»Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer«

von Norbert Halling
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März 2018

#AVA

Auf den ersten Blick gibt sich der Verein, der die Interessen der ArbeitnehmerInnen in der Partei vertreten möchte, gewerkschaftsnah und arbeitnehmerInnenfreundlich. Geht die für ihren Marktradikalismus bekannte Partei auf Stimmenfang im Gewerkschaftsmilieu?

Im Februar 2015 entstand mit Unterstützung des Landesverbands der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Nordrhein-Westfalen (NRW) die als Verein eingetragene »Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer« in der AfD (AVA). Als Ziel formuliert die AVA, »die Arbeitnehmer als größte gesellschaftspolitische Bevölkerungsgruppe zur aktiven Mitarbeit in der Partei zu gewinnen«, wobei sie das »Modell der sozialen Marktwirtschaft mit einem Höchstmaß an persönlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit« befürwortet. Ausdrücklich möchte die AVA Verbindungen zu den Gewerkschaften unterhalten sowie Betriebs- und Personalräte, JugendvertreterInnen und Vertrauensleute betreuen, die der AVA nahe stehen; mit der ArbeitnehmerInnenvertretung »ALARM!« pflegt die AVA ein Konfliktverhältnis, was die Spaltungen innerhalb der Partei widerspiegelt.

Die Gesichter der AVA
Für die Vereinigung stehen zwei Personen im Licht der Öffentlichkeit: Uwe Witt, nach eigenen Angaben seit 2013 Parteimitglied und seit 2017 Mitglied des Bundestags, ist seit der Gründung der AVA deren Bundesvorsitzender. In der AfD-Bundestagsfraktion bekleidet der gelernte Schlosser und spätere Personalleiter und Unternehmer das Amt des kommissarischen Leiters des Arbeitskreises für Arbeit und Soziales.

Wahlkampf Auftakt für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2017 der AfD mit dem ehemaligen SPD-Lokalpolitiker, AfD-Kandidat für den Landtag Guido Reil.
© Roland Geisheimer / attenzione

Auf Landesebene sorgt der Essener Bergmann und ehemalige Sozialdemokrat Guido Reil für Publicity. Seit Anfang 2017 ist er Landesvorsitzender der AVA in NRW. Im Juli 2016 machte Reil bundesweit Schlagzeilen, nachdem er in Essen eine Demonstration gegen die Unterbringung Geflüchteter organisiert und sich mit seiner damaligen Partei, der SPD, überworfen hatte. Im Anschluss an die Kontroverse trat Reil, Betriebsrat und IG BCE-Mitglied, in die AfD ein. Seitdem macht er sich unter Berufung auf seine Authentizität als »einfacher Arbeiter« für die »kleinen Leute« stark. Reils volksnaher und kerniger Auftritt kommt an: Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 holte er in seinem Wahlkreis Essen I – Mühlheim II immerhin 13,35 Prozent der Erststimmen, noch vor FDP, »Bündnis 90/Die Grünen« und »Die Linke«.
Besonders viel Zuspruch hat die AVA zumindest in NRW noch nicht erhalten. Als sie am 1. Mai 2017 in Düsseldorf demonstrieren wollte, hielt der DGB gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Bündnissen dagegen. Die AVA sagte schließlich ihre Kundgebung »schweren Herzens« ab mit der Begründung: »Aus Verantwortung für unsere Polizisten.«

Magazin der rechte rand Ausgabe 171

seit 2017 läuft nichts mehr bei der AVA

Arbeitszwang und Leistungskürzung
In ihrem »Thesenpapier zur Arbeits- und Sozialpolitik« veröffentlichte die AVA im April 2016 ihre Positionen, die sich mit offen extrem rechten Äußerungen zurückhalten. Deutlich wird allerdings: Vollbeschäftigung ist das Ziel, »gesellschaftliche Teilhabe« nur durch Arbeit möglich, Langzeitarbeitslose und MigrantInnen sollen grundsätzlich weniger oder keine Leistungen erhalten.
Beim Thema Migration bedient sich die AVA des üblichen AfD-Jargons: »Eine finanzielle Gleichstellung von vormals jahrelang Erwerbstätigen und in die Sozialsysteme ‹Zugewanderten› wird abgelehnt«, heißt es im Thesenpapier über den Bezug von Arbeitslosengeld II (»Hartz IV«). Dies bedeutet im Klartext, dass nach Deutschland migrierte Personen – weiter wird im Papier nicht differenziert – bei der Grundsicherung diskriminiert werden sollen. Weiterhin sollen beim Bezug von »Arbeitslosengeld II« auch Langzeitarbeitslose benachteiligt werden, denn der AVA erscheint es als »sozialpolitisches Ungleichgewicht«, dass beim Regelsatz von »Hartz IV« die Dauer der Erwerbstätigkeit nicht berücksichtigt wird. Langzeitarbeitslose will die AVA zu »gemeinnütziger Arbeit« verpflichten, um ihnen »ein wichtiges Stück ihrer Würde« zurückzugeben. Solche Forderungen, die immer wieder von rechten und extrem rechten PolitikerInnen erhoben werden, erinnern an den verpflichtenden »Reichsarbeitsdienst« (RAD) für gemeinnützige Arbeiten, den die NS-Regierung 1935 eingeführt hatte.
Aber auch diejenigen, die einen Anspruch auf den Bezug von »Arbeitslosengeld I« (ALG I) haben, möchte die AVA schlechter stellen, nicht besonders gut kaschiert hinter einer vermeintlichen Unterstützung älterer ArbeitnehmerInnen: Die Bezugsdauer von ALG I will die AVA für alle Berechtigten unter 55 Jahren um die Hälfte kürzen: So soll, wer nach einer zweijährigen Beschäftigungsdauer eigentlich Anspruch auf 12 Monate ALG I hätte, dieses nur noch sechs Monate lang beziehen dürfen – außer er/sie ist über 55 Jahre alt, dann bleibt es bei den 12 Monaten. Erst ab dem Alter von 55 Jahren und einer Beschäftigungsdauer von 52 bis 120 Monaten ergibt sich eine Verbesserung im Vergleich zur heutigen Regelung (Bezugsdauer: 26 bis maximal 60 Monate statt bisher bis zu 24 Monate).

Solidarität?
Solidarische Ideen äußert die AVA nicht, dafür strotzt ihr Konzept vor Populismus. Der Leistungsgedanke steht klar im Vordergrund; alle, die »nicht leisten«, werden benachteiligt. Mit solchen Konzeptionen treibt die AfD gesellschaftliche Spaltungen voran: deutsche ArbeitnehmerInnen auf der einen, MigrantInnen und (Langzeit-)Arbeitslose auf der anderen Seite. Dass die AVA auch ALG-I-EmpfängerInnen im Vergleich zu den heutigen Regelungen deutlich schlechter stellen will, dürfte eher ArbeitgeberInnenpositionen stützen als die Rechte von Beschäftigten stärken.
Trotzdem bleibt die AVA ambivalent: Bei ihr handelt es sich auch um die Versuche von gewerkschaftsnahen Rechten, ihre sozialpolitischen Positionen mit dem Rassismus der AfD zusammenzuführen und innerhalb der Partei arbeits- und sozialpolitische Positionen auszuhandeln.