Nachwuchs aus den Universitäten

von Sara Entzberg
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018

Hochschulgruppen der »Alternative für Deutschland« haben an den Universitäten bisher keine politischen Erfolge zu verbuchen. Während die Feindbilder Feminismus und linke Studierendenvertretungen weiter geschärft werden, arbeitet die Partei an Wichtigerem: der Mitgliederrekrutierung von den Burschenschaften bis zur »Identitären Bewegung«.

Seit 2013 hat die »Alternative für Deutschland« (AfD) nicht nur einen rasanten Aufstieg zur drittstärksten Fraktion im Bundestag geschafft. Auch ihre Parteijugend »Junge Alternative« (JA) hat sich bundesweit flächendeckend einen Namen gemacht, nicht zuletzt durch ihre Nähe zur »Identitären Bewegung« (IB). Schon kurz nach der Parteigründung entstanden AfD-Hochschulgruppen, die aber kaum Erfolge zu verbuchen haben (s. drr Nr. 162). Zwischen April 2013 und Dezember 2016 wurden an 26 Standorten solche Studierendenvereinigungen gegründet. Die meisten von ihnen sind nicht mehr aktiv; eine aktuelle Internetpräsenz betreiben lediglich die Ableger in Erfurt, Düsseldorf, Frankfurt, Göttingen und Paderborn. Bisher konnten sie nur vier Mandate in Studierendenparlamenten gewinnen: David Eckert in Düsseldorf (2015 und 2016), Marius Dilli in Kassel (2016) und eine namentlich nicht bekannte Person an der Fernuniversität Hagen (2017). Hinzu kommt ein Sitz für den »Bund Freiheitlicher Studenten« in Kiel, der aus mehreren AfD-Mitgliedern besteht. Nur sieben Gruppen traten jemals zu Hochschulwahlen an. Die Einrichtung eines bundesweiten Dachverbandes, wie er bei anderen parteinahen Hochschulgruppen besteht, wurde zwar 2016 angekündigt, blieb jedoch aus.

Dabei sind die Universitäten für die AfD ein wichtiges ideologisches Feld. Analog zum burschenschaftlichen Selbstverständnis sieht sie in ihnen prestigeträchtige, altehrwürdige Institutionen, die eine künftige deutsche Elite hervorbringen sollen. So fragt sich die »Campus Alternative Bayern«, »wie wir als ‹Bildungselite› unserer besonderen Verantwortung nicht nur für unser Studium, sondern für unsere Universität und damit für Volk und Vaterland, gerecht werden können«. Aber auch aus einem ganz praktischen Grund ist dieser Bereich für die AfD interessant. Er kann als Rekrutierungspool für zukünftige MitarbeiterInnen genutzt werden, denn das Engagement bringt Erfahrungen in Wahlkampf, Öffentlichkeitsarbeit, Bürokratie und Parlamentarismus. Damit fungiert die Hochschulpolitik als Zwischenschritt vom studentischen Verbindungsmilieu in die Parteipolitik und macht die AfD-Gruppen auch für Burschenschaften attraktiv (s. drr Nr. 167).

In Österreich hat sich die akademische Rechte als wichtigstes Standbein der parlamentarischen Rechten etabliert, wie die ideologischen und personellen Überschneidungen von »Freiheitlicher Partei Österreichs« (FPÖ) und Burschenschaften zeigen (siehe Seite 4). Aufgrund ihrer hohen Akzeptanz in der FPÖ und der weiterhin linken Mehrheit an österreichischen Hochschulen läuft die Mitgliederrekrutierung allerdings auf direktem Wege und weniger über Hochschulgruppen der Partei.

Antifeministen für die Meinungsfreiheit
Nicht alle AfD-Hochschulgruppen beziehen sich auf die Universitäten, einige fungieren allenfalls als erweiterte Präsenz der jeweiligen JA. Wo sie sich tatsächlich auf hochschulpolitische Strukturen und Themen einlassen, erklären sie, wie die AfD selbst, »die Etablierten« zum Feindbild. An den Universitäten sehen sie diese in den gewählten Studierendenvertretungen beziehungsweise Allgemeinen Studierendenausschüssen (AStA) und den linken Hochschulgruppen, die bei den Wahlen die Mehrheit der Listen stellen. Die »Campus Alternative Düsseldorf« verbreitet ein Bild, auf dem David Eckert erklärt: »Wofür steht der AStA? Nach unserer bisherigen parlamentarischen Erfahrung vor allem für folgendes: Verschwendung – Gender-Mist – Unnötige Referate – Links-Ideologie«. Die Göttinger JA-Hochschulgruppe um den Rechtsaußen Lars Steinke (s. drr Nr. 169) hetzt via Facebook vor allem gegen »die Antifa«. Aus der Verortung der universitären Linken als Hauptfeind ergeben sich zwei inhaltliche Schwerpunkte: Antifeminismus und der vermeintliche Kampf für Meinungsfreiheit.

Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit an den Universitäten von größerer Bedeutung. Es existieren Programme zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, häufig gibt es Lehrstühle für Gender Studies und interdisziplinäre Lehrveranstaltungen zum Thema. In Studierendenparlamenten werden nach Geschlecht quotierte Redelisten geführt, Frauen-, Feminismus- oder Queer-Referate betrieben und es wird Wert auf geschlechtergerechte Sprache gelegt. Die AfD-Hochschulgruppen negieren die Existenz des Patriarchats und damit die Notwendigkeit von Feminismus – ein Leitmotiv innerhalb der gesamten Rechten. Deshalb lehnen sie Frauenförderung oder Aufklärung über sexuelle Vielfalt als »Ideologie« und »Geldverschwendung« ab. In einer feministischen Agenda sehen die AfD-Hochschulgruppen, auch wegen ihres auffällig geringen Frauenanteils, ein Hindernis für ihren politischen Erfolg und eine Bedrohung für ihre Männlichkeit.

Bedroht sehen sie sich auch beim Thema Meinungsfreiheit. Die »Campus Alternative Bayern« schreibt: »Zuvorderst ist die Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Schutzgüter, denn ohne sie ist ein demokratischer Diskurs, im Rahmen dessen sich die beste Meinung durchsetzen wird, schlechterdings undenkbar.« Somit geben sie sich als Retter des freien Denkens und Redens, ganz so als wäre es ihnen genommen, einen politischen Standpunkt zu vertreten. Hinter dieser Suggestion steht etwas anderes: Sie gerieren sich als Opfer, wollen wie die AfD Diskursmacht erlangen und die demokratische Meinungsbildung nach rechts polarisieren und popularisieren.
Passend dazu wurden mehrere Anträge im Rahmen einer »Transparenzoffensive« eingebracht. Ein Versuch, linke Studierendenvertretungen zu delegitimieren. Im Namen der Meinungsfreiheit, und nicht zuletzt aufgrund der personellen Überschneidungen und Sympathien, wird für Studentenverbindungen Partei ergriffen und eine höhere Präsenz an den Hochschulen gefordert, beispielsweise mit einem »Korporationsreferat« in Düsseldorf.

Mit den Studentenverbindungen haben die Hochschulgruppen noch etwas gemeinsam: Den autoritären Wunsch nach einem deutschen Nationalismus. In Düsseldorf wurde eine Deutschlandfahne auf dem Universitätsgelände gefordert und die »Campus Alternative Passau« beschreibt sich selbst als »ein Bündnis völkisch denkender und patriotisch gesinnter Studenten«. Letztere wird offiziell von Andreas Meißner geführt, der bis 2016 Vorstandsmitglied der JA Bayern war.
Dem Feminismus – ihrem Sinnbild für die linke Dominanz – werden die traditionellen Werte und Strukturen der Burschenschaften und der Bezug auf ein deutsches Kollektiv entgegengestellt. Die AfD-Hochschulgruppen wären gerne diese autoritär durchgreifende Instanz. Gleichzeitig sind sie sich jedoch bewusst, dass sie sich in den Universitäten auf dünnem Eis bewegen. Die besonders streitbaren Forderungen der AfD, wie beispielsweise eine Reform des Geschichtsunterrichts, der »identitätsstiftend« wirken und Deutschland als »selbstbewusste Kulturnation« vermitteln soll, werden trotz des leicht zu spannenden Bogens zur Hochschulpolitik gemieden. Die Hochschulgruppen schweigen zu Nationalsozialismus und Geschichtsrevisionismus. In seltenen Fällen thematisieren sie bekannte Themen, indem sie sich gegen Anwesenheitspflicht, eine Zivilklausel oder gegen ein Solidarmodell des Semestertickets aussprechen. Da die Hochschulgruppen aber meist nicht zur Wahl antreten, haben nur wenige von ihnen – Düsseldorf, Bonn und Kiel – ein einsehbares Wahlprogramm.

Mitgliederrekrutierung und öffentliche Präsenz
Generell ist den AfD-Hochschulgruppen weniger an der Hochschulpolitik, denn an der Hochschule als Betätigungsfeld selbst gelegen. Hier können sie ein Verbindungselement zwischen verschiedenen Rechten, vor allem zu Burschenschaften und der IB, darstellen. Das kann aber auch zu Problemen führen. In Düsseldorf verhüllten im Mai 2016 Mitglieder der Hochschulgruppe eine Statue Heinrich Heines mit einer Burka und brachten ein Schild mit der Aufschrift »Bildungsbombe« an. Dass die Aktion eher an die »Identitären« erinnert, liegt auch daran, dass mit John David Haase ein Gründungsmitglied der IB Teil der Hochschulgruppe ist. Die Aktion kam bei der AfD weniger gut an, denn kurz darauf verkündete die Gruppe eine Umbenennung von »AfD an der HHU« in »Campus Alternative Düsseldorf«. Dazu erklärten sie, dieser Schritt wurde unternommen, um »für unsere teilweise durchaus provokanten Aktionen nicht die gesamte AfD in Mithaftung [zu] nehmen.«
Nach dem Wahlerfolg der Partei bei der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres gab es keine offiziellen Statements ihrer Hochschulgruppen. Wenngleich sich einige vorher im Wahlkampf immerhin auf die lokalen Direktkandidaten bezogen hatten, verwundert die mangelnde Präsenz des erfolgreichen Wahlergebnisses. Dies spricht dafür, dass zahlreiche Gruppen ihre Aktivitäten größtenteils eingestellt haben, zumal diese Gruppen aufgrund des fehlenden Dachverbandes oftmals auf erfahrene und gut vernetzte Führungsfiguren angewiesen sind.
Da es in den meisten Fällen weder darum geht, die Hochschulen mit konstruktiven Vorschlägen zu verändern, noch darum, das AfD-Parteiprogramm durchzusetzen, bezwecken die Hochschulgruppen einerseits Mitgliederrekrutierung; andererseits wollen sie Präsenz zeigen und den öffentlichen Raum einnehmen.

In Halle an der Saale nutzt die AfD dafür die Nähe zur IB, ganz ohne eigene Vertretung an der Universität. Stattdessen avancierte die IB im vergangenen Jahr zur inoffiziellen extrem rechten Hochschulgruppe. Das im Sommer 2017 eröffnete Haus der »Identitären« in direkter Nähe zum Campus bietet neu-rechten Studierenden die Möglichkeit, ihren Intellektuellenhabitus mit Propaganda und militanten Aktionen zu verbinden. Der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider betreibt im Haus ein Wahlkreisbüro. Auch das »Institut für Staatspolitik« (IfS) und die Initiative »Ein Prozent« unterstützen das Projekt. Ähnlich wie in Göttingen ist in Halle ein Verschmelzen von AfD und militanter Neonazi-Szene zu beobachten. Am 13. November durchsuchte die Polizei das Haus, nachdem am 12. Juni in der Mensa Studierende von IB-Mitgliedern mit Pfefferspray, Quarzsandhandschuhen und einem Messer bedroht wurden. Genau eine Woche nach der Razzia kam es zum nächsten Angriff: Zwei Männer stürmten mit Baseballschlägern, Schutzschilden und Helmen aus dem Haus und attackierten zwei Zivilbeamte mit Pfefferspray, weil sie diese für Linke hielten. Laut Medienberichten ließen die »Identitären« erst von den Polizisten ab, als diese ihre Dienstwaffen zogen.

Magazin der rechte Rnd Ausgabe 170

Hans-Thomas Tillschneider (AfD) umgibt sich gern mit jungen Faschisten der »Identitären Bewegung« wie hier auf der Buchmesse in Leipzig
© Mark Mühlhaus / attenzione

Hochschulpolitische Erfolge gab es für die AfD-nahen Gruppen aber weder in der Vergangenheit, noch sind sie in naher Zukunft in Aussicht. Die Mitgliederrekrutierung hat dennoch funktioniert. David Eckert, Gründer der AfD-Hochschulgruppe Düsseldorf, verließ im Mai 2017 die Universität, war Direktkandidat der AfD in Düsseldorf und wurde im Dezember 2017 in den Vorstand der JA Berlin gewählt. Kurze Zeit später musste er gemeinsam mit anderen Vorstandsmitgliedern zurücktreten. Ihnen wurde eine zu große Nähe zur IB vorgeworfen.