»Arbeitnehmer in der AfD«

von Felix Krebs


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März 2018

#AidA

»Das neue Rot der Arbeitnehmer ist blau«, lautet die Leitparole der Interessengemeinschaft (IG) der »Arbeitnehmer in der AfD« – AidA. AidA klingt nach Traumschiff oder Oper, kann aber auch als Persiflierung von Verdi, dem Komponisten des Stückes, gleichzeitig aber auch als Gewerkschaft und Hauptfeindbild der IG gelten. Neben AVA und ALARM! ist diese Vereinigung die dritte rechte ArbeitnehmerInnenvertretung und hauptsächlich in Norddeutschland aktiv.

Magazin der rechte rand Ausgabe 171

Screenshot von der AidA-Seite mit den Vorstandsmitgliedern
© Archiv der rechte rand

AidA wurde im Februar 2014 in Lüneburg gegründet. Der Impuls ging maßgeblich von Robert Buck aus, damals laut eigenen Angaben ­ver.di-Mitglied. Buck ist bis heute eine zentrale Figur bei AidA, wohnt in Hamburg und war früher SPD-Mitglied und Gewerkschaftsfunktionär. Als Motivation für die Gründung von AidA ist sein Engagement für die »Alternative für Deutschland« (AfD) anzunehmen, das in seinem gewerkschaftlichen Umfeld auf wenig Zustimmung stieß. Er fühlte sich im Wahlkampf durch Gewerkschaften, insbesondere ver.di, »in die Nähe von Nazis und Faschisten« gestellt, bemängelt Buck in einem ersten »Selbstverständnis«. Gleichzeitig betonte Buck schon 2014 »zwischen den Zielen der AfD und den Zielen der Arbeitnehmervertretung (gemeint ist AidA – Anm. d. A.) gibt es keinen Gegensatz, noch nicht einmal die kleinste Divergenz«. Damit ist im Wesentlichen schon der Kern der politischen Arbeit von AidA umrissen: Die IG soll die Politik der AfD am Arbeitsplatz, bei Betriebsräten und Gewerkschaften publik machen und gleichzeitig hier AfD-Mitglieder unterstützen, die von ihren KollegInnen kritisiert werden.

Nazi-Verschwörer als Vorbild?
Buck, bis Dezember 2017 Bundessprecher, jetzt Vize bei AidA, ist auch im Landesvorstand der Hamburger AfD. Auf seinem Facebookprofil präsentiert er wohlwollend Friedrich Wilhelm II., nebst Kaiserhymne »Heil, Dir im Siegerkranz« und dessen Reichskanzler Otto von Bismarck. Der Kaiser, und noch stärker sein Kanzler, waren erklärte Feinde der Sozialdemokratie, der ArbeiterInnenbewegung sowie des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie. Doch Bucks politische Ahnentafel geht noch viel weiter zurück. Als kämpferischer Wikingerfan zitiert er den Göttervater, Kriegs- und Totengott Tyr, mit den Worten: »Von seinen Waffen, im freien Feld, weiche man keinen Schritt.« Mehrfach postete Buck auch Aktionen der »Identitären« und erklärte seinen LeserInnen im Oktober 2017, deren beliebte Schlagwörter wie »Umvolkung« und »großer Austausch« seien nun auch Teil seines Vokabulars.
Parteipolitisches Vorbild dürfte für Buck die in den Nachkriegsjahren von Altnazis unterwanderte nordrhein-westfälische »Freie Demokratische Partei« (FDP) sein. Deren »Aufruf zur Nationalen Sammlung – Das deutsche Programm« von 1952 präsentiert Buck mit ironischem Unterton als »nach heutigem Verständnis total ‹rechts›«. In der Tat heißt es hier gleich zu Beginn: »Wir bekennen uns zum Deutschen Reich.« Anfang der 1950er Jahre hatten ehemalige NS- und SS-Funktionäre versucht, die damals sehr rechts verortete FDP in Nordrhein-Westfalen zu unterwandern. Werner Naumann, letzter Staatssekretär im Goebbels’schen Reichspropagandaministerium, verfasste zusammen mit dem ehemaligen Leiter der NS-Rundfunkabteilung Hans Fritsche sowie den hohen SS-Führern Alfred Six und Werner Best eben jenen Aufruf als programmatischen Entwurf. Dieser konnte jedoch gegen das »Liberale Manifest« anderer FDP-Landesverbände nicht durchgesetzt werden. Im Januar 1953 wurden die Verschwörer um Naumann von den britischen Behörden festgenommen und damit der letzte Putschversuch ehemaliger NS-Eliten in Westdeutschland zerschlagen.

Weiteres rechtes Personal
Ebenfalls als Stellvertreter im AidA-Vorstand fungiert Frank Neufert aus Sachsen. Er bekundete Sympathie für die »Identitären« und steht laut »Tagesspiegel« dem »Flügel« von Björn Höcke nahe. Das Amt des Beisitzers übt André Nemji aus Bayern aus, der 2012 noch Kreisvorstandsmitglied der extrem rechten Partei »Bürgerbewegung Prodeutschland« in München war. 2011 berichtete der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen über diese Kleinstpartei. Als sie sich im November 2017 auflöste und viele Mitglieder in die AfD übertreten wollten, erklärte Parteisprecher Christian Lüth (AfD): »Diese Partei steht auf unserer Unvereinbarkeitsliste, sie können gar nicht aufgenommen werden.« Einer der nur hart an der Grenze der Unvereinbarkeit agiert, ist AidA-Kassenprüfer Lars Steinke. Er bewegt sich seit Jahren im Umfeld der »Identitären« und militanter Neonazis. Als Steinke im Juli 2017 zum Landesvorsitzenden der »Jungen Alternative« (JA) Niedersachsen gewählt wurde, traten mehrere JA-Funktionäre aus Protest aus. Als Begründung wurde unter anderem angeführt, Steinke organisiere gemeinsame Auftritte und Demonstrationen »mit dem rechtsextremen ‹Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen›«. Im November 2017 erhob die Staatsanwaltschaft Göttingen Anklage wegen Bildung einer bewaffneten Gruppe gegen drei dieser Kameraden.

Ordoliberale Gewerkschafts-, Arbeits- und Sozialpolitik
Bundessprecher Christian Waldheim aus Norderstedt ist bezeichnenderweise ebenso wie sein früherer Vize Sascha Walther aus Hamburg gar kein Arbeitnehmer. Walther ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines Sicherheitsunternehmens und Waldheim ist Geschäftsführer seiner Firma »EBS Consulting«. Was Kleinstunternehmer Waldheim jedoch nicht davon abhält, Gewerkschaftsfunktionären vorzuwerfen, es ginge ihnen nur um die eigenen Futtertröge. Ähnliche Kritik von AidA am »Funktionärsapparat«, »Missbrauch von Mitgliedsbeiträgen« oder angeblichem Verrat der ureigensten Interessen der Mitglieder hat deutlich zugenommen. Auf den AidA-Seiten wird auch immer wieder versucht, Menschen anhand der Herkunft, der Kultur oder der Religion zu spalten, indem gegen Muslime oder Geflüchtete agitiert wird. Statt für gleiche Rechte am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft zu streiten, wird insbesondere Geflüchteten eine Sündenbockfunktion zugewiesen. Eine multikulturelle Gesellschaft sowie Chancengleichheit und Diversität in den Unternehmen sind AidA ein Graus. Und gelegentlich steigert sich AidAs Propaganda in übelste, neonazistische Hetze. Die »rechte Gewerkschaft« dürfte hiermit vor allem rechte, standortnationalistische und unternehmensfriedliche ArbeitnehmerInnen ansprechen, die jahrzehntelang in ethnisch weiß dominierten Belegschaften gearbeitet haben und sich nun gegen ArbeitsmigrantInnen nach unten abgrenzen möchten.
Gegenüber Unternehmen und einer kapitalfreundlichen Politik bleiben AidA allerdings ziemlich vage und handzahm. Eine »soziale Marktwirtschaft der sozialen Gerechtigkeit, Freiheit und Verantwortung im Sinne Ludwig Erhards« fordern AidA in ihrem programmatischen Arbeitspapier vom April 2016. Der Ordoliberalismus, für den CDU-Politiker Erhard stand, spiegelt sich auch im weiteren AidA-Programm wider. Nicht die vorrangige Unterstützung der abhängig Beschäftigten, sondern »eine sinnvolle und ausgewogene Balance zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern« ist das angestrebte Ziel. Die Balance gerät jedoch dort in deutliche Schieflage, wo AidA pauschalisierend feststellen, Betriebsräte seien eher am eigenen Machterhalt interessiert und »eher den Arbeitgebern zugeneigt«. Als Konsequenz fordert das Papier, die Amtszeit eines gewählten Betriebsrates sei »vorzeitig zu beenden«, wenn es die Mehrheit fordere. Dies bietet »gelben Mobs«, die von UnternehmerInnen oder Union-Busting-BeraterInnen aufgehetzt werden, Möglichkeiten gegen klassenkämpferische und selbstbewusste Betriebsräte vorzugehen.
Den zunehmenden Sozialabbau, den Rückzug des Staates und die Privatisierung von sozialen Einrichtungen verschärfen AidA jedoch, indem sie in ihrem immer noch aktuellen Gründungsinfo fordern, dass »die Verantwortung zur Übernahme sozialer Risiken in Teilbereichen aus den Händen des Staates zurück in die Hände der Bürger gegeben werden muss«. Das, was AidA Politik und Wirtschaft abtrotzen wollen, sind freilich kaum mehr als Brosamen. »Zwei Jahre für Beschäftigte, die mindestens 20 Jahre sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben«, heißt es zur Verlängerung von ALG I, und drei Jahre für Menschen, die 55 Jahre alt sind und mindestens 25 Jahre gearbeitet haben. Am Kern der Hartz-Gesetze, den Zumutbarkeits- und Sanktionsregeln im ALG II, gehen diese Forderungen allerdings komplett vorbei. Und auch beim Thema Mindestlohn, den die AfD bekanntlich erst nach deutlichem Protest der Basis zaghaft fordert, bestehen AidA auf »Qualifikation vor Monetarisierung«. Nicht ein festgeschriebener, gesetzlich definierter Mindestlohn sei das Kriterium, lautet es im Arbeitspapier oder 2016 auf Facebook, »nein, die AfD fordert sicherlich nichts, nur weil es aktuell hipp ist oder eine Mehrheit hat«.

Mehr Schein als Sein
Erfreulich an dieser Entwicklung ist nur, dass die braune Vorhut der ArbeiterInnenklasse bisher organisatorisch äußerst schwach aufgestellt ist. Neben einem wenig aktiven Landesverband in Hamburg existiert noch ein eher virtuell auftretender in Baden-Württemberg. Gelegentlich reisen die langjährigen Kader Waldheim und Buck auch zu Vorträgen und Wahlkämpfen in andere Gegenden Deutschlands. Innerparteilich konnten sich AidA bisher nicht gegen die – noch – neoliberaler ausgerichtete Führungsspitze der AfD durchsetzen. Anträge für eine sozialer ausgerichtete Programmatik scheiterten bisher bei Bundesparteitagen. Ein im Größenwahn für 2.000 TeilnehmerInnen angemeldeter Aufmarsch zum 1. Mai 2017 in Hamburg wurde nach drohender Gegenmobilisierung wieder abgesagt. Einen weiteren Versuch unter dem Titel »Aufbruch 2017 – Solidarität & Gerechtigkeit«, mit dem AidA kurz vor der Bundestagswahl »Deutschland rocken« wollten, sagten die tapferen Kämpfer schon nach einer telefonischen Nachfrage wieder ab. Zum Glück sind eben immer noch sehr viele Menschen lieber rot als blau.