Aus München für Deutschland
von Florian Bengel
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 164 - Januar 2017
Bei einer Wahlparty der »Alternative für Deutschland« (AfD) in München anlässlich der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2016 attackierten Christoph Zloch und weitere Aktivisten des sogenannten »Bündnis Deutscher Patrioten« (BDP) eine antifaschistische Spontandemonstration. JournalistInnen, welche die Situation dokumentieren wollten, wurden mit Tritten und Schlägen angegriffen. Ein Zeuge beschrieb den Vorfall in der Süddeutschen Zeitung als »gemeingefährlich«. Der Vorsitzende des AfD Kreisverbands München-Ost, Wilfried Biedermann, behauptete später in der »Münchner Abendzeitung«, die drei Täter seien zu der Veranstaltung nicht eingeladen gewesen und hätten sich »vielleicht durch den Lieferanteneingang reingeschlichen«.
Ein politisches Programm oder einen ausgefeilten ideologischen Überbau besitzt das seit Anfang 2016 aktive »Bündnis Deutscher Patrioten« (BDP) nicht. Lediglich ein paar lose Standpunkte wurden Anfang 2016 auf der BDP-Facebook-Seite veröffentlicht. Im Mittelpunkt stehen die Forderungen nach sicheren Grenzen und entsprechenden Kontrollen, die Durchsetzung des »Dublin-Abkommens« und die Verteidigung vermeintlich deutscher Werte wie: »Heimatliebe, Tradition und Kultur«. Seit Beginn agitiert das BDP gezielt gegen Geflüchtete und MigrantInnen, indem Gerüchte gestreut und verbreitet oder aktuelle politische Debatten und Nachrichten skandalisiert werden.
Ein ursprünglich als Satire gekennzeichneter Artikel, in dem behauptet wird, Flüchtlinge würden »gratis Zutritt zu allen öffentlichen (Schwimm-) Bädern erhalten«, wurde vom BDP über Facebook weiterverbreitet. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Artikel mehrere hundert Mal geteilt und kommentiert. Die KommentatorInnen ließen ihrer Menschenverachtung und ihren Gewaltphantasien freien Lauf: »Man könnte das Becken auch beheizen, mit 20 000 Volt, und zwei losen Kabeln.!!!!!« und »Anstatt in die Freibäder, alle an die Wand wegen Fahnenflucht und Feigheit.«.
In einem weiteren Fall hatte das BDP im Oktober einen Beitrag veröffentlicht, in dem behauptet wurde, SchülerInnen wären während eines Gottesdienstes »gezwungen« worden, eine Sure aus dem Koran vorzulesen«. Das BDP witterte sogleich eine »islamische Indoktrinierung von Grundschulkindern« und veröffentlichte die Kontaktdaten der Schule. Daraufhin gingen laut »Münchner Merkur« mehrere hundert »massive Beschimpfungen und Bedrohungen« bei der Schule ein. Tatsächlich hatten die SchülerInnen der vierten Klasse der Garmischer Grundschule den Text freiwillig vorgetragen, womit der verantwortliche Lehrer zeigen wollte, »dass auch in anderen Religionen wie dem Islam gebetet wird und wie die Gebete dort klingen«.
Vorsänger
Als BDP-Führungsperson inszeniert sich Christoph Zloch, der unter dem Namen »Chris Ares« Rap-Videos produziert und diese auf der Internetplattform YouTube veröffentlicht. In seinen Liedern rappt »Ares« über den angeblichen deutschen »Schuldkult«. Die Deutschen sollen endlich »aufrecht« und nicht mehr »gebückt« gehen. Er fordert, »Deutschland solle endlich wieder inländerfreundlicher werden«. Im Laufe des Jahres 2016 ist hier eine klare Radikalisierung der Texte von »Chris Ares« zu beobachten. Über diese Videos und selbstgestaltete Grafiken gelang es dem BDP innerhalb kürzester Zeit, mehr als 35.000 »Gefällt mir«-Klicks auf Facebook und damit eine rege AnhängerInnenschaft zu generieren. Das BDP folgt dem Motto: »Wer sich zu uns zugehörig fühlt, ist bereits Teil der Bewegung«. Zu Anfang bestand der Großteil der BDP-AktivistInnen aus dem Umfeld von »PEGIDA Deutschland«. Sie begleiteten ihr Idol zu einem Auftritt bei der AfD-Kundgebung in Geretsried im März 2016. Vor Ort posierte Zloch gemeinsam mit Mitgliedern der »Identitären Bewegung« vor einem »Ein Prozent«-Banner und trat im Anschluss mit seinen beiden Liedern »Generation Deutschland« und »Deutscher Patriot« auf.
Von der anfänglichen Verwendung von Symbolen und Videomaterial der »Identitären Bewegung« rückten Chris Ares und das BDP jedoch bald ab und begannen ein eigenes Label zu entwerfen.
Von Außenstehenden soll das BDP bei Demonstrationen und Kundgebungen als eine Einheit wahrgenommen werden. So tragen die AktivistInnen, die sich gegenseitig als »Brüder« bezeichnen, meist T-Shirts und Pullover, auf denen ein goldener Adler und der Schriftzug »Bündnis Deutscher Patrioten – Heimat • Tradition • Kultur« aufgedruckt sind. Diese wurden zeitweise über einen eigenen BDP-Webshop vertrieben. Im Anschluss an gemeinsame Aktionen wird für ein Gruppenfoto posiert und dieses anschließend auf Facebook veröffentlicht. Dabei zeigen sich die AktivistInnen meist mit BDP-Fahnen auf einer Treppe oder vor einem imposanten Gebäude, wie es sonst bei Hooligan- oder Ultragruppierungen zu beobachten ist.
Altbekanntes
Organisiert sind die einzelnen BDP-Mitglieder in sogenannten Orts- und Landesverbänden und treffen sich teilweise wöchentlich zu Stammtischen, die im Vorfeld nicht öffentlich bekannt gegeben werden. Neue AktivistInnen bewerben sich per E-Mail oder Facebook-Nachricht bei der jeweiligen Ortsgruppe und werden dann zu den Treffen eingeladen. Die verschiedenen Gruppen weisen einen unterschiedlichen Grad an Aktivismus und Aktionismus auf. So geht man beispielsweise gemeinsam in den Bergen wandern, organisiert ein Grillfest oder feiert den Wahlsieg von Donald Trump in einer Münchner Bowlingbahn und versucht dies dann im Anschluss als politische Aktion zu verkaufen. Andere Ortsgruppen brachten Transparente mit Parolen, wie »Grenzen schützen ist kein Verbrechen«, an Brücken und Gebäuden an, und in Stuttgart organisierten BDP-AktivistInnen eine »Lichterkette gegen Gewalt an Deutschen«. Das vorerst größte BDP-Treffen gab es am 23. November 2016 in einer Kneipe in der Erfurter Innenstadt. Danach zogen rund hundert BDP-Mitglieder durch die Erfurter Innenstadt, riefen »BDP hier!« und stellten sich auf den Domstufen mit Fahnen und Transparenten für ein Gruppenfoto auf. Die verschiedenen Aktionen, mit denen das Bündnis an die Öffentlichkeit geht, kommen aus dem Repertoire rechter Gruppen und »Kameradschaften«. Zum Beispiel versucht das BDP sich den Anstrich einer Art Hilfsorganisation zu geben, die der »deutschen« Bevölkerung zur Seite steht. So renovierten BDP-AktivistInnen etwa ein Kinderhospiz oder halfen Hochwasserschäden zu beseitigen und verteilen regelmäßig Lebensmittel und Kleidung an obdachlose »Landsleute«. Bei solch einer Verteilaktion in München beteiligten sich zuletzt auch Ehemalige wie Lukas Bals und Dan Eising und Aktive der Kleinstpartei »Die Rechte« wie Phillip Hasselbach, die beim BDP gern gesehen sind. Mit dem stellvertretenden Münchner Kreisvorsitzenden der Partei »Die Rechte«, Tobias Roidl, veröffentlichte Christoph Zloch zusätzlich ein gemeinsames Bild auf seinem Facebook-Profil »Chris Ares«.
Auch das bei Rechten beliebte Eingreifen in lokale Diskussionsveranstaltungen wurde praktiziert. Bei einer BürgerInnenversammlung in Nürnberg-Langwasser im November verteilten mindestens sechs BDP-AktivistInnen Flyer. Zuvor trat Dan Eising ans Mikrofon und verbreitete Gerüchte über angebliche Vergewaltigungen und Übergriffe durch Geflüchtete. Eisings Äußerungen wurden von einem Aktivisten mit dem Handy gefilmt und später auf der BDP-Facebook-Seite veröffentlicht. Die Polizei wies die Aussagen auf Nachfrage der »Nürnberger Nachrichten« zurück.
Mit dem BDP versucht sich in München und darüber hinaus eine weitere Gruppe am rechten Rand zu etablieren. Der Mangel an ideologischem Überbau dürfte dabei kein Hindernis sein. In dem Milieu reichen das Bekenntnis zu Deutschland und die Ablehnung des Establishments und des Islams aus, um konsensfähig zu sein. Angesprochen dürften sich AnhängerInnen von PEGIDA fühlen, denen die »Identitäre Bewegung« zu intellektuell und elitär und denen Kleinstparteien wie »Der III. Weg« und »Die Rechte« zu sehr dem Nationalsozialismus verhaftet sind. Das BDP bietet ihnen eine »Gemeinschaft« fernab von »Political correctness« und eine Form von Aktivismus, die über Demonstrationen hinausgeht. Gleichzeitig scheint das Bündnis attraktiv für diejenigen AktivistInnen, die in anderen extrem rechten Organisationen keine Erfolge erzielen konnten und sich jetzt einen neuen Aufschwung erhoffen.
Auf Bundesebene ist das »Bündnis Deutscher Patrioten« eher als Internetphänomen zu verstehen, lediglich auf lokaler Ebene gelingt es, Aktionen durchzuführen und AktivistInnen zu mobilisieren. Bei Veranstaltungen der AfD in München wird »Chris Ares« nach den Auseinandersetzungen von Anfang September in Zukunft wohl nicht mehr dabei sein: der Vorsitzende des Kreisverbands München-Ost, Wilfried Biedermann, möchte ihm ein Hausverbot für zukünftige Veranstaltungen erteilen, denn die Partei möchte ja mit »Personen aus der rechtsextremen Szene absolut nichts zu tun haben«.