»Traditionelle Familie«
von Christian Binder und Mihai Varga
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 176 - Januar / Februar 2019
#Rumänien
Von einem klaren Rechtsruck ist das Land zwar noch entfernt, aber das rechte Lager übt den Schulterschluss. Und das mit Unterstützung der orthodoxen Kirche.
Im Dezember 2018 organisierten zwölf religiös-nationalistische Verbände in Bukarest Demonstrationen gegen den UN-Migrationspakt, beziehungsweise laut den VeranstalterInnen gegen die »Kolonialisierung und Islamisierung Rumäniens«. Die Beteiligung, von anfangs wenigen Dutzend und später mehreren hundert TeilnehmerInnen, ist ein Anhaltspunkt für die geringe Mobilisierungsfähigkeit der im Parlament nicht vertretenen extrem Rechten. Umgekehrt deutet die Enthaltung Rumäniens bei der Abstimmung in der UN-Generalversammlung am 19. Dezember auf die rechten Tendenzen der politischen Mitte hin.
Neue Formationen
Treibende Kraft hinter den Demonstrationen ist der Verband »Noua Dreapta«, Schwesterorganisation der »Partidul Noua Dreapta« (»Partei Neue Rechte«, ND). Beide werden von Tudor Ionescu geführt. Die Vereinigung hat sich in den vergangenen Jahren besonders als Veranstalter des homophoben »Marsches für die Normalität« sowie durch einige nationalistisch-rassistische Protestzüge in hauptsächlich von der ungarischen Minderheit bewohnten Städten bemerkbar gemacht. Die neofaschistische Partei ND wurde erst im Jahr 2015, nach 15-jährigem Bestehen des Verbandes, gegründet. Im Frühjahr 2017 hatte sie gemeinsam mit der ebenfalls 2015 ins Leben gerufenen »Partidul România Unita« (»Partei Vereintes Rumänien«, PRU) sowie der seit 1991 existierenden »Partidul România Mare« (»Großrumänienpartei«, PRM) die Allianz »Blocul Identitatii Nationale in Europa« (»Block für Nationale Identität in Europa«, BINE) angekündigt. Somit dürfte erstmals seit dem Systemwechsel 1989 ein Bündnis extrem rechter Parteien an Wahlen teilnehmen – die Europawahl 2019 ist der erste Test.
Wenig Zuspruch
Bei den Lokal- und Parlamentswahlen 2016 hatten die drei BINE-Parteien allerdings überhaupt keine Abgeordneten ins nationale Parlament entsenden können; bei den Kreis- und Lokalräten waren es verschwindend wenige. Versuche, »paramilitärische Truppen« nach dem Vorbild der ungarischen »Jobbik«-Partei und ihrer paramilitärischen »Ungarischen Garde« zu gründen und voranzutreiben, stoßen bisher nur auf wenig Anklang. Eine breitere öffentliche Profilierung gelang nicht einmal im Herbst 2018, als sie eine Kampagne für die »traditionelle Familie« führten: Das angestrebte Referendum, mit dem allein die Ehe zwischen Mann und Frau in der Verfassung verankert werden sollte, scheiterte. Indes zieht sich die Unterstützung für eine Vereinigung mit der Nachbarrepublik Moldau durch alle Parteien und Gesellschaftsschichten, sodass eine Instrumentalisierung durch Rechtsaußenparteien auch in Zukunft unwahrscheinlich ist. Die ältere PRM, die noch im Jahr 2000 mit einem Ergebnis von rund 20 Prozent zweitstärkste Kraft war, verfehlte 2016 mit gerade einmal ein Prozent der Stimmen deutlich den Einzug ins Parlament. Ein Wahlergebnis, das sogar gegen einen Rechtsruck spräche.
Andererseits greifen auch große Parteien der »Mitte« immer öfters Rhetorik und Themen auf, die vor einigen Jahren vor allem im rechten Spektrum anzutreffen waren. Die PRM, und vor allem ihr 2015 verstorbener Anführer Corneliu Vadim Tudor, haben jahrelang mit Verschwörungstheorien sowie einer plumpen Verkürzung politischer und rechtsstaatlicher Fragen auf einen Anti-Mafia- und Anti-Korruptions-Kampf auf sich aufmerksam gemacht. Beides gehört mittlerweile – in abgeschwächter Form – zum Repertoire sowohl des Regierungs- als auch des Oppositionslagers. Ebenfalls wird in politischen Auseinandersetzungen immer öfter das »nationale Interesse« betont.
Richtung ungewiss
Dem wegen zu geringer Wahlbeteiligung abgelehnten Ehe-Referendum stand allerdings der organisatorische Schulterschluss im rechten Lager gegenüber. Die »Koalition für die Familie« – ein Zusammenschluss einiger Dutzend rechtskonservativer Organisationen – sammelte 2016 mit Unterstützung der Rumänisch-Orthodoxen Kirche drei Millionen Unterschriften für die Volksbefragung. Zuvor hatten sogar die meisten wichtigen Parteien mehr oder weniger deutlich ihre Unterstützung zugesagt. Doch statt der Mindestwahlbeteiligung von etwa einem Drittel, konnten die Initiatoren nur 20 Prozent überhaupt zur Stimmenabgabe bewegen – für ein Land, in dem bis ins Jahr 2001 Homosexualität unter Strafe stand, ein unerwartetes Ergebnis. Dennoch war die Unterstützung von Behörden und etablierten Parteien für ultrakonservative oder extrem rechte Gruppen gerade beim Thema der Rechte für sexuelle Minderheiten schon in den Jahren zuvor mehrfach sichtbar. Und angesichts der Einfallslosigkeit bezüglich drängender sozialer, politischer und wirtschaftlicher Reformen durch das gesamte Parteienspektrum hindurch, werden die Rechten auch in Zukunft um Zustimmung buhlen.