Der Antifeminismus der »Jungen Alternative« und »Identitären«

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020

#Nachwuchs

Antifa Magazin der rechte rand
Selbstdarstellung im Netz © Screenshot bei @derrechterand

Antifeminismus gehört seit über 100 Jahren zur politischen DNA der extremen Rechten. Jede neue Organisation und Generation beweist das aufs Neue. Er ist dabei im rechten Untergangs- und Dekadenzdiskurs fest verwurzelt. »Der« Feminismus beziehungsweise die auf ihn zurückgeführten Frauenrechte werden für die Auflösung der »natürlichen Geschlechterordnung« und damit auch der Gesellschaftsordnung verantwortlich gemacht. Gleichzeitig wird versucht Feminist*innen die Ernsthaftigkeit bei ihrem Einsatz für Frauenrechte abzusprechen. So heißt es heute von rechts, statt »Gendergedöns« müsse man sich um die Bedrohung durch den »fremden Mann« beziehungsweise die Einwanderung kümmern. Besonders seit 2015 findet eine starke Ethnisierung von Sexismus statt.


Die überwiegend männlichen »Identitären« und/oder Mitglieder des Nachwuchses der »Alternative für Deutschland« (AfD), »Junge Alternative« (JA), – trotz des formalen Abgrenzungsbeschlusses waren und sind die Übergänge fließend – verstehen sich nicht selten selbst als Krieger. Bei der selbst ernannten »Identitären Bewegung« (IB) gibt es einen starken historischen Bezug auf männliche Soldaten, von den Spartanern über die Kreuzritter bis hinein in das 17. Jahrhundert. Diese Betonung einer heroischen und martialischen Männlichkeit als Ideal gerät schnell in Konflikt mit Feminismen, die dieses (Selbst-)Bild hinterfragen.

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© Screenshot bei @derrechterand (Franziska Schreiber ist aus der AfD raus und hat aufgehört sich bei der Jungen Alternative zu engagieren).

»Junge Alternative« für Antifeminismus
Als die JA 2013 an die Öffentlichkeit ging, geschah dies auch in Form einer antifeministischen Kampagne. Der neu gegründete AfD-Nachwuchs startete Ende 2013 unter der Überschrift »Gleichberechtigung statt Gleichmacherei« eine Online-Kampagne in Reaktion auf die JuSo-Kampagne »Ich bin Feminist, weil …«. Die JA schrieb am 14. März 2014 auf Facebook: »Da wir uns ›Vernunft statt Ideologie‹ auf die Fahnen geschrieben haben, konnten wir dies nicht so im Raum stehen lassen. Deshalb zeigt die Junge Alternative Gesicht gegen verstaubte linke Ideologien!«


Die Gegenreaktion bestand darin, dass JA-Mitglieder und ihre Sympathisant*innen mit Schildern auftraten, auf denen sie begründen, warum sie den Feminismus, beziehungsweise das was sie darunter verstehen, ablehnen. Auf den Schildern hieß es etwa: »Ich bin kein Feminist, weil der künstlich geschürte Kampf zwischen den Geschlechtern von den wirklichen Problemen in unserem Land ablenkt!« Verfasst hatte dieses Statement der damalige JA-Vorsitzende Markus Frohnmaier, der heute für die AfD im Bundestag sitzt.


Der Antifeminismus der JA tritt im Gewand des »Familienschutzes« und des Kampfes gegen den »Genderwahn« auf. Im Deutschlandplan des Parteinachwuchses von 2018 heißt es dementsprechend: »Eine genderinspirierte Gleichstellungspolitik, die die durchgehende Vollerwerbstätigkeit beider Eltern als Idealbild anstrebt, lehnen wir ab. Alle Kinder haben das Recht, innerhalb ihrer Familie mit Vater und Mutter aufzuwachsen. Aufgabe der Politik ist es, dafür die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen. Alles, was Familien nicht stärkt, sondern schwächt oder zerstört, wird auf unseren entschiedenen Widerstand stoßen.«

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Selbstdarstellung im Netz © Screenshot bei @derrechterand

»120 Dezibel« und »radikal feminin«
An der Verbindung der Themen Migration und Sexismus versuchte sich die Ende Januar 2018 gegründete »Identitären«-Initiative »120 Dezibel«, die die Politikwissenschaftlerin Judith Goetz als »#MeToo von rechts« bezeichnet. Sich selbst nannten die Aktivistinnen in einem Video eine »Widerstandsinitiative von Frauen für Frauen«. Der Name bezog sich auf den 120 Dezibel lauten Ton, den Frauen mit Taschenalarmen auslösen, um Täter abzuschrecken. Vermutlich auch, um authentisch zu wirken, traten in der Öffentlichkeit nur Frauen auf. Der professionell gemachte Video-Clip »Frauen wehrt euch!« von »120 Dezibel« hatte bis Februar 2020 immerhin über 100.000 Aufrufe. In ihm sprachen Aktivistinnen der »Identitären« und eigneten sich die Identitäten von Opfern sexualisierter Gewalt an (»Ich bin Mia …«), um diese Taten als »Ausländerkriminalität« zu ethnisieren. Neben dieser Internet-Propaganda gab es aber auch direkte Aktionen, zum Beispiel den Podiumssturm einer Debatte zu #MeToo im Rahmen der Berlinale am 19. Februar 2018, wo die Aktivistinnen den Vorwurf äußerten, Gewalt durch Migranten werde verschwiegen. Im Januar 2019 kam »120 Dezibel« dann im Internet zum Stillstand. Grund sollen auch frauenverachtende Äußerungen von männlichen IB-Kadern gewesen sein sowie deren generelles Missfallen. Lisa H., die heute als rechte YouTuberin auftritt und die »Identitären« inzwischen verlassen hat, berichtet im Interview mit dem FPÖ-nahen Attersee-Report im Dezember 2019 über ihre Aktivität bei »120 Dezibel« und das Ende der Kampagne: »120 Dezibel wurde abgedreht. Die Kampagne gefiel der IB-Führung wohl nicht mehr, die Leiterin des Projekts wurde rausgeworfen. Schlussendlich ließ sich niemand finden, der das Ganze übernimmt.« Sie selbst beschrieb sich als Opfer von Anfeindungen ihrer männlichen IB-Kader, denen ihre Rolle als alleinerziehende Mutter und ihr ausländischer Vater missfielen: »Die Jungs erzählten mir aber damals schon, dass man sich lustig über mich machen würde: ‹Nehmen wir jetzt schon Hausfrauen auf?› Mein Vater ist auch kein Deutscher – diesbezüglich wurde mir auch einiges weitergeleitet. Man hätte sich abgesprochen, dass man mich nicht weiter pushen solle, da es genug ›deutsche Mädels‹ gibt, die man in der Öffentlichkeit platzieren könnte.«
Ein weiteres, eher kleineres Projekt nannte sich »radikal feminin«. Es startete im August 2017 und versandete 2018. Als Logo kombinierte man eine Rose mit einer Handgranate.


Eine der beiden maßgeblich für das Projekt auftretenden Personen war die damals in Tübingen ansässige Franziska Annika Stahn, die unter dem Pseudonym »Berit Franziska« agierte. Sie war ebenfalls Mitinitiatorin der Initiative »120 Dezibel« und seit 2016 bei der »IB Schwaben« aktiv. Es entstanden Texte zu traditionellen Frauenrollen oder mit Strickanleitungen, aber auch über die Doppelbelastung von Frauen durch Beruf und unbezahlte Care-Arbeit in den Familien. Allerdings mit der Folgerung, sich auf die traditionelle Rollenverteilung, insbesondere auf die Mutterschaft zu beschränken. Einerseits versuchte »radikal feminin«, nicht zu altbacken zu wirken, um moderne Frauen nicht abzuschrecken: »Wir wollen Frauen bleiben, konservative, traditionelle und vor allem moderne Frauen«. Andererseits wollte man auch nicht »zu« feministisch wirken, sondern sich von der Frauenrechtsbewegung emanzipieren. Feminist*innen wurden daher als »Feminazis« bezeichnet und in einer Selbstvorstellung von »radikal feminin« im Magazin »Info Direkt« 1/2018 führten die Autor*innen ernsthaft »gescheiterte Ehen als Grund für Feminismus« an. Da Mädchen bei ihren alleinerziehenden Müttern aufwachsen würden, lernten sie dort den Hass auf Männer.


Sowohl »radikal feminin« als auch »120 Dezibel« scheiterten nach einem kurzen Medienhype, der sich aber vor allem auf die eigene rechte Szene beschränkte. Dies passierte auch deswegen, weil das Prinzip, durch bestimmte Aktionen Medienaufmerksamkeit zu erringen, zu der Zeit nicht mehr aufging. Die Medien hatten inzwischen dazu gelernt, nicht zuletzt durch eine antifaschistische Kritik am Umgang mit den »Identitären«. Die Rechten hatten zu der Zeit ihre Unschuld als vermeintlich unbelastete Marke schon verloren. Der Versuch »120 Dezibel« als unabhängige Kampagne vorzustellen, missglückte schon zu Beginn.

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Selbstdarstellung im Netz © Screenshot bei @derrechterand

Völkischer Antifeminismus
Antifeminismus gehört fest zum Repertoire von JA und IB und ­wurde immer wieder kampagnenförmig aufgegriffen und richtet sich vor allem gegen progressive feministische Strömungen und Positionen. Allerdings sind diese beiden Akteure nicht die wichtigsten in diesem Themenfeld.
Scheinbar im Widerspruch dazu erscheinen Kampagnen wie »120 Dezibel« und »radikal feminin«. Vertreten rechte Frauen aus dem identitären Umfeld einen »Feminismus von rechts«?


In der lesenswerten Studie »#120Dezibel: Frauenrechte oder Anti­feminismus? Populistische Diskursstrategien der extremen Rechten und Anschlussstellen im politischen Mainstream« wird diese Frage verneint. Die Studie bezeichnet das rechte frauenpolitische Engagement stattdessen folgerichtig als ‹völkischen Antifeminismus›. Diesen Begriff beschreibt die Mitautorin Regina Wamper als Denkweise, in der »Feminismus als elementarer Angriff auf geschlechtliche Identität und/oder Familienstruktur und/oder ­sexuelle Normvorstellungen verstanden wird und dieser ›Angriff‹ als ›volksschädigend‹ begriffen wird«. Zwar lehnen rechte Frauen »den« Feminismus ab, sind aber frauenpolitisch aktiv – dies aber nur so lange, wie es nicht im Widerspruch zu ihrem völkischen ­Natio­nalismus gerät. Deswegen kann von ihnen eine Kritik an Sexismus nur ethnisierend stattfinden.

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