißt es hier auf dem Cover, oder vor einem gemeinsamem Foto der Bundeskanzlerin mit BdV-Chef Bernd Fabritius (CSU): »Offenes Ohr für die Belange der Vertriebenen« (2/2017). Undenkbare Bilder, undenkbare Schlagzeilen für die PAZ oder beispielsweise den »Witiko-Brief«, die Zeitschrift des völkischen und nicht im BdV organisierten sudetendeutschen »Witiko-Bundes«. Im DOD gibt es dagegen Berichte über die Veranstaltungen des BdV, Interviews mit BundespolitikerInnen oder deren Reden, Kultur und Geschichte aus den ehemaligen deutschen Gebieten und Nachrichten aus den Gliederungen des Verbandes. Unter Fabritius, dem Nachfolger der inzwischen im Umfeld der AfD angekommenen Ex-CDU-Politikerin Erika Steinbach, bemüht sich der Verband um Seriosität, einen engen Draht zu Bundes- und Landesregierungen und Distanz vom rechten Rand. Ob das angesichts des Rechtsrucks und einer AfD, die in Gesellschaft und Institutionen drängt, so bleibt, ist offen – zumal die unter Mitgliedern verbreitete Sehnsucht nach dem »deutschen Osten« und deren Opfererzählung Tür und Tor für die extreme Rechte öffnet.

»Landsmannschaftliche Arbeit«
Neben der LMO mit ihrer PAZ geben auch die 19 weiteren im BdV zusammengeschlossenen Landsmannschaften sowie deren Untergliederungen eigene Publikationen heraus – eine schier unüberschaubare Flut an Veröffentlichungen seit sieben Jahrzehnten. So gibt es zum Beispiel die »Mitteilungen aus baltischem Leben«, die »Sudetendeutsche Zeitung«, das »Mitteilungsblatt des Bessarabiendeutschen Vereins«, die wöchentliche »Pommersche Zeitung«, die »Schlesischen Nachrichten« oder das Blatt »Der Westpreuße« – ein bunter Strauß von Nostalgie und deutscher Heimattümelei. Einige Medien erscheinen ausschließlich gedruckt in der Aufmachung kleiner Vereinsblätter, andere bemühen sich um Attraktivität und Webpräsenz. Höhere Verbreitung und professionelle Gestaltung hängen offenbar direkt an der Frage der Mitglieder-, Organisations- und Finanzstärke der tragenden Strukturen.

»Schlesier«
Eindeutig rechts war »Der Schlesier«, lange Zeit Organ der »Landsmannschaft Schlesien« (SL). Nachdem die Bundesregierung 1985 aufgrund revanchistischer Äußerungen die Bezuschussung einstellte, trennte sich auch die SL von der Zeitung. Doch das Blatt existierte bis 2010 als unabhängige rechte Zeitung weiter. Seit 2011 brachte dann der Rechtsaußen Verleger Dietmar Munier (»Zuerst!«, »Deutsche Militärzeitschrift«, …) das Blatt in neuer Gestaltung auf den Markt – doch offenbar lohnte es sich finanziell für ihn nicht, 2015 wurde es eingestellt.