Nicht neu

von Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März 2018

#AntiGewerkschaft

Die extreme Rechte hat immer wieder mit eigenen Organisationen versucht, in Betrieben Fuß zu fassen – bisher erfolglos.

Plötzlich sind rechte ArbeitnehmerInnen-Verbände und Betriebsratslisten Thema. Mit dem Aufstieg der »Alternative für Deutschland« versucht die Szene, in Betrieben, bei BeamtInnen und Angestellten Fuß zu fassen. Neu ist das nicht. In der Bundesrepublik gab es immer wieder Versuche, eigene rechte Verbände aufzubauen, mit rechten Listen oder unter der Flagge von Spaltergewerkschaften bei Betriebsratswahlen in Gegnerschaft zu den Gewerkschaften im »Deutschen Gewerkschaftsbund« anzutreten. Während sich christliche, konservative oder wirtschaftsfreundliche Organisationen, sogenannte »Gelbe Gewerkschaften«, in manchen Betrieben festsetzen konnten, blieben extrem rechte Strukturen erfolglos. Eine systematische Forschung zu deren Geschichte und Praxis existiert nicht. Ein Überblick kann daher nur exemplarisch sein.

Anti-Gewerkschaft
Die extreme Rechte lehnt Gewerkschaften und die unabhängige Organisierung von ArbeiterInnen und Angestellten ab. Arbeit und Kapital hätten gemeinsam im Sinne der Nation zu wirken. Preußischer Arbeitsethos, Stolz auf Arbeit und Disziplin statt Klassenkampf. Dennoch sucht die extreme Rechte nach Alternativen zu den bestehenden Gewerkschaften. Der in der Szene einflussreiche, Ende Januar 2017 verstorbene Publizist Hans-Dietrich Sander veröffentlichte 1994 in dem Blatt »Staatsbriefe« seine »Thesen zur Bildung einer nichtsozialistischen Arbeiterbewegung«. Darin plädierte er für einen Arbeiterstand als »Bund mit einem beruflich motivierten Ethos«, der für Fleiß und Disziplin sorge. Die rechte Zeitschrift erinnert »an volksgemeinschaftliche Traditionsstränge in der deutschen Arbeiterbewegung sowie an das Konzept der ‹Arbeitsfront›«, wie der Politikwissenschaftler Fabian Virchow analysierte.
Durch die Ablehnung konfrontativer Gewerkschaftsarbeit gibt es ideologische Überschneidungen von »Gelben Gewerkschaften« und der extremen Rechten. Daher kam es auch zu Mitgliedschaften und in einzelnen Fällen auch zur Übernahme von Posten durch Funktionäre aus der extremen Rechten. Der Bundesvorsitzende des »Christlichen Gewerkschaftsbundes« musste beispielsweise 2005 einräumen, dass »Rechtsradikale« versuchten, »die christliche Gewerkschaft (zu) unterwandern«.

Rechter Beamtenbund
Ein Versuch, eigene Strukturen aufzubauen war der 1993 gegründete »Republikanische Bund der öffentlichen Bediensteten« (REP BB) der damals bei Wahlen erfolgreichen Rechtspartei »Die Republikaner«. Der Bund sollte im öffentlichen Dienst Beschäftigte vor »ungerechtfertigten, verleumderischen Angriffen und Einschüchterungsversuchen durch etablierte politische Beamte« schützen. Verlässliche Zahlen über die Mitgliedschaften gibt es nicht. Wissenschaftler aus dem Umfeld der Inlandsgeheimdienste schätzten 1998, der REP BB zähle 180 Mitglieder. Größere Aktivitäten gingen von dem Bund nie aus. Anfang der 2000er Jahre gab es nur noch vereinzelte Strukturen.

der rechte rand Ausgabe 171

Zum Wahlkampfauftakt der Landtagswahlen in Mecklenburg Vorpommern marschierten am 1. Mai 2006 Neonazis der NPD durch Rostock und konnten ungehindert vor dem DGB Haus eine Kundgebung abhalten. © Mark Mühlhaus / attenzione

»Gewerkschaftsfeindlichkeit«
»Die Gewerkschaftsfeindlichkeit der NPD ist tief und durchgehend (…). Konzeptionell strebt sie eine Stärkung kleiner Outsider-Gewerkschaften gegen den DGB an«, schrieb der Historiker Lutz Niethammer wenige Jahre nach der Gründung der Partei. Die NPD baute keine eigenen Strukturen auf, leistete sich aber in ihren jungen Jahren im Bundesvorstand ein »Referat für Sozial- und Gewerkschaftsfragen«. Dessen Leiter war ein NPD-Landtagsabgeordneter aus Niedersachsen und Betriebsratsvorsitzender eines Industriebetriebs. Die NPD unterstützte Ende der 1960er Jahre auch den »Unabhängigen Bergarbeiterverband«. Im Kleinen gab es Erfolge: Bei den Betriebsratswahlen 1968 gewann die Liste mit einem NPD-Funktionär an der Spitze auf einer Zeche in Wanne-Eickel 42 Prozent der Stimmen.

»Deutscher Arbeitnehmer-Verband«
Auch im »Deutschen Arbeitnehmer-Verband« (DAV) waren wiederholt Funktionäre der extremen Rechten aktiv. Mit einer Reihe von Betriebsräten hatte die Organisation mit wechselnden Namen durchaus betrieblichen Einfluss. Seit der Gründung tummelten sich in ihr Rechte, teils in einflussreichen Positionen. In den 1990er Jahren wurde dem Verband in Nordrhein-Westfalen zeitweise das Recht abgesprochen, ehrenamtliche Arbeits- und Sozialrichter vorzuschlagen, nachdem er bekannte Neonazis benannt hatte. 1993 begann der Verfassungsschutz, den DAV zu beobachten, da er unter den Einfluss der NPD geraten sei. Damals dürfte er nur noch maximal 4.000 Mitglieder gehabt haben. Der Verband besteht als politisch unscheinbare Organisation mit neuem Führungspersonal und neuer Satzung fort.

Bisher erfolglos
Auch in der 1984 gegründeten neonazistischen »Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front« gab es mit der »Freien Gewerkschaftsbewegung« und in der 1995 verbotenen Neonazi-Partei »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« mit der 1985 gegründeten »Freien Betriebszellen-Organisation« Versuche, unter ArbeiterInnen und in Betrieben Fuß zu fassen. Bisher blieben aber all diese Bemühungen bis auf Einzelfälle erfolglos.