»Wenn der Feind uns bekämpft …«

von Charles Paresse
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018

#Widerstand

Die AfD und andere radikale Rechte verschärfen ihre Attacken auf GegnerInnen – zunehmend auch gegen Organisationen aus der »Mitte« der Gesellschaft. Gegenwehr ist nötig und möglich.

Magazin der rechte rand

Mark Mühlhaus / attenzione

»Der Arbeiter-Samariter-Bund war selbst Opfer von Rechtextremismus und wurde 1933 von den Nationalsozialisten enteignet und zerschlagen«, erinnerte die Hilfsorganisation im Oktober dieses Jahres. Der Anlass: Die »Alternative für Deutschland« (AfD) wollte bei der Hilfsorganisation einen Erste-Hilfe-Kurs buchen. Doch der »Arbeiter-Samariter-Bund« (ASB) lehnte aufgrund der eigenen Verfolgungsgeschichte ab und auch, weil »Menschlichkeit, eine offene Gesellschaft und ein solidarisches Miteinander« sowie »eine klare Haltung gegen rechtspopulistische und rechtsextreme Politik« Grundlage ihrer Arbeit seien. Deutliche Worte, die viele wohl so nicht vom ASB erwartet hätten, den man als Anbieter von Rettungs-, Sozial- und Pflegediensten kennt. Für die Rechte war dies jedoch ein Affront, der ASB sah sich im Internet einem Shitstorm ausgesetzt. Doch er blieb bei seiner Ablehnung und meldete sogar Neueintritte – »extra deswegen«.

»»»Die AfD wollte bei der Hilfsorganisation einen Erste-Hilfe-Kurs buchen – ASB sagt ab.

Auch der Mieterbund Südhessen geriet ins Visier der Rechten. Der Verein hatte sich gegen einen Aufmarsch der AfD ausgesprochen. Einem Vorstandsmitglied wurde daraufhin mit einem Brandanschlag gedroht, es gingen Hass-Mails ein. Doch der Mieterverein knickte ebenso wenig ein und erklärte: »Wir wenden uns (…) entschieden gegen jede Form von Rassismus, der Ausgrenzung und der Intoleranz.«

Hinzu kommt schließlich der abgesagte Auftritt der Band »Feine Sahne Fischfilet« bei der Stiftung Bauhaus in Dessau in einer Sendung des ZDF: Die Stiftung, in deren Räume sich die Produktionsfirma des Senders eingemietet hatte, erteilte der antifaschistischen Band Hausverbot und setzte so um, was CDU, AfD und Neonazis gefordert hatten. Doch der Band gelang es, den Angriff umzudrehen. Aus der Attacke wurde eine Werbeaktion. Es gab Berichte in allen Medien, Einladungen zu Auftritten durch die Landesregierungen von Berlin und Thüringen und eine Welle der Solidarität im Netz. Zum Konzert, das letztlich an einem anderen Ort stattfand, strömten hunderte BesucherInnen. Und es entwickelte sich eine Debatte um die Freiheit der Kunst. Die Zeitung des »Deutschen Kulturrats« »Politik & Kultur« (6/2018) forderte mit Verweis auf die Vorgänge: »Kultureinrichtungen müssen Kunstfreiheit weiter schützen.« Die Musiker überreichten kurz vor ihrem Auftritt der Stiftung Bauhaus eine Urkunde für die »PR-Aktion des Monats«.

»»» Erbärmlich – Bauhaus gegen »Feine Sahne Fischfilet«

Text von Andreas Speit im
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 – September / Oktober 2018

Das Erstarken der Rechten hat Folgen – vor allem durch den vorauseilenden Gehorsam der »Mitte« und den Aufwind, den Rechte in den Institutionen nutzen. Die Angriffe auf ASB, Mieterbund und »Feine Sahne Fischfilet« sind nur drei Beispiele. Ihr Aufwind bei Wahlen macht die Rechten mutiger. Auch bislang stille UnterstützerInnen glauben nun, Oberwasser zu gewinnen. Ihre Attacken richten sich nicht mehr nur gegen vermeintlich Schwächere. Wer den ASB oder den »Paritätischen Wohlfahrtsverband« angreift, legt sich mit Großorganisationen an – das kann mutig oder übermütig sein. Und das kann dafür sorgen, dass endlich auch die »Mitte« der Gesellschaft aufwacht. Der ASB hat es vorgemacht.

An dieser Stelle sei es zur zugespitzten Veranschaulichung gestattet, Mao zu zitieren: »Wenn der Feind uns bekämpft, ist das gut und nicht schlecht.« Natürlich bekämpft die AfD »uns«. Natürlich tut die radikale Rechte alles, um AntirassistInnen, Geflüchtete und MigrantInnen, Linke, DemokratInnen, FeministInnen, SozialdemokratInnen, Grüne, SozialistInnen, Liberale, gläubige FlüchtlingshelferInnen, Jüdinnen und Juden, Muslime, Homosexuelle oder nicht-rechte Kunst zu bekämpfen. Sie will die Errungenschaften der Moderne und die Demokratie beseitigen. Warum wundern wir uns, wenn sie ihre politischen Waffen in Stellung bringen? Wer ins Visier der Rechten gerät, hat vorher wohl einiges richtig gemacht. Die Angriffe sind eine Gefahr und schüchtern ein. Wir dürfen dies nicht zulassen, sondern müssen Solidarität organisieren.

In der Polarisierung der letzten zwei, drei Jahre liegt eine große Gefahr. In ihr liegt aber auch eine Chance. Denn viele Menschen erkennen, dass sie sich positionieren müssen, und viele tun das nun. Viele sind nun gezwungen, in den eigenen Reihen kontroverse Debatten zu führen, obwohl sie doch eigentlich nur Verletzten helfen oder MieterInnen beraten wollen. Vermutlich hatten die Geschäftsführungen des ASB in Chemnitz oder Luckenwalde nach der Absage an die AfD viele schlimme Anrufe und Emails zu beantworten. Dort Haltung zu bewahren, das fordert Mut – und ist unendlich wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass künftig jede Attacke auf »uns« so endet wie die »»»Klage-Androhung der AfD gegen »der rechte rand«, die uns viele neue Abos und politisches Interesse beschert hat, statt uns einzuschränken. Aus den Funken der demokratischen, antifaschistischen Gegenwehr der letzten Wochen und Monate muss ein Aufstand gegen Rechts organisiert werden, der die Rechte zielgerichtet schwächt und ihre GegnerInnen stärkt. Nicht irgendwann, sondern jetzt!