»Lady Gaga des Rechtspopulismus«

von Ernst Kovahl
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 155 - Juli / August 2015

#Antifeminismus

Von der CDU bis zur »Jungen Freiheit« – die Journalistin Birgit Kelle ist ein Star unter Konservativen, Neu-Rechten und AntifeministInnen.

Magazin der rechte rand

Flyer für Streitgespräch zweier Gaga-CDU Frauen

 

Im »Bernhard Vogel Saal« der Thüringer CDU-Landtagsfraktion kam es zum Eklat. Am 22. April 2015 hielt die Journalistin Birgit Kelle dort einen Vortrag zum Thema »Erziehungsgeld – Quo vadis?!« Sie kritisierte die angeblich »grassierende Fremdbetreuung« von Kindern. Kindergärten seien schuld daran, dass Jugendliche später nicht ausbildungsreif seien. Größere Aufmerksamkeit erhielt der Vortrag eigentlich nur deswegen, weil zwei Mitglieder der feministischen Gruppe »hinterdenbruesten.de« gegen den Auftritt Kelles protestierten und vom Sicherheitsdienst des Parlaments aus dem Saal geführt wurden. Die beiden Aktivistinnen kritisierten: Kelle verbreite antifeministische Positionen und bewege sich mit ihren Vorträgen und Artikeln in einem rechtspopulistischen Umfeld. Sie sei die deutsche »Lady Gaga des Rechtspopulismus«.

Im Netz der »Neuen Rechten«
Kelle führt ein politisches Doppelleben zwischen bürgerlich-konservativem und neu-rechtem Milieu – und ist damit überaus erfolgreich. Einerseits tritt sie mit ihren konservativ-christlichen und antifeministischen Thesen regelmäßig in TV-Talkshows auf, schreibt Kommentare für große Blätter, wie »Die Welt«, »Focus«, »Brand Eins« oder die »Neue Westfälische« und bewegt sich als Referentin und Sachverständige im Umfeld der CDU/CSU. Ihre Bücher verkauft sie in hohen Auflagen, zuletzt etwa »Dann mach doch die Bluse zu: Ein Aufschrei gegen den Gleichheitswahn« oder »GenderGaga«. Andererseits ist sie seit Jahren fest im publizistischen Netz der »Neuen Rechten« verankert. Dieter Stein, Chefredakteur der »Jungen Freiheit« (JF), des Zentralorgans der deutschen »Neuen Rechten«, ist begeistert: »Birgit Kelle gelingt es, ein sperrig-akademisches Thema humorvoll und gut verständlich aufzugreifen.« Sie rechne »auf fröhliche Art« mit der »zerstörerischen, totalitären Ideologie« des Feminismus ab, so Stein.
Die 40-jährige Kelle ist nach eigenen Angaben Mitglied der CDU und konvertierte zur katholischen Kirche. Seit Jahren schreibt sie regelmäßig für Blätter der deutschen Rechten. Ende 2006 wurde die JF offenbar erstmals auf Kelle aufmerksam. Das Blatt lobte das 2005 von Kelle gegründete christlich-konservative Monatsmagazin »Vers 1«. 2008 bat die JF Kelle dann, den auf der letzten Seite der Zeitung veröffentlichten »Fragebogen« auszufüllen. Mit dem kleinen, unauffälligen Interviewformat gelingt es dem Blatt immer wieder, einen ersten Kontakt zu möglichen künftigen AutorInnen und KooperationspartnerInnen herzustellen. Im November 2010 schrieb Kelle schließlich erstmals einen Text für das Blatt, in dem sie gegen den Präsidenten der »Bundeszentrale für politische Bildung« und dessen Arbeit für ein modernes Familienbild polemisierte. Seitdem greift sie bis heute regelmäßig für die JF zur Feder.

Gegen »Political Correctness«
Immer wieder forderte Kelle, Themen aufzugreifen und das auszusprechen, »was viele denken, sich aber schon lange nicht mehr trauen offen auszusprechen«. In einem Artikel in der Zeitschrift »The European« kritisierte sie im Februar 2013 ganz im Duktus von »Neue Rechte« und »Alternative für Deutschland« (AfD): »Die Political Correctness hat sich wie Mehltau über den normalen demokratischen Austausch gelegt. Man muss ja nicht jede Meinung teilen, geschweige denn gutheißen. Aber man muss doch darüber reden dürfen.« Dafür sei die neu-rechte Publizistik wichtig, erklärte sie im November 2013 im Interview mit dem Szene-Verleger Götz Kubitschek, in dessen Blatt »Sezession«: »Die Junge Freiheit ist wichtig als Medium, das sich nicht dem medialen Mainstream unterwirft. Wir brauchen für einen ernsthaften Diskurs in Deutschland widerstreitende Positionen gerade auch in den Medien.«
Wenge Tage nach dem Interview, am 23. November 2013, bekam Kelle in Berlin den »Gerhard-Löwenthal-Preis« überreicht, der von der »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung« (FKBF) in Zusammenarbeit mit der JF verliehen wird. Vorsitzender des Stiftungsrates ist JF-Chefredakteur Stein. Begeistert schrieb das marktradikale, anti-egalitäre und anti-emanzipatorische Blättchen »eigentümlich frei« über die Preisverleihung: »Der mit 5.000 Euro dotierte Preis geht mit Birgit Kelle an eine Publizistin, die als Mutter von vier Kindern gegen den immer totalitärer sich gebärdenden Feminismus streitet.« Die Laudatio hielt der österreichische Journalist Andreas Unterberger. Er sah Kelle »an der Spitze einer ganz zentralen Auseinandersetzung« mit der »Diktatur des immer aggressiver werdenden Feminismus«.

Antifeminismus
»Eine ganze Nation gendert sich gerade Richtung Wahnsinn und verschleudert dabei zielsicher Steuergelder, die sich kaum mehr beziffern lassen. (…) Gender funktioniert als Sesam-öffne-dich für mehr Budgets, mehr Lehrstühle und noch mehr Stuhlkreise. Natürlich alles im Namen von Frauenförderung, Gleichstellung und Toleranz. Und obwohl darauf beharrt wird, daß das biologische Geschlecht keine Rolle mehr spielen sollte, entscheidet der Besitz einer Gebärmutter neuerdings über die Vergabe von Posten. Logik war gestern«, schrieb Kelle Ende Februar 2015 im Nachrichtenmagazin »Focus«. In ihren regelmäßigen Kommentaren, ganzseitigen Artikeln, Interviews und Vorträgen geht es immer um dieselben Themen: Gegen die Frauenquote, gegen sexuelle Vielfalt, gegen die angebliche »Frühsexualisierung« von Kindern in Schulen, gegen Betreuung von Kindern in Kitas, gegen die »Diktatur des Feminismus« oder gegen das »Gutmenschentum in Deutschland«.