Editorial / Kommentar Ausgabe 182
von der Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 182 - Januar / Februar 2020
Liebe Leser*innen,
es klingt wie ein Stück aus dem Tollhaus. Das Berliner Finanzamt meint, die »Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten« (VVN-BdA) würde nicht zum gesellschaftlichen Gemeinwohl beitragen. Zu politisch sei das Engagement des Vereins. Ein Schicksal, das mit ähnlicher Begründung zuvor schon Attac und Campact ereilte. Während das paramilitärische »Uniter«-Netzwerk trotz mutmaßlicher Verbindungen ins rechtsterroristische Milieu den Finanzbehörden bis heute als gemeinnützig gilt, zieht der Staat gegen die antifaschistische und linke Zivilgesellschaft ins Feld. Ein solcher Vergleich klingt altbacken – und er ist es auch. Denn dass es nun die VVN-BdA getroffen hat, zeigt das Wiederaufleben oder vielmehr Fortbestehen einer Jahrzehnte alten Tradition in Deutschland: rechts verharmlosen und links als extremistisch brandmarken.
Dieser Antikommunismus richtet sich damals wie heute vor allem gegen unbequeme Antifaschist*innen.
Blicken wir kurz zurück. Schon Anfang der 1950er Jahren, nur kurze Zeit nach Ende des NS-Terrors, wurden in Westdeutschland zahlreiche Mitglieder der Vereinigung gezielt denunziert, aus öffentlichen Ämtern gedrängt und im Zuge des Radikalenerlasses ab 1972 teils mit Berufsverboten belegt. Zwei generelle Organisationsverbote seitens der Bundesregierungen scheiterten damals, nicht zuletzt weil der Staatsanwalt und der Vorsitzende Richter – seinerzeit zugleich Präsident des Bundesverwaltungsgerichts – während des Prozesses als Nazi-Schergen enttarnt wurden.
Nur unter diesen Vorzeichen ist es zu erklären, dass wohl mehrere Landesämter des Verfassungsschutzes die Nazi-Verfolgten weiterhin beobachten und sie damit gezielt als extremistisch verunglimpfen; der bayerische Verfassungsschutz erwähnt sie sogar explizit in seinem Jahresbericht. 75 Jahre nachdem die Deutschen Millionen Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma und Kommunist*innen ermordeten, wollen die Inlandsgeheimdienste die letzten Überlebenden des Holocaust mundtot machen. Denn sie legen mit ihren kritischen Stimmen den Finger in die Wunde des Versagens der Bundesrepublik bei Entnazifizierung und konsequenter Bekämpfung der NS-Ideologie.
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Sollte auch die gegenwärtige Gängelung durch die Finanzbehörden weiter Schule machen, würde antifaschistische Bildungsarbeit massiv in Misskredit gebracht. Was das bedeutet erlebte im November das Demokratische Zentrum Ludwigsburg. Weil sich der Verein mit seinen Vorträgen politisch positioniere und Neonazis wie Rassist*innen von Veranstaltungen ausschließt, darf er sich nicht mehr gemeinnützig nennen. Doch eines ist klar. Ob Steuerbefreiung oder nicht, Antifaschist*innen haben schon immer weitergemacht, im Auftrag des Schwurs von Buchenwald: »Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.«
Das ist dringend geboten, wo erst der Anschlag von Halle die Bundesregierung dazu zwingt, die Mittelkürzungen für Demokratie- und Opferberatungen zumindest zu überdenken. In diesem Land, in dem ein ehemaliger Geheimdienstchef namens Hans-Georg Maaßen über den »Greta-Hype« Verschwörungen kolportiert, dass dieser nichts anderes sei, als eine »Kampagne von Hintermännern oder Hinterfrauen, die politische Ziele verfolgen«. Und wo der Verfassungsschutz in Hamburg nach einem Jahr voller rassistischer und antisemitischer Morde allen Ernstes vor Linken warnt, die Kampfsport betreiben; denn sie seien die neue linksterroristische Gefahr.
Willkommen in Deutschland 2020.
Eure Redaktion vom #AntifMagazin