Rezensionen Ausgabe 171

von Margarete Schlüter, Sören Frerks, Paul Wellsow



Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März / April 2018

»Zwischen Marktradikalismus und völkischem Antikapitalismus«
von Margarete Schlüter

Magazin der rechte rand

Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradikalismus und »völkischem Antikapitalismus«

Im Bundestagswahlkampf 2017 reklamierte die »Alternative für Deutschland« (AfD) für sich, »die neue soziale Partei für den kleinen Mann« zu sein. Doch was verbirgt sich hinter Aussagen wie diesen? Antworten darauf will Stefan Dietl, Journalist und aktiver Gewerkschafter, mit seinem Buch »Die AfD und die soziale Frage« geben. Formuliertes Ziel des Buches ist, all denen Hintergrundinformationen an die Hand zu geben, »die gezwungen sind, sich auf der Straße, im Betrieb, in ihrer politischen Arbeit, im Privaten, in Verbänden oder Vereinen mit der AfD auseinanderzusetzen«.
Um die sozialpolitischen Auseinandersetzungen in der AfD verorten zu können, zeichnet Dietl knapp deren Entstehungsgeschichte nach. Anschließend untersucht er – ausgehend vom im Mai 2016 verabschiedeten Grundsatzprogramm und den vorausgegangenen Debatten – die sozial- und wirtschaftspolitische Programmatik der Partei. Zunächst werden im Kapitel mit dem Titel »Die Partei der ‹Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit›« die Bedeutung von Rassismus, Antisemitismus sowie die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung in der AfD im Kontext der sozialen Frage dargelegt. Daran anschließend arbeitet Dietl die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den AfD-Flügeln des marktradikalen Neoliberalismus und des völkischen Antikapitalismus in Bezug auf sozialpolitische Positionen der Partei heraus. Wie verschieden diese mitunter sind, wird in der kontroversen Auseinandersetzung der Entwicklung des Grundsatzprogramms deutlich. Dieses trägt im Ergebnis vor allem die Handschrift der Marktradikalen. Welche Bedeutung diese innerhalb der Partei zukünftig haben werden, wird sich angesichts des zunehmenden Einflusses des »völkisch-antikapitalistischen« Flügels noch zeigen. Was mit den letzten Bundestagswahlen bereits deutlich geworden ist: Die AfD ist nicht nur in den Bundestag eingezogen, sondern konnte auch ihre WählerInnenbasis verbreitern. So gewann sie vor allem unter ArbeiterInnen an Stimmen dazu. Deshalb misst Dietl den Gewerkschaften eine herausgehobene Bedeutung im Kampf gegen die AfD bei. Um diesen erfolgreich führen zu können, müssten die von Gewerkschaften verfolgte Standortpolitik, und das oftmals damit von ihnen vertretenen Leistungs- und Nützlichkeitsprinzip überwunden werden, da sie Anknüpfungspunkte für rechtes Denken in ihren eigenen Reihen darstellen.
Dem Autor gelingt es, anschaulich die so­zial-­ und wirtschaftspolitische Programmatik der AfD und deren Entstehungshintergrund darzustellen. Eine besondere Stärke zeigt er mit seiner Analyse und Kritik der bisherigen Gewerkschaftspolitik und deren Versäumnisse im Kampf gegen Rechts – auch in den eigenen Reihen.

Stefan Dietl: Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradikalismus und »völkischem Antikapitalismus«. Münster 2017, Unrast Verlag, 168 Seiten, 14 Euro.

»Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft«
von Sören Frerks

Magazin der rechte rand

Von Biedermännern und Brandstiftern. Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft

Der Sammelband »Von Biedermännern und Brandstiftern« analysiert die Bestrebungen der »Alternative für Deutschland« (AfD) und ihrer Netzwerke, in den Bereich der ArbeitnehmerInnenvertretung vorzudringen und die Gewerkschaften zu delegitimieren. Der Sammelband ist in drei Abschnitte unterteilt. Nach allgemeinen Grundlagen des »Rechtspopulismus in Deutschland« verlagert sich der Fokus auf »Betrieb und Gesellschaft« und schließlich werden »Gewerkschaftliche Handlungsmöglichkeiten« aufgezeigt.
Die Beiträge sind allesamt kurzgehalten und geben zusammen einen fundierten Überblick über das Themenfeld. Besonders erkenntnisreich ist Tammo Grabberts Ausarbeitung zur Herausbildung des Rechtspopulismus. Grabberts macht deutlich, dass die AfD ihren Weg in die Landesparlamente und den Bundestag aus der »Mitte der Gesellschaft« heraus angetreten hat. Tim Ackermann beschäftigt sich in seinem Artikel »Der Antisemitismus der AfD« mit der scheinbaren Israel­solidarität der AfD und entschlüsselt diese als antimuslimischen Rassismus. In »Was wollen die Rechtspopulisten?« zeigt Thomas Leif die AfD-Strategie im Kampf um die Deutungshoheit und AnhängerInnenschaft auf. Darin wird deutlich: Die Partei ist keine affektive Protestpartei, sondern hat einen ausgefeilten Plan, mit dem sie die gesellschaftlichen Debatten nach rechts verschieben will.
Sowohl für die Auseinandersetzung in den Betrieben, als auch für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit bieten die Beiträge Argumentationsgrundlagen, die AfD als das zu entlarven, was sie ist: neoliberal, völkisch-rassistisch, reaktionär und mitnichten das Sprachrohr einer solidarischen und interkulturellen Arbeiterklasse. Hierzu beleuchtet Mark Haarfeldt unter dem Titel »Die Arbeitswelt im Fokus der AfD«, wie deren ArbeitnehmerInnenorganisationen versuchen, ArbeiterInnen, Gewerkschaftsmitglieder und Prekarisierte als WählerInnen zu gewinnen. Auf der rechten Agenda steht die Hetze gegen Flüchtlinge, die instrumentelle Bejahung des Mindestlohns sowie das Spiel mit Abstiegsängsten. Hier zeigt Haarfeldt, dass die AfD damit zwar bei den letzten Wahlen Erfolge hatte, die Partei aber zugleich von Machtkämpfen gekennzeichnet ist, die deren scheinbare sozialpolitische Profilierung karikieren.
Wer nach tiefergehenden wissenschaftlichen Einblicken sucht, sollte zusätzlich Alexander Häuslers Analysen über die AfD lesen, die er unter anderem für den DGB erarbeitet hat. Und der Büchermarkt hält in diesem Jahr noch weitere Sammelbände bereit, wie beispielsweise »Rechtspopulismus und Gewerkschaften«, der im Februar ebenfalls im VSA-Verlag erscheint. Eines wird im vorgestellten Buch deutlich: In den Gewerkschaften wurde die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit der AfD erkannt.

Allmendinger, Björn, Fährmann, Joachim, Tietze, Klaudia (Hrsg.): Von Biedermännern und Brandstiftern. Rechtspopulismus in Betrieb und Gesellschaft. Hamburg 2017, VSA Verlag, 232 Seiten, 14,80 Euro.

»FPÖ: Partei der Reichen«
von Paul Wellsow

Magazin der rechte rand

Die FPÖ – Partei der Reichen

Als »soziale Heimatpartei« beschreibt sich die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) selbst. Seit Dezember 2017 regiert sie in Österreich erneut mit den Konservativen.
In seinem empfehlenswerten Buch »Die FPÖ – Partei der Reichen« untersucht der Journalist Michael Bonvalot die Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik der Partei. Sein Fazit: »Ob es um Sozialleistungen, Pensionen, die Gesundheitsversorgung, den Zugang zu Wohnraum, die Spaltung der Lohnabhängigen, den Schutz des Vermögens der Reichen oder die Folgen des Klimawandels geht: Überall steht die FPÖ auf der Seite der Banken, der Konzerne und der UnternehmerInnen – und nicht auf der der Seite der breiten Masse der Bevölkerung.«
Bonvalot beginnt mit einem Blick in die Geschichte der FPÖ und ihre Wurzeln im deutschnationalen Milieu. In einem eigenen Kapitel erklärt er, warum die FPÖ seit ihrer Gründung »eine rechtsextreme Partei« sei und einen starken Flügel habe, »der einmal mehr, einmal weniger offen mit dem Nationalsozialismus« sympathisiere.
Trotz wiederkehrender sozialer oder sogar scheinbar kapitalismuskritischer Rhetorik ziehe sich durch die Geschichte der Partei ein wirtschaftsliberaler Kurs. Um das zu belegen, wertete der Autor eine Vielzahl von Originalquellen aus – Artikel, Reden, Anträge, Äußerungen und Programme der Partei und ihrer führenden Köpfe. Seine Prognose vor der Nationalratswahl: »Eine Regierungsbeteiligung der FPÖ würde heute das gleiche bedeuten, was sie ab 2000 bedeutet hat: Sozialabbau, Umverteilung nach oben, Geschenke an Reiche und UnternehmerInnen.«
In den 1990er Jahren und unter dem früheren Vorsitzenden Jörg Haider habe sich der Kurs in der politischen Rhetorik und der Ansprache verändert. Die FPÖ leitete ihren »Aufstieg zur Großpartei ein«. Die »Yuppie-Truppe« von Rechtsaußen hatte erkannt, dass sie mit ihrer bisherigen Politik nur eine begrenzte Zahl an WählerInnen ansprach. Die Partei griff »rassistische Grundstimmungen auf und verstärkte sie einerseits in Richtung sozialer Spaltung, andererseits in die Richtung der Propagierung einer nationalen Volksgemeinschaft«. Bonvalot weist darauf hin, dass die FPÖ heute »vor allem in Städten besonders von Lohnabhängigen gewählt« werde. Er empfiehlt, auf die soziale Rhetorik der Partei unter anderem mit dem Hinweis auf ihre wirtschaftsfreundliche und antisoziale Praxis während der Regierungszeit zu antworten und so »das klassische Dilemma rechter Parteien« offenzulegen.

Michael Bonvalot: Die FPÖ – Partei der Reichen. Wien 2017, Mandelbaum Verlag, 232 Seiten, 14 Euro.