Zielgruppe »Volk« – Das »Compact-Magazin«
von Kilian Behrens
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018
#Rassismus
Meist sind es Titelseiten mit düsteren Horrorszenarien, die mit Hilfe wenig origineller Fotomontagen die neueste Ausgabe von »Compact« ankündigen. Mal zeigen sie den damaligen Justizminister Heiko Maas in Nazi-Uniform und fragen »Wollt ihr den totalen Maas?«, mal fordern sie die Verhaftung Angela Merkels. Geflüchtete werden als »Invasion aus Afrika« bezeichnet oder ein »Kalifat BRD« wird beschworen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen vermitteln sie den Eindruck einer ständigen Bedrohung, wahlweise auch Verschwörung, die hier exklusiv aufgedeckt werde.
Anders als viele kleinere extrem rechte Postillen, die nur über ein Abonnement zu beziehen sind, findet sich »Compact« in vielen Zeitungsläden und Supermärkten. Meist liegt das 68-seitige Monatsheft in direkter Nähe zu etablierten Politmagazinen wie »Der Spiegel« oder »Stern«. Laut Eigenangaben beträgt die Auflage bis zu 80.000 Stück, überprüfen lässt sich das nicht.
Eigener Kosmos
Das seit Dezember 2010 erscheinende Magazin ist das Kernangebot der gleichnamigen GmbH mit Sitz im Brandenburgischen Werder (Havel). Als deren Geschäftsführer fungiert Kai Homilius. Nachdem er in seinem Verlag bereits eine gleichnamige Buchreihe veröffentlicht hatte, gründete er das Magazin gemeinsam mit dem heutigen Chefredakteur Jürgen Elsässer. Letzterer hatte jahrelang in linken Medien publiziert, bevor er zunehmend nationalistische und verschwörungsideologische Töne anschlug. Dritter im Bunde war Andreas Abu Bakr Rieger, Gründer und aktuell Herausgeber der »Islamischen Zeitung«, der »Compact« nach internen Streitigkeiten bald wieder verließ.
Von Anfang an betreibt das Magazin eine aggressive Medienstrategie. Das geneigte Publikum kann den lieben langen Tag im »Compact«-Kosmos verbringen, ohne eine abweichende Meinung wahrnehmen zu müssen. Das Printangebot wird ergänzt durch die Sonderreihen »Compact-Spezial«, »Compact-Edition« und »Compact-Geschichte«, welche sich in der Regel in größerem Umfang als das Magazin mit bestimmten Einzelthemen befassen. Das neueste Format heißt »Compact-Pirinçci« und versammelt ausschließlich Texte des wegen Volksverhetzung verurteilten Autoren Akif Pirinçci.
Hinzu kommt ein breites Online-Angebot: Artikel auf der eigenen Website bilden tagesaktuelle Themen ab und bieten so die Möglichkeit, außerhalb des Monatsrhythmus auf Ereignisse zu reagieren. Zum Beispiel werden online Protesttermine beworben, die für das Zielpublikum relevant sind. Die Berichte rund um den vom Mitglied der »Alternative für Deutschland« (AfD) Leyla Bilge organisierten »Frauenmarsch« im Februar in Berlin zeigen eindrücklich, wie sehr man sich als Sprachrohr solcher Aktionen versteht. »Compact« postet alles, vom Aufruftext über einen Livestream bis hin zum Statement Bilges im Nachgang der Veranstaltung. Verbreitet werden die Inhalte immer auch über die verschiedenen Social-Media-Kanäle der Redaktion. Nur wenige Tage nach der Demonstration zeigt »Compact-TV« eine Einschätzung. Die seit Ende 2014 produzierten halbstündigen Clips im Stil einer Nachrichtensendung erscheinen seit Januar diesen Jahres wöchentlich und schaffen es derzeit auf 30.000 bis 66.000 Klicks.
Neben Print- und Online-Medien setzen die MacherInnen auf eigene Events. Seit 2012 versammelt die »Konferenz für Souveränität« jedes Jahr mehrere hundert TeilnehmerInnen und RednerInnen der extremem Rechten aus dem In- und Ausland. Organisiert wird sie in Zusammenarbeit mit dem als kremlnah geltenden »Institut de la Démocratie et de la Coopération« aus Paris. Unter dem Titel »Compact-Live« werden Saalveranstaltungen an wechselnden Orten durchgeführt. Wem das immer noch nicht reicht, der fährt mit auf Lesereise in die Sächsische Schweiz. All diese Angebote sollen LeserInnen an das Produkt »Compact« binden, ein »Wir-Gefühl« erzeugen und das Bild eines professionellen, leistungsfähigen Medienhauses vermitteln. Konferenzen und Vorträge ergänzen das Erlebnis und fördern zudem die Vernetzung, und das recht erfolgreich.
Innerhalb der extremen Rechten hat das Blatt seit seiner Gründung deutlich an Einfluss gewonnen. Die vergleichsweise hohe Auflage versuchen auch andere Medien zu nutzen, um ihr Klientel anzusprechen. Extrem rechte Verlage und Organisationen wie die »Preußische Allgemeine Zeitung«, der »KOPP-Verlag«, die Vernetzungs- und Finanzierungsplattform »Ein Prozent e. V.«, der »Verlag Antaios« sowie die AfD schalten im Heft Werbeanzeigen.
Rechte Vielschreiber
Den Großteil der Texte verfassen Chefredakteur Jürgen Elsässer, Chef vom Dienst Martin Müller-Mertens sowie Marc Dassen, Tino Perlick und Daniell Pföhringer. Sie bilden den Kern der Redaktion. Der Wiener Vorzeige-»Identitäre« Martin Sellner veröffentlicht seit einiger Zeit eine eigene Kolumne. Länger dabei ist Manfred Kleine-Hartlage, der die Kolumne »Hartlages BRD Sprech« verantwortet. Auch der Gründer des neu-rechten »Verlag Antaios« und Chefredakteur der »Sezession«, Götz Kubitschek, publizierte bereits im Magazin. Über Interviews versucht die Redaktion zudem bekannte Namen außerhalb des eigenen Dunstkreises zu gewinnen. In den vergangenen Jahren waren es aber vor allem VertreterInnen des offen völkischen Flügels der AfD und der sogenannten »Neuen Rechten«, die in »Compact« Gehör fanden. Diesen bietet man vor allem Reichweite für die Verbreitung ihrer Positionen. Während sich kleinere Blätter an einen eingeschworenen Kreis von Aktiven richten, hat Elsässer »das Volk« zu seiner Zielgruppe auserkoren.
Hasskommentare auf Papier
Diesem scheint er jedoch intellektuell nicht zu viel zumuten zu wollen. Politische Themen werden, stets dem eigenen »Merkel muss weg«-Mantra folgend, jeder Komplexität beraubt. Sprachlich erinnert Vieles im Magazin an das, was man bereits von Hasskommentaren aus sozialen Netzwerken kennt: Opferrolle vorwärts, kübelweise Empörung, lautstark begleitet vom unvermeidlichen »Die da oben« gegen »Wir hier unten«.
Dabei deckt »Compact« einen Großteil der extrem rechten Themenpalette ab. Lediglich offene NS-Verherrlichung wird man nicht finden. Grundlegend für den Stil der Zeitschrift ist eine verschwörungsideologische Weltsicht. Egal ob Migration, Bankenkrise oder Familienpolitik, glaubt man dem Magazin, sind überall finstere Mächte am Werk, die man mit Vorliebe in den USA ausmacht. Schon der Untertitel »Magazin für Souveränität« verweist in bester Reichsbürgermanier darauf, dass Deutschland kein souveräner Staat, sondern fremdbestimmt sei. Bei entsprechenden Deutungen sind antisemitische Ressentiments meist nicht weit. Diese funktionieren in ihrer perfiden Logik auch ohne die Nennung von Jüdinnen und Juden. In »Compact« finden sie sich in Form personifizierter Schuldzuweisungen für komplexe kapitalistische Verhältnisse, des mal mehr, mal weniger ausgesprochenen Phantasmas einer im verborgenen agierenden »Weltregierung« und natürlich in einem Bild von Israel als Schurkenstaat.
Ebenfalls herbeigeschrieben wird eine »Homo-« beziehungsweise »Genderlobby«, die mittels gendersensibler Lehrpläne und Aufklärungsbroschüren stets eifrig an der »Umerziehung« arbeite. Auf staatliche Gleichstellungspolitiken wie Gendermainstreaming – ganz zu schweigen vom Feindbild Feminismus – wird wenig überraschend mit aggressiv formulierter Ablehnung reagiert. Grundlegende Debatten über sexualisierte Gewalt und die dazugehörigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse, zuletzt im Zuge von »#metoo«, werden im Magazin, für das fast ausschließlich Männer schreiben, als überzogen dargestellt. Gleichzeitig bezieht sich »Compact« positiv auf die »120 Dezibel«-Kampagne »identitärer« Frauen, die sich jedoch ausschließlich gegen sexualisierte Gewalt durch Geflüchtete richtet und somit in keiner Weise politische Glaubwürdigkeit zu vermitteln vermag. Entsprechende Texte männlicher Autoren kommen oft nicht ohne Verweis auf das Aussehen der rechten Protagonistinnen aus. Die Phantasien eines Marc Dassen in der diesjährigen April-Ausgabe über das Aufkommen einer »politischen Erotik von Morgen« und dem »Aufstand der Schönheit« bestätigen das Bild. Frauen werden unterstützt, solange sie als »schön« gelten und den eigenen Rassismus gegenüber Geflüchteten und MigrantInnen als heroische Verteidigungstat eines starken männlichen Beschützers erscheinen lassen.
Von Anfang an sind Migration und »der Islam« Dauerthemen. Schon die Erstausgabe fragte mit Bezug auf den mit islamfeindlichen Aussagen bundesweit bekannt gewordenen SPD-Politiker Thilo Sarrazin: »Der nächste Bundeskanzler?«
Ein weiteres wiederkehrendes Thema sind Geheimdienste. Die ungeklärten Fragen im NSU-Komplex dienen einer Erzählung, nach der die Verantwortung für die Taten ausschließlich bei jenen Behörden liege. Neonazis hingegen entbindet man von jeder Schuld und entpolitisiert so ihr Handeln. Beate Zschäpe erscheint in diesem Szenario als bemitleidenswertes Opfer, weshalb kürzlich erklärt wurde: »Warum Beate Zschäpe freigelassen werden muss.« Behördlicher Rassismus, der die Taten des NSU jahrelang begünstigte, wird hingegen geleugnet.
Bewegungsmedium
Parteipolitisch präferiert die Redaktion ganz offen die AfD, deren Einzug in den Bundestag in der Oktober-Ausgabe des vergangenen Jahres als »Blaues Wunder« gefeiert wurde. Das »Compact«-Magazin versteht sich jedoch vor allem als Bewegungsmedium. Dabei gibt man sich nicht mit einer beobachtenden Rolle zufrieden, sondern versteht es selbst in vorderster Reihe mitzumischen, immer den angestrebten Regimewechsel vor Augen. So nahm Chefredakteur Elsässer in den letzten Jahren alles mit, was er an Bewegung finden konnte: Bei den »Montagsmahnwachen für den Frieden« trat er anfangs als Redner auf, später suchte er die Nähe zu den »Hooligans gegen Salafisten«. VertreterInnen von PEGIDA und den »Identitären« durften von Beginn an bei den »Souveränitätskonferenzen« sprechen oder im Heft schreiben. Die AfD will Elsässer der Bewegung gegenüber in die Pflicht nehmen. Zählen kann er dabei zum Beispiel auf Björn Höcke, der – prominent im Heft nach der Bundestagswahl platziert – der AfD die Rolle einer »fundamentaloppositionellen Bewegungspartei« zuspricht.
Die neue soziale Bewegung von Rechts hat mit »Compact« ein publizistisches Sprachrohr gefunden. Der offen völkische Flügel der AfD wird hier nach Kräften unterstützt, so lange es opportun erscheint. Im Zusammenspiel von Partei und Bewegung kommt dem Magazin derzeit eine Schlüsselrolle zu.