»Wenn wir kommen, wird ausgemistet«

von Erhard Korn

Magazin »der rechte rand« Ausgabe 164 - Januar 2017

#AfD

Zur Bildungs- und Schulpolitik der »Alternative für Deutschland«

Magazin der rechte rand

© Lucius Teidelbaum

Mit abfälligen Bemerkungen über Schwarze Fußballer und der Forderung nach mehr »Germanen« in der Nationalmannschaft bediente der CDU-Rechtsaußen und baden-württembergische Kultusminister Gerhard Mayer-Vorfelder vor 15 Jahren erfolgreich die Ressentiments seiner konservativen Klientel. Mit ähnlichen Äußerungen über den Nationalspieler Jérôme Boateng und die nicht mehr »klassisch deutsche« DFB-Auswahl schoss der Vize der »Alternative für Deutschland« (AfD), Alexander Gauland, zwar vordergründig ein Eigentor – trug aber hintergründig zu den Erfolgen seiner Partei bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin bei.

Nationalidentität und Erziehung zur Männlichkeit
Auch in der Bildungspolitik knüpft die AfD an den nationalen CDU-Flügel an. Mayer-Vorfelder ließ als Kultusminister (1980-1991) nicht nur das Deutschlandlied wieder in den Schulen singen – auch die erste Strophe. Er forderte Zucht und Ordnung, verdammte Ganztags- und Gesamtschulen. Vor allem: Er hielt dem »liberalen Späth« den konservativen Flügel frei, wie er in seinen Erinnerungen formulierte. Auch in der Bildungspolitik knüpft die AfD an den nationalen CDU-Flügel an: der Chef des AfD-Jugendverbands »Junge Alternative«, Markus Frohnmaier, will an den Schulen jeden Morgen das Deutschlandlied singen lassen; dass dazu auch die erste Strophe »Deutschland, Deutschland über alles« gehört, ist für ihn vermutlich nicht problematisch. Neben der Wiedereinführung der Wehrpflicht will die Rechtspartei den Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr an den Schulen ausweiten. Entsprechend fordert der AfD-Ideologe Marc Jongen eine »Erziehung zur Männlichkeit« – die Forderung nach Erziehung zur Wehrhaftigkeit wird mitgedacht. Schule soll, so die AfD Sachsen-Anhalt, zu einer »gefestigten Nationalidentität« erziehen und durch Disziplin »starke Männer« formen. Außerdem will die Rechtspartei Lehrpläne zugunsten »positiver Anknüpfungspunkte« umschreiben, damit die Geschichte Deutschlands »angemessen und unverfälscht« dargestellt wird: Die Erinnerung an Nazigräuel soll die Entwicklung eines neuen »Patriotismus« nicht behindern. Dieser ist Voraussetzung einer neuen außenpolitischen Orientierung hin zu einer eigenständigen Großmachtpolitik Deutschlands, wie sie etwa beim Bismarck-Bewunderer Gauland aufscheint. JA-Chef Frohnmaier pflegt – wie etliche andere europäische Rechte – derweil schon Verbindungen zu »Einiges Russland«, der Partei von Wladimir Putin, und macht damit den Bruch zum westorientierten Konservatismus deutlich.

Genozid durch Sexualerziehung?
Die rot-grüne Landesregierung in Stuttgart strebe mit dem Bildungsplan »die Zerstörung der traditionellen Familie«, ja die Abschaffung des eigenen Volkes an, klagt die stellvertretende Landesvorsitzende Christina Baum. Sie spricht von einem »schleichenden Genozid durch Genderismus« und einer bewussten »Umvolkung« durch Zuwanderung. Zusammen mit ­Beatrix von Storch hatte sie schon die »Demo für Alle« mitorganisiert und dazu beigetragen, dass in dieser Anti-Bildungsplan-Bewegung die Grenze zwischen konservativen ChristInnen und extremer Rechten überwunden werden konnte – eine der Voraussetzungen für den Erfolg der AfD. Baum orientiert sich deutlich an der neurechten Ideologie der »Identitären Bewegung« und den Verschwörungstheorien von »PI-News«, das wiederum versucht, mit Hassmails schulische Konflikte aufzuheizen und Lehrkräfte und Schulleitungen unter Druck zu setzen. Schon eine interreligiöse Adventsfeier in der Schule kann Anlass dazu sein, eine Schulleiterin zu bedrohen, da sie angeblich Weihnachten abschaffen wolle.
Die Integration von Flüchtlingen wird daher abgelehnt, Kinder von AsylbewerberInnen sollen laut dem Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke nur »eine Grundbeschulung möglichst in ihrer Muttersprache erhalten«. Nur anerkannte Asylsuchende »sollen regelbeschult werden« – allerdings nicht »integrativ« und nicht unterstützt durch SozialpädagogInnen und PsychologInnen. Denn eine solche »Ausweitung der unproduktiven Sozialindustrie belaste nur die Steuerzahler«. Schulsozialarbeit sei »neben der Asylindustrie Teil einer Sozialindustrie«. Ein »Sumpf«, den die AfD austrocknen werde, so Hans-Thomas Tillschneider im Magdeburger Landtag. Da allerdings Sozialpädagogik ein wichtiges Element von Integration und Konfliktprävention ist, macht die AfD damit auch deutlich, dass sie genau das nicht will.

Survival of the Fittest
Dieser Linie folgen auch die Aktivitäten in den Landtagen. Nicht »Gleichmacherei«, eine Schule für alle, wo für jedeN eine Extrawurst gebraten wird, wolle die AfD, »sondern ein System, das die Messlatte hoch legt«. Jörg Meuthen, Fraktionschef der wiedervereinigten AfD in Stuttgart, wittert hinter dem »Deckmäntelchen der Chancengleichheit« eine große Verschwörung: »Es ist der gezielte und schleichende Weg in den Bildungssozialismus.« Sein Fraktionskollege Stefan Räpple, ehemaliges Vorstandsmitglied des konservativen »Verband Bildung und Erziehung«, machte im Stuttgarter Landtag in einer »Wutrede« die »sinnlosen Irrlehren der neuen Lernkultur, die aus der Erziehungswissenschaft und der Didaktik über GEW-Leute produziert« werde, für eine angebliche moralische Verwahrlosung verantwortlich.
Ganz im Ton Mayer-Vorfelders kritisiert die AfD in ihrem Bundesprogramm die »nach unten nivellierende Einheitsschule«. In Landtagswahlprogrammen beklagt sie die »Planierung unseres leistungsorientierten, mehrgliedrigen Schulsystems zur semi-sozialistischen Gleichmacherei der Gemeinschaftsschulen«. Selbst »offene Kindergartenkonzepte« stoßen auf Ablehnung. Statt Inklusion solle es überall »leistungshomogene Lerngruppen« geben, die Starken dürften in ihrem Lernerfolg nicht durch Inklusion von Behinderten eingeschränkt werden. Dagegen sei der Anteil der AbiturientInnen durch eine »Stärkung des Leistungsprinzips« zu senken. »Wenn Sachsens Schüler im deutschlandweiten Vergleich die größte Belastung (…) haben, so ist das der beste Weg, auf ein Berufsleben vorzubereiten.«
Mit der Wiedereinführung der verbindlichen Zuweisung zu den drei weiterführenden Schularten nach Klasse 4 will die Rechtspartei das gegliederte Schulwesen und die Hauptschule restaurieren. Eltern, gemeint sind vor allem solche aus eher benachteiligten Gesellschaftsgruppen, seien unfähig, selbst eine Entscheidung für eine weiterführende Schule zu treffen. Hinter dem angeblichen Engagement der AfD für die kleinen Leute verbirgt sich deren Verachtung.
Da eine frühe Selektion der Schülerinnen und Schüler nach Klasse 4 zweifelsohne zur Verschärfung der Bildungsungleichheit führt, dient die Bildungspolitik der AfD keinesfalls dem vielbeschworenen »kleinen Mann«, sie verschärft dessen Benachteiligung und fördert allein den Erhalt von Bildungsprivilegien. »Gleichmacherei« und »Bildungssozialismus« sind für die AfD nur Kampfbegriffe gegen eine Bildung, die Benachteiligte unterstützt. Umgekehrt will die AfD eine noch stärkere Hierarchisierung des Bildungswesens, deren Überwindung zentrales Versprechen der Bildungsreformen der letzten 50 Jahre war. Verbunden mit dem Vorschlag, SchülerInnen sollten sich ihre MitschülerInnen selbst aussuchen, zielen sie zudem deutlich auf eine Segregation von MigrantInnen etwa in Hauptschulen und die Verhinderung deren Integration.

»Wenn wir kommen, wird ausgemistet«
Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD im Unterricht sei, so der Abgeordnete Stefan Räpple auf seiner Homepage, »nur noch als kriminell zu bezeichnen« – müsse also strafrechtlich verfolgt und unterbunden werden. Gegen den Schroedel-Verlag kündigte er Strafanzeige an, da dieser Arbeitsblätter zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Parteiprogramm der AfD herausgibt. Des Weiteren rief Räpple dazu auf, »umgehend ALLE Druckerzeugnisse des Schroedel-Verlages zu boykottieren«. In der ersten Anfrage der AfD Baden-Württemberg unterstellte die Abgeordnete Baum der Landesregierung eine Mitbeteiligung an der Erstellung der Arbeitsblätter und wollte wissen, an welchen Schulen diese eingesetzt werden. In Hamburg wollte die AfD sogar wissen, »welche Nicht-GEW-Mitglieder« sich mit AfD-kritischen Materialien befassen.
Selbst HochschullehrerInnen sollen durch Dienstaufsichtsbeschwerden eingeschüchtert werden, wenn sie AfD-kritische Veranstaltungen unterstützen. Vor Ort greift die AfD – wie in Bernhausen bei Stuttgart – ganze LehrerInnenkollegien als »rot-grün geprägt« an. Einzelne LehrerInnen werden angegangen, weil sie »die AfD als Partei Ewiggestriger bezeichnet« hätten. »Diese Verbrecher gehören auf die Anklagebank wegen Volkshetze!«, kommentiert dann der offenbar schon auf Femegerichte schielende Anhang. »Frau Merkel ist eine Verbrecherin am deutschen Volk, die ihre Jahre im Gefängnis absitzen müsste«, so der neugewählte Abgeordnete Heinrich Fiechtner auf Facebook. In der AfD dominiert also ein Freund-Feind-Denken, in dem GegnerInnen kriminalisiert und MigrantInnen zu Krankheitserregern erklärt werden: »Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!« kündigte Markus Frohnmeier von der »Jungen Alternative« bei PEGIDA in Erfurt an. Stefan Räpple verstieg sich im Stuttgarter Landtag zur Beschimpfung anderer Abgeordneter als »Volksverräter« und laut der »Jungen Freiheit« vom 11. November 2016 zur Bekundung: »Die im Bundestag würde ich auch aufhängen!«
In ihren Wahlkämpfen nutzt die AfD die Ängste der Menschen zur Mobilisierung, sie betreibt aber gleichzeitig mit dem vom Bundesparteitag beschlossenen Anti-Islam-Kurs und einer integrationsfeindlichen Bildungspolitik eine Zuspitzung von Konflikten – das heißt sie versucht selbst, jene Konflikte oder gar Bürgerkriegsszenarien zu provozieren, vor denen sie warnt. So schubste in der Pestalozzi-Oberschule in Meißen ein rechter Schüler einen Flüchtlingsjungen und provozierte so eine Schlägerei. Die AfD aber sprach in einer Presseerklärung von der »Messerattacke eines unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbers«, der von der Schule auf Anordnung des Kultusministeriums vertuscht werden sollte. AfD-Landesvize Carsten Hütter versuchte, die Eltern bei einem internen Elternabend zu mobilisieren (»die Asylpolitik gefährdet das Leben der eigenen Schüler«) und erregte sich dann über Zensur, als er vom Rektor aus der Schule gewiesen wurde. Die Kommentare auf den Facebook-Seiten von AfD und Hütter belegen, dass dies als Aufruf gelesen wird, seine Kinder »selbst zu schützen, wenn es der Staat nicht tut«.

Roll-Back nach rechts
Die AfD gibt vor, die politische Lücke zu schließen, die aus einer eher pragmatischen Bildungs- und Familienpolitik der CDU entstanden ist. Während die CDU wenigstens äußerlich ein zweigliedriges System von Gymnasien und Gemeinschaftsschulen ebenso akzeptiert wie eine Individualisierung des Unterrichts, zielt die AfD auf eine Re-Ideologisierung der Schulpolitik, verbunden mit einem Roll-Back zur Dreigliedrigkeit und zentralisiertem Unterricht durch autoritäre Lehrkräfte. Sie greift rechtskonservatives Gedankengut auf, radikalisiert es aber in ihrer praktischen Politik dadurch, dass sie es mit Drohungen und Einschüchterungen, aber auch mit einem »Kampf um die Straße« flankiert. Damit bewegt sie sich deutlich weg von einem konservativen und hin zu einem präfaschistischen Politikverständnis.
Die AfD-Forderung nach einem »schlanken Staat« bedeutet für das Bildungswesen die Konzentration auf Kernunterricht, den Abbau aller flankierenden Unterstützungsbereiche und eine Stärkung autoritärer Strukturen: »Problematische Schüler brauchen keinen Schulsozialarbeiter, sie brauchen Autoritäten«, so Tillschneider. Damit wird auch ausgeschlossen, dass Schule Lernfeld für soziale Demokratie ist: Eine autoritäre Schule fundiert einen autoritären Staat.

 

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