kurz und bündig Ausgabe 169


Magazin "der rechte rand" Ausgabe 169 - November 2017

»Europäische Aktion« aufgelöst
Verden. Am 25. September hat die geschichtsrevisionistische Organisation »Europäische Aktion« (EA) offiziell ihre Auflösung bekannt gegeben. Bereits am 10. Juni hatte der »Gebietsleiter« in Thüringen Axel Schlimper zusammen mit Thorsten Heise (NPD) dies bekannt gegeben, wie der »Landesleiter« Deutschland Rigolf Hennig nun bestätigte. Die EA (s. drr Nr. 144) hatte sich 2010 gegründet, nachdem die Vereine »Collegium Humanum«, »Bauernhilfe« und »Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« (VRBHV) durch den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten worden waren. Die dort organisierten Holocaust-LeugnerInnen fanden sich so wieder zusammen. Als SprecherInnen fungierten Bernhard Schaub, Rigolf Hennig und Ursula Haverbeck-Wetzel, Schatzmeister war Arnold Höfs. Im Mittelpunkt standen die sogenannten »Sieben Ziele«: »Wiederherstellung der freien Rede«, »Abzug aller fremden Truppen«, »Repatriierung außereuropäischer Einwanderer«, »Staatliche Selbstbestimmung für die Deutschen der BRD und der BRÖ«, »Schaffung einer europäischen Eidgenossenschaft«, »Überführung des Geld- und Medienwesens ins Volkseigentum« und »Wiederaufbau der Tradition – Kampf der Dekadenz und Naturzerstörung«. Besonderes Anliegen der Beteiligten war die Abschaffung des §130 StGB, der Volksverhetzung und die Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen unter Strafe stellt. Als Grund für die Auflösung wurde angegeben, die »Verbreitung der sieben Ziele« sei so weit vorangeschritten, dass es der Organisation nicht mehr bedürfe. Möglich ist auch, dass mit der Selbstauflösung einem drohenden Verbotsverfahren zuvorgekommen werden sollte. Ende Juni hatten Razzien in 14 Objekten von Mitgliedern der EA stattgefunden, gegen 13 Personen soll wegen der Organisation von Wehrsport-Übungen ermittelt werden.

600 Neonazis bei Kampfsport-Event
Kirchhunden. Am 14. Oktober hat in der Kleinstadt Kirchhunden im Kreis Olpe das extrem rechte Kampfsport-Event »Kampf der Nibelungen« stattgefunden. Etwa 600 Neonazis aus Deutschland und dem benachbarten Ausland nahmen an der Box- und Mixed Martial Arts-Veranstaltung teil. Der Vermieter der Halle, ein örtlicher Schützenverein, war nach eigenen Angaben über den Hintergrund der Anmietung getäuscht worden. Der Vorstand hatte einen Vertrag mit einer Privatperson aus Dortmund geschlossen, die angab, lediglich eine »vereinsinterne Meisterschaft von jungen Boxern« zu planen, zu der Freunde und Familienangehörige kämen. Die Polizei in Olpe hatte erst wenige Stunden zuvor von der Box-Veranstaltung erfahren und war mit etwa 500 Beamten aus Nordrhein-Westfalen und Hessen vor Ort. Sie überprüften Fahrzeuge und Personen, vermeldeten aber »keine Zwischenfälle«. Der »Kampf der Nibelungen« findet einmal im Jahr an wechselnden Orten statt und gilt als das größte Kampfsport-Event der rechten Szene in Deutschland. Sponsoren sind extrem rechte Modemarken wie »Sport Frei« oder »Greifvogel Wear«. Die TeilnehmerInnen rekrutieren sich aus den Reihen extrem rechter Organisationen wie »Blood & Honour«, »Hammerskins«, aber auch aus Parteien wie »Die Rechte« und die »Jungen Nationaldemokraten«. Der »Kampf der Nibelungen« fand zum fünften Mal statt.

Mal wieder aufs Dach gestiegen
Cottbus. Am 20. Oktober sind Mitglieder der »Identitären Bewegung« (IB) auf das Haus der Stadthalle in Cottbus gestiegen und haben ein Transparent mit der Aufschrift »Grenzen schützen – Leben retten« angebracht. Sie waren mit Hilfe einer Hebebühne auf das Dach gelangt. Die Polizei ermittelt nun gegen sechs Personen zwischen 21 und 28 Jahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Die Besitzer des Gebäudes stellten zudem Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Weil kein Grund zur Festnahme bestand, konnten die »Identitären« nach der Personalienkontrolle ihrer Wege ziehen. In der Wohnung des »Regionalleiters« Berlin-Brandenburg, Robert Timm, hatte noch im August eine Razzia stattgefunden, während er mit dem von der IB angemieteten Schiff »C-Star« auf dem Mittelmeer unterwegs war. Dabei ging es ebenfalls um einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz – die Ortsgruppe hatte bei einer Aktion Pfefferspray an Frauen verteilt.

»Rock gegen Links« in Themar
Themar. Am 28. Oktober hat in der südthüringischen Kleinstadt Themar im Kreis Hildburghausen das dritte RechtsRock-Open-Air-Konzert binnen weniger Monate stattgefunden. Veranstalter ist der NPD-Funktionär, Betreiber eines rechten Musiklabels sowie Geschäftsführer der extrem rechten Modemarke »Ansgar Aryan«, Patrick Schröder. Knapp über 1.000 Neonazis waren zu der Veranstaltung unter dem Motto »Rock gegen Links« angereist, um extrem rechte Bands wie »Kategorie C«, »Fortress« oder »Oidoxie« zu hören. Angemeldet war das Neonazi-Festival als politische Veranstaltung, um polizeiliche Auflagen zu umgehen. Als Moderator fungierte Axel Schlimper von der inzwischen aufgelösten »Europäischen Aktion«, als Redner trat unter anderen der frühere NPD-Landesvorsitzende Berlin, Sebastian Schmidtke auf. Schmidtke kritisierte Verurteilungen der Holocaust-LeugnerInnen Horst Mahler und Ursula Haverbeck-Wetzel. Die Polizei vermeldete im Verlauf des Tages 17 Straftaten, darunter in fünf Fällen die Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen, in zwei Fällen Widerstandshandlungen und eine Körperverletzung. Etwa 150 Menschen protestierten unter dem Motto »Superhelden gegen Nazis« gegen die Zusammenkunft, weitere 90 nahmen an einem Friedensgebet teil. Aus den Kreisen der Organisatoren wird anscheinend überlegt, im kommenden Jahr ein mehrtägiges Festival zu veranstalten.

Prozess gegen Neonazi-Radiomacher
Halle. Vor dem Amtsgericht Halle wird voraussichtlich Mitte November der Prozess gegen die Betreiber des extrem rechten Internet-Radiosenders »Volk und Heimat« eröffnet. Der ehemalige Administrator der Internetseite, ein 31-jähriger Neonazi aus Braunsbedra ist in 17 Fällen wegen Volksverhetzung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Das Radioprogramm bestand aus extrem rechten Wort- und Musikbeiträgen, in denen zu Hass und Gewalttaten gegen MigrantInnen, JüdInnen und People of Colour aufgerufen sowie den Nationalsozialismus verherrlicht wurde. Das Radio war über Ländergrenzen hinweg organisiert und soll bis zu 65.000 HörerInnen erreicht haben. Verantwortlich sollen neun weitere Personen sein, gegen die die Ermittlungen inzwischen eingestellt wurden. Bereits 2012 wurden in diesem Zusammenhang Wohnungen und Häuser von Verdächtigen in Braunsbedra, Lüdenscheid, Chemnitz sowie in weiteren Orten in Deutschland und der Schweiz durchsucht. Warum es erst jetzt zum Prozess kommt, ist unklar.

Aufmarsch in Kiew
Kiew/Ukraine. Am 14. Oktober sind bis zu 20.000 FaschistInnen anlässlich des 75. Jahrestags der Gründung der »Ukrainischen Aufstandsarmee« (UPA) durch Kiew marschiert – unter ihnen auch Mitglieder der Partei »Der III. Weg«. Zu dem landesweiten Marsch hatten die Parteien »Swoboda« (»Freiheit«), »Prawy Sektor« (»Rechter Sektor«) und »Nazionalny Korpus« (»Nationalkorps«) aufgerufen. Seit 2015 ist der 14. Oktober der »Tag des Vaterlandsverteidigers« ein Feiertag. Die während der Besetzung der Ukraine durch Nazi-Deutschland gegründete UPA kämpfte bis in die frühen 1950er Jahre gegen die Sowjetunion. In der heutigen Ukraine dient die Erinnerung an die UPA dem Kampf gegen von Russland unterstützte und ausgerüstete Separatisten-Verbände in der Ostukraine.

Rechter Wahlsieg in Tschechien
Prag/Tschechien. Am 20. und 21. Oktober haben in Tschechien die Parlamentswahlen stattgefunden. Insgesamt werden neun Parteien im Parlament vertreten sein. Die als »populistische Protestpartei« bezeichnete »Politické hnutí ANO 2011« (ANO) unter Führung des Milliardärs Andrej Babis wurde stärkste Kraft. Sie bekam 29,7 Prozent der WählerInnenstimmen und damit 78 von 200 Sitzen im Parlament. Babis gilt als »tschechischer Trump« und sprach sich im Wahlkampf vor allem gegen Europa und Einwanderung aus. Seine parlamentarische Immunität wurde im September aufgehoben, weil wegen Betrugsverdachts gegen ihn ermittelt wird. Auch andere europaskeptische und immigrationsfeindliche Parteien ziehen ins neue Parlamant ein: Zweitstärkste Partei mit 11,3 Prozent wurde die rechte und europaskeptische ODS, die extrem rechte SPD kam auf 10,8 Prozent. Deren Vorsitzender Tomio Okamura kündigte nach der Wahl eine »Null-Toleranz-Politik bei der Migration« an und setzte sich zum Ziel, »jede Islamisierung der Tschechischen Republik zu stoppen«. Im Wahlkampf hatte er bereits den Austritt aus der EU thematisiert und gegen Sinti und Roma gehetzt. Mit einer Regierung unter der Führung von Babis scheint eine weitere Annäherung an die EU-Länder Ungarn, Polen und die Slowakei wahrscheinlich, die ebenfalls eine Abwendung von der EU vorantreiben und die Aufnahme von Geflüchteten verweigern.

Antisemitische Fußball-Fans
Rom/Italien. Am 22. Oktober wurden im Olympiastadion in Rom Aufkleber entdeckt, die Anne Frank in einem Trikot des Fußballvereins AS Rom zeigen und mit antisemitischen Parolen versehen waren. Verantwortlich dafür ist die extrem rechte Fan-Gruppe »Irriducibili« (»Unbeugsame«) des konkurrierenden Vereins Lazio Rom. Lazio reagierte auf den Vorfall mit einer Gedenkaktion vor dem Spiel am 25. Oktober in Bologna: Es wurden Passagen aus dem Tagebuch der Anne Frank verlesen und eine Schweigeminute abgehalten. Währenddessen störten die extrem rechten Fans mit faschistischen Parolen. Inzwischen haben 13 Mitglieder der Fan-Gruppe mehrjähriges landesweites Stadionverbot erhalten. In der italienischen Serie A gibt es immer wieder Probleme mit extrem rechten Ultra-Gruppen, etwa durch antisemitische Sprechchöre oder das Zeigen des Faschistischen-/Hitlergrußes im Stadion. Etwa 8.000 extrem rechte Fußball-Fans sollen in diesen Gruppen organisiert sein.

Brutale Morde an Obdachlosen
Moskau/Russland. Am 25. Oktober sind fünf Mitglieder einer Moskauer Neonazi-Gruppe wegen Mordes in 14 Fällen zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Neonazis im Alter zwischen 23 und 27 Jahren waren zwischen Juli 2014 und Februar 2015 nachts in abgelegenen Bezirken auf »Menschenjagd« gegangen. Die meisten ihrer Opfer waren Obdachlose beziehungsweise Menschen, die sie dafür hielten. Das Vorgehen war immer äußerst brutal: Sie stürzten sich auf die oft schlafenden Personen, stachen hunderte Male auf sie ein oder zertrümmerten den Schädel mit Hämmern. In mehreren Fällen verstümmelten oder zerstückelten sie die Toten im Anschluss. Auf dem Computer der Angeklagten Elena Lobacheva fanden Ermittler Fotos der aufgeschnittenen Getöteten. Der Hauptangeklagte Pavel Voijtov versuchte im Gerichtssaal trotz gefesselter Hände mehrmals den Hitlergruß zu zeigen und gab an, seine Opfer als »biologischen Abfall« zu betrachten. Die Gruppe hatte sich zuvor online in einer Gruppe mit dem Namen »Time to hate« organisiert, in der sie über die »Säuberung der weißen Rasse« schrieben und offen brutalste Gewalt verherrlichten. In den russischen Neonazi-Foren haben sich bereits UnterstützerInnen zusammengefunden. In Russland starben seit Beginn dieses Jahres bereits mindestens 19 Menschen durch Gewalt von Neonazis. Obdachlose sind immer wieder Ziel der Gewalt.

Aufmarsch in Warschau
Warschau/Polen. Am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, marschierten bis zu 60.000 TeilnehmerInnen unter dem Motto »Wir wollen Gott« durch die polnische Hauptstadt. Zu dem Aufmarsch anlässlich des 99. Jahrestags hatten rechte Parteien und Organisation aufgerufen. Die Veranstaltung richtete sich gegen die »Islamisierung Europas«, von den TeilnehmerInnen wurden rassistische (»Weißes Europa«, »Reines Blut«) und Anti-LGBT-Banner getragen. In Interviews äußerten sich TeilnehmerInnen auch antisemitisch. An dem Aufmarsch nahmen FaschistInnen aus Ungarn, Ukraine und West-Europa teil. Der ursprünglich eingeladene US-amerikanische Neonazi Richard Spencer (»The National Policy Institute«) durfte nicht einreisen. Aber eine Verurteilung des Aufmarsches und der dort zur Schau getragenen Parolen durch die polnische Regierung blieb aus.