»Christen in der AfD«

von Lucius Teidelbaum
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018

Magazin der rechte rand Ausgabe 170
Beatrix von Storch
© Mark Mühlhaus/attenzione

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) war von Anfang an als Partei mit einem rechtsklerikalen Flügeln konzipiert. Gegründet wurde sie im Februar 2013 im Gemeindesaal der »Christuskirche« in Oberursel. Seit Anfang an engagierte sich in ihr der »Pforzheimer Kreis« für eine christliche Ausrichtung der Partei. 2014 gründete sich aus diesem Kreis – zuerst als lockerer Zusammenschluss, später als feste Struktur – die »Bundesvereinigung Christen in der AfD« (ChrAfD). Die Vereinigung ist überkonfessionell und hat nach eigenen Angaben zwar nur 130 Mitglieder, darunter aber hochrangige AfD-FunktionärInnen. Vor der Bundestagswahl im September 2017 warb die Vereinigung für neun KandidatInnen der Partei, drei von ihnen schafften es dann auch ins Parlament: Beatrix von Storch (Berlin), Volker Münz (Göppingen, Baden-Württemberg) und Ulrich Oehme (Chemnitz, Sachsen). Rund 60 Prozent der Vereinigung sind Katholiken, die anderen gehören zu evangelischen Landeskirchen oder Freikirchen. Sprecher ist seit Mai 2017 Wolfgang-Christian Fuchs aus Berlin.

»Gegenpol zu den herrschen Kräften«
Zur Bundestagswahl 2017 warb der »Regionalverband Süd (Bayern und Baden-Württemberg)« mit dem Flyer »Christliche Werte in den Bundestag« für die AfD. Darin hieß es, man stehe für den »Erhalt christlicher Werte«, die »traditionelle Familie« und »ideologiefreie Schulen« sowie gegen »Missbrauch der Religionsfreiheit«, die »Geringschätzung von Ehe und Familie« und »Frühsexualisierung und Abtreibung«. In der Satzung heißt es, die Bundesvereinigung habe das »Ziel, eine christlich-konservative Politik entsprechend der biblischen Ethik in unsere Gesellschaft und Politik hineinzutragen, insbesondere in den Bereichen Gesellschafts- und Sozialpolitik, Familienpolitik und Lebensschutz. Sie bildet einen Gegenpol zu den derzeit herrschenden Kräften der gesellschaftlichen Beliebigkeit.« Für christliche Rechte ist die AfD somit ein Instrument zur Umsetzung einer christlich-reaktionären Agenda.

Spende an die NPD
Zusammen mit dem Parteiaustritt von Frauke Petry kam den »Christen in der AfD« auch ihre bisherige Bundessprecherin Anette Schultner (Hameln, Niedersachsen) abhanden. Sie trat im Oktober 2017 aus, angeblich aufgrund des Rechtskurses der Partei. Allerdings war Schultner zuvor selbst Mitglied des rechten Flügels, der »Patriotischen Plattform«. Ebenso verließ Hubertus von Below (Grimma, Sachsen) die AfD. Er war zeitweise Sprecher des ChrAfD-Regionalverbands Mitteldeutschland. Und für einen Skandal sorgte Hardi Helmut Schumny (Blaustein, Baden-Württemberg), Schatzmeister der Bundesvereinigung. Der Burschenschafter hatte laut einem Bericht der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« 2009 der NPD im Saarland 40 Euro gespendet. Die ChrAfD stellte sich hinter ihn: »Herr Schumny hat bekannt und wir Christen vergeben ihm.«

»Keine Werte mehr«
Wichtigste Vertreterin des rechtsklerikalen AfD-Flügels ist die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. Im Interview mit der katholischen Gruppe »Kinder in Gefahr« sagte sie im September 2013: »Ich stehe feste auf dem Fundament des christlichen Glaubens. Der Glaube gibt mir Halt und Orientierung in einer Zeit, die immer beliebiger wird, die keine Werte mehr kennt und die selbst die Natur in Frage stellt.« Nicht von ungefähr war von Storch als Europaabgeordnete in den Jahren 2014 bis 2016 Mitglied des »European Christian Political Movement« (ECPM). Dort sammeln sich fraktionsübergreifend christlich-konservative bis fundamentalistische Abgeordnete. Nach von Storchs Bejahung des Einsatzes von Schusswaffen an der Grenze gegen Frauen und Kinder wurde sie ausgeschlossen.

Christliche Wahlalternative?
Eigentlich verfügen christliche Rechte mit dem »Bündnis C – Christen für Deutschland«, der Nachfolgerin der »Partei Bibeltreuer Christen« (PBC) und »Arbeit, Umwelt, Familie – Christen für Deutschland« (AUF), über eine eigene Wahlpartei. Hinzu kommen die katholischen Kleinstparteien »Christliche Mitte« und »Zentrumspartei«. Andere WählerInnen aus diesem Spektrum geben ihre Stimme weiterhin der CDU/CSU, wo bis heute ein rechtsklerikaler Flügel existiert. Doch viele christliche Rechte sind vom Kurs der CDU unter Angela Merkel enttäuscht, zum Beispiel von der »Ehe für alle«, oder sind von der Erfolglosigkeit christlicher Kleinstparteien frustriert. Hier findet die AfD ein unausgeschöpftes Potenzial.
In evangelikalen Kreisen weiß man um die Attraktivität der AfD. So saß auf einem Podium der »Allianzkonferenz« der evangelikalen Dachorganisation »Deutsche Evangelische Allianz« (DEA) in Bad Blankenburg (Thüringen) am 23. Juli 2017 neben vier CDU-Vertretern auch die AfD-Landtagsabgeordnete Corinna Herold. Offenbar wird im organisierten Evangelikalismus die Partei als Alternative zur Union wahrgenommen. Auch FunktionärInnen christlicher Kleinstparteien sind zur AfD gewechselt, zum Beispiel der heutige Landtagsabgeordnete Daniel Rottmann (Baden-Württemberg), der zuvor in der PBC und AUF aktiv war, oder der frühere Generalsekretär der PBC, Heiko Evermann (Schleswig-Holstein).

Liebesbekundungen an die Kirchen
Die ChrAfD bereichert die AfD um eine Strömung, die gezielt um Stimmen wirbt – und sie nimmt Einfluss auf den Kurs der Partei. Allerdings ist sie nur eine kleine Strömung. Trotz Unterschieden ist das Bündnis der christlichen Rechten mit anderen Rechtsaußen in der AfD inhaltlicher Art. Das führte auch dazu, dass das Agieren von US-Präsident Donald Trump auf der ChrAfD-Facebook-Seite bejubelt wurde, obwohl er auch gegen christlich-konservative Postionen verstößt: »Präsident Trump setzt bedeutendes Zeichen für das Lebensrecht!« Zu den beiden großen Kirchen pflegt die AfD ein ambivalentes Verhältnis. Kirchenasyl oder Flüchtlingsunterstützung werden verteufelt. Doch zugleich wirbt man immer wieder um die Gunst der Kirchen. Diese Liebesbekundungen werden von den Hierarchien der großen Kirchen derzeit noch abgelehnt.

Vom Autor erschien im März 2018 im »Unrast Verlag« das Buch »Die christliche Rechte in Deutschland. Strukturen, Feindbilder, Allianzen«. www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/die-christliche-rechte-in-deutschland-detail