Erfurts Neonazis wechseln Partei
von Oskar Neigelt
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 175 - November / Dezember 2018
#Der III. Weg
In Thüringen kann die Neonazi-Kleinstpartei »Der III. Weg« ihre Strukturen weiter ausbauen. Durch den Übertritt bereits bekannter Neonazis wie Enrico Biczysko aus Erfurt und des Szene-Aktivisten Michel Fischer verfügt die Partei nun auch in der Landeshauptstadt über Personal und eine Immobilie.
Im August 2018 veröffentlichte der Neonazi Enrico Biczysko eine persönliche Erklärung, in der er als Stadtrat in Erfurt bekannt gab, er werde nun politisch für die Neonazi-Kleinstpartei »Der III. Weg« agieren. Er habe mit der neuen Partei endlich eine Organisation gefunden, die »unsere Weltanschauung nicht nur predigt«. Und Biczysko hat lange gesucht. Noch bis 2016 war er aktiver NPD-Funktionär und schied dann im Streit aus der Partei aus. Damals schrieb Biczysko in den sozialen Medien über die NPD Thüringen, sie sei »hochverschuldet«, »es werde gelogen und betrogen ohne Ende« und die »Basis wird für dumm verkauft und täglich in den Arsch getreten«. Kurze Zeit später lächelte der ehemalige Hooligan bereits mit seinem politischen Weggefährten Michel Fischer in den Jacken der Neonazi-Kleinstpartei »Die Rechte« auf einem gemeinsamen Bild und gab seinen Übertritt bekannt. In der offiziellen Erklärung des Verbandes »Mittelthüringen« hieß es damals, in der NPD sei durch die »anhaltenden innerparteilichen Streitigkeiten (…) keine konstruktive politische Arbeit mehr möglich«. Michel Fischer aus dem Weimarer Land gehört seit Jahren zu den umtriebigsten Thüringer Neonazis. Er war nicht nur jahrelang einer der wichtigsten Anmelder von Neonazi-Demos im Freistaat, sondern pflegte auch Kontakte zur verbotenen »Weisse Wölfe Terrorcrew«. Allerdings ist Fischer auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten, so distanzierten sich schon vor Jahren verschiedene Thüringer Neonazi-Gruppen öffentlich von ihm.
Biczysko und Fischer schafften es in dem politisch einflusslosen und durch seine geringe Mobilisierungskraft bekannten »Die Rechte«-Landesverband dann immerhin zum Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Doch ein paar Infostände und schlecht besuchte Aufmärsche später, genauer gesagt im November 2017, war dann auch das Engagement bei »Die Rechte« beendet. Im Streit trat der Vorstand des Thüringer Landesverbandes zurück – auch hier wieder unter heftigen öffentlichen gegenseitigen Beschuldigungen. So warf der Bundesverband seinen ehemaligen Funktionären vor, ihn um Mitgliederbeiträge geprellt zu haben. Diese sprachen wiederum von einer Rufmordkampagne. Bereits Anfang 2018 zeichnete sich dann ab, dass Biczysko und sein Umfeld sich in Richtung der Kleinstpartei »Der III. Weg« orientieren. Bei einem geschichtsrevisionistischen Aufmarsch im Februar 2018 im thüringischen Nordhausen nahm eine größere Gruppe rund um den Erfurter Stadtrat teil. Gleiches galt bei der Veranstaltung der Partei am 1. Mai in Chemnitz. In den folgenden Monaten zeigte sich auch auf anderen Social-Media-Präsenzen der Thüringer Neonazi-Szene, dass in Erfurt nun verstärkt Propagandamaterial von »Der III. Weg« verteilt wurde. Biczyskos öffentliche Erklärung vom August 2018 war damit kaum noch überraschend. Auch der NPD-Funktionär Tobias Kammler kommentierte den Übertritt spöttisch: Biczysko habe in seiner Funktion als Kreisvorsitzender in Erfurt den Kreisverband der NPD »quasi demontiert« und er hoffe, dass der Überläufer »nun endlich unsere Weltanschauung ins Volk trägt«.
Netzwerken im Nahen Osten
von Jan Nowak im Magazin “der rechte rand” Ausgabe 166 – Mai 2017
Die Neonazi-Partei »Der III. Weg« pflegt intensiv internationale Kontakte. Neben teils langjährig gewachsenen Beziehungen innerhalb Europas knüpft sie in jüngster Zeit auch Verbindungen nach Syrien und in den Libanon.
Neue Immobilie
Für die Partei dürften Biczysko und Fischer wohl kaum wegen ihres hervorragenden Leumundes in »nationalen Kreisen« relevant sein. Vielmehr bietet sich mit dem Übertritt der Wander-Neonazis nicht nur die Möglichkeit, einen dritten Stützpunkt im Freistaat zu gründen, sondern auch eine weitere Immobilie für die Partei zu nutzen. Neben seinen parteipolitischen Aktivitäten ist Biczysko nämlich auch Vorsitzender des »Volksgemeinschaft e. V.«, eines Neonazi-Vereins, der in Erfurt über eine eigene Mietimmobilie in einem ehemaligen Supermarkt verfügt. Hier stehen der Partei nun Räumlichkeiten zur Verfügung, in der in der Vergangenheit sowohl Parteitage als auch Konzerte und Schulungen stattgefunden haben. Damit dürfte die Thüringer Landeshauptstadt in den kommenden Monaten ein neuer Aktivitätsschwerpunkt für »Der III. Weg« werden. Dies bietet sich für die Partei auch deshalb an, weil sie ihre bisherigen Parteitage und auch ihre letzte RechtsRock-/Kampfsportveranstaltung im nur wenige Kilometer entfernten Kirchheim durchführte. Neben dem Stützpunkt Thüringer Wald/Ost und Ostthüringen ist Erfurt nun der dritte Aktionsraum der Partei. Mittlerweile ist in der Szene bereits von einem »nationalrevolutionären Zentrum« die Rede, in dem offensichtlich nicht nur ein Materiallager für Kleidung der Partei besteht, sondern in dem auch mehrfach in der Woche »Selbstverteidigung und Kraftsport« angeboten wird. Wie auch in anderen Teilen der Neonazi-Szene scheint damit die Kampfsportausbildung auch in Erfurt weiter an Bedeutung zu gewinnen. Dies war bereits zuvor in den Räumen des »Volksgemeinschaft e. V.« der Fall und könnte auch durch die Präsenz eines ehemaligen Boxtrainers im neuen Partei-Umfeld an Fahrt gewinnen. Der Nutzerwechsel zeigt sich bereits in der Gestaltung der Immobilie. So wurden die Parteiinsignien nicht nur in den Räumen, sondern auch an der Außenfassade angebracht.
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