»Die kritische Zivilgesellschaft in den ostdeutschen Bundesländern stärken«
Interview Sascha Schmidt für »der rechte rand« mit Fatma vom Netzwerk Polylux
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Januar / Februar 2020 - online only
Mitte Februar wurde bekannt, dass der Thüringer Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) eine Spende über 100.000 Euro von dem Bauunternehmer Christian Krawinkel erhielt. Fünf Verwandte von Krawinkel, reagierten darauf in ungewöhnlichen Art: Mittels einer Crowdfunding-Aktion wollen sie dem Netzwerk Polylux, das sich finanziell für Vereine, Initiativen und Projekte in Ostdeutschland einsetzt, ebenfalls 100.000 Euro zukommen lassen. Nach gut zwei Wochen ist die anvisierte Summe zusammen gekommen. Darüber, was Polylux grundsätzlich macht – und nun mit dem Geld machen wird – sprach Sascha Schmidt für »der rechte rand« mit Fatma vom Netzwerk Polylux.
drr: Viel ist über die wundervolle Spenden-Aktion der Familie Krawinkel gesprochen worden. Demgegenüber deutlich weniger über euch und die Arbeit eures Netzwerkes. Welche Ziele verfolgt ihr mit eurem Netzwerk und wie arbeitet ihr mit den Projekten, die ihr unterstützt, zusammen?
Fatma: Mit Polylux wollen wir die kritische Zivilgesellschaft in den ostdeutschen Bundesländern stärken. In erster Linie denken wir uns, können wir das erreichen, in dem wir Projekten finanzielle Unterstützung geben. Ganz viele alltägliche Kämpfe stoßen an die Grenzen von Finanzierbarkeit und Lukrativität. Sich immer wieder darum kümmern zu müssen, ob genug Geld an der Abendkasse, an der Bar oder durch Projektförderungen rein kommt, schlaucht und verlagert den eigenen Fokus weg von den politischen Inhalten. Während wir nicht verhindern können, dass Menschen sich mit Nazis auseinandersetzen müssen oder von konservativen Parteien gegängelt werden, können wir daran sehr wohl etwas ändern.
Darüber hinaus wollen wir Solidarität vielfältig machen. Beim obligatorischen Euro wollen wir nicht stehen bleiben. Das Netzwerk kann eine Stimme sein, für Menschen, Gruppen und Projekte die angegriffen werden. Ihr wisst ja selbst, dass Nazis und Rassist*innen ganz stark auch mit alltäglichem Terror arbeiten – hier mal eine Scheibe einschmeißen oder dort den Projektgarten verwüsten. Mit der Öffentlichkeitsarbeit im Netzwerk können wir vielleicht stärker aufzeigen, wie viel »Kleinscheiß« passiert, der aber einen ganz großen Anteil an Einschüchterung und Verdrängung hat.
Eine weitere Idee an der wir noch tüfteln, ist verschiedene Gruppen in ihrer Arbeit zusammen zu bringen. Ein Beispiel ist die Bildungsinitiative »Gegenargument«, die in Berlin ansässig ist. Ihre Arbeit ist extrem wichtig, ganz viele Menschen stoßen im Umgang mit Rechten an die eigenen Grenzen, immer wieder gegen Zirkelschlüsse anzureden ist echt anstrengend. Gerade im ländlichen Raum kommen wir da aber nicht drum herum, wenn wir Veränderung erzeugen wollen. Diese Initiative mit Leuten, die Bock haben sich damit zu beschäftigen, zusammen zu bringen, wäre ein guter erster Schritt für mehr Zusammenarbeit.
Wir versuchen sehr eng an den Projekten dran zu sein. Gerade sind es ja noch nicht allzu viele. Dafür müssen Einzelpersonen auch mal durch die Republik fahren, damit wir uns vor Ort angucken können, was machen die Leute, was brauchen sie und wo soll es hingehen. Unser Anliegen ist ja eben auch Langfristigkeit und Stabilität zu erzeugen und zu unterstützen. Bei der Auswahl ist es uns dann auch wichtig, dass die Projekte das in unsern Augen umsetzen. Gerade solls darauf hinaus laufen, sich möglichst per Du zu kennen und keine anonyme Stiftung zu werden, die von Berlin aus irgendwen woanders unterstützt, das wäre nicht cool.
Was war die Motivation euch zu gründen und warum seid ihr explizit auf den Osten fokussiert?
Zuerst einmal sind wir hier politisch aktiv und haben uns hier auch getroffen. Polylux sitzt an mehreren Orten, eben da wo Aktive gerade wohnen: vor allem Leipzig, Cottbus, Dresden und Berlin. Da war es irgendwie logisch, sich auch für die Projekte hier einzusetzen. Gleichzeitig gibt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und auch Mecklenburg-Vorpommern ein Problem, was es in Baden-Württemberg oder Niedersachsen (noch) nicht gibt: die AfD hat starken Einfluss im parlamentarischen Prozess. Sie ist in der Lage, ihre Leute in Ausschüsse zu schicken und kann dort darauf hoffen auch mal Mehrheiten zu finden und sie verwendet viel Zeit auf Anfragen. In den Ausschüssen wird dann eben die Ausschüttung staatlicher Gelder von ihr beeinflusst und dass sicherlich nicht zum Besseren! Während gerade alle auf die Regierungsfindung in Thüringen gucken und die FDP für ihr Handeln kritisieren, interessiert parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene die Wenigsten. Doch wenn die AfD dort eins kann, dann zusammen mit CDU und NPD Menschen aufs Korn nehmen, die sich für Minderheitenrechte, für politische Utopien und Willkommenskultur einsetzen.
Ihr finanziert euch ausschließlich über Mitgliedsbeiträge, seid zwar ein eingetragener Verein, aber habt aber keine Gemeinnützigkeit beantragt. Warum?
Wir finanzieren uns durch Mitgliedsbeiträge, weil wir dadurch eine Struktur der Nachhaltigkeit schaffen wollen. Unsere Mitgliedsbeiträge stehen uns monatlich zur Verfügung um damit unsere Projekte unterstützen zu können. Es ist auch ein Netzwerk von vielen Menschen, die sich mit aktiven Menschen und Projekte solidarisch zeigen und somit Ihre Arbeit unterstützen. Je mehr Menschen in den Verein eintreten, umso mehr Möglichkeiten haben wir. Die Gemeinnützigkeit wurde im letzten Jahr einigen Vereinen entzogen, wie beispielsweise attac, VVN, Campact oder Demoz. Grund war hier ja auch oft, dass politische Arbeit nicht als gemeinnützig gilt und wir uns zu bestimmten Themen, dann nicht äußern dürften und keine Stellung beziehen dürften, ohne uns angreifbar zu machen. Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist für viele Projekte auch eine existentielle Bedrohung, sie müssen dann Steuern in einem hohen Betrag der letzen drei Jahre zurückzahlen. Die Gemeinnützigkeit wird ja vorübergehend für 3 Jahre ausgestellt, nach den drei Jahren wird geprüft, ob die Vereine nun auch tatsächlich nach Ihrem gemeinnützigen Zweck gehandelt haben. Doch wir sehen uns sehr wohl als politisch und sind flexibler in Unterstützungsmöglichkeiten, wir müssen unsere Unterstützung nicht an Bedingungen festmachen. Uns ist es sehr wichtig unabhängig zu bleiben.
Die Spendenaktion der Familie Krawinkel hatte Erfolg und die anvisierten 100.000 Euro kamen zusammen. Wenn ihr das Geld erhaltet. Was habt ihr damit vor?
Wir kooperieren aktuell mit mehreren Projekten. Da hoffen wir natürlich jetzt Sachen anschieben zu können. Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum aus Pirna zum Beispiel will bald in größere Räumlichkeiten umziehen. Außerdem braucht es in Saalfeld im Schlossberg Gelder um die Veranstaltungsflächen den Bauvorschriften gemäß umzubauen. Brandschutzvorgaben und ähnliches waren in der Vergangenheit Möglichkeiten um alternative Clubs, Cafes und so weiter dicht zu machen. Da kooperierten die zuständigen Bauämter gerne mal mit der Polizei und den Staatsanwaltschaften: Beispiele wären hier auch die Doro aus Limbach-Oberfrohna oder die Robert-Matzke-Straße 16, ein Hausprojekt in Dresden.
Ein ganz wichtiger Fokus muss für uns die Zusammenarbeit und Solidarität mit Migrant*innen- und Opferselbstorganisationen werden. Sie sind es, die als allererste von Neonazis, Rasisst*innen und Antisemit*innen bedroht, bedrängt, geschlagen und ermordet werden. Sie sind es auch die in den ostdeutschen Bundesländern wenige bis keine Rückzugsräume haben, kein Gehör in den Parlamenten finden und denen auch systematisch der Zugang zu demokratischer Beteiligung verwehrt wird.
Ehrlicherweise wissen wir selbst noch nicht so genau, was und wie viel wir mit 100.000 Euro erreichen können, bisher war Polylux und auch unsere anderen Projekte eher geprägt vom Motto »Mit wenig Geld ein bisschen was erreichen.«. Da müssen wir uns jetzt erstmal drauf einstellen. Die Spendenaktion hat uns allen aber eine ganze Menge Mut gemacht und wir sind zuversichtlich jetzt mit mehr und neuer Kraft durchstarten zu können!
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!
Die verwendeten Bilder sind aus der Ausstellung: PROTEST des Photographen-Kollektivs attenzione.