#AfDwirkt und #Soedermachts
von Robert Andreasch
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 174 - September / Oktober 2018
#AfDwirkt und #Soedermachts
Ein Blick auf CSU und AfD vor der bayerischen Landtagswahl.
Bei der letzten Landtagswahl vor fünf Jahren, am 15. September 2013, gewann die CSU 89 von 90 Direktmandaten und 47,7 Prozent der Erst- und Zweitstimmen; diese werden in Bayern – eine Besonderheit des hiesigen Landtagswahlgesetzes – zusammengezählt. Seither regiert sie im Freistaat mit absoluter Mehrheit der Sitze im Parlament. 117.718 WählerInnen (1,0 %) gaben damals der Partei »Die Republikaner« (REP) Erst- und Zweitstimme, 74.848 (0,6 %) der NPD. Der bayerische Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) hatte auf eine Wahlteilnahme verzichtet.
Bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 trat die AfD dann in fast allen bayerischen Wahlkreisen an, holte sich hier 916.300 Zweitstimmen (12,4 %) und wurde vielerorts zweitstärkste Partei hinter der CSU (38,8 %). Wie die CSU reagierte, ist bekannt: Der neue Bundesinnenminister und ehemalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bescheinigte seiner Partei eine »offene rechte Flanke«, die dringend geschlossen werden müsste. Alexander Dobrindt, Sprecher der CSU-Bundestagsgruppe, forderte in der Zeitung »Die Welt« eine »konservative Revolution der Bürger« und Ministerpräsident Markus Söder erinnerte beim politischen Aschermittwoch in Passau an Franz Josef Strauß’ Diktum, rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben: »Das heißt nicht Rechtsruck, das heißt eigentlich nur Rückkehr zu alter Glaubwürdigkeit.« Das war kein bloßer Verbalradikalismus, denn zu dieser Zeit hatte die allein regierende CSU unter anderem mit dem rassistischen »Integrationsgesetz«, mit dem Hofieren des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, mit Grenzkontrollen und Sammelabschiebungen nach Afghanistan längst die autoritäre und rassistische Formierung im Land ganz konkret verschärft. Der damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer freute sich über die eigene Politik auf Twitter: »Die CSU hält Wort. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige bleibt weiter ausgesetzt und wird abgeschafft.«
AfD-Wahlkampf
Am 14. Oktober 2018 wird in Bayern nun wieder gewählt. Die AfD tritt bei der Landtagswahl flächendeckend an, hingegen nehmen NPD, »Der III. Weg« und REP nicht teil. Die AfD zieht mit einem Personalmix in den Wahlkampf: Ein paar bekannte und engagierte Köpfe sind darunter, die bisher bei Pöstchen- und Mandatsvergaben leer ausgegangen waren, zum Beispiel die extrem rechte Aktivistin und Vize-Landesvorsitzende Katrin Ebner-Steiner als Spitzenkandidatin im Wahlkreis Niederbayern. Viele lokal Kandidierende entstammen eher der zweiten und dritten Reihe der Partei und sind bisher nicht besonders in Erscheinung getreten. Die AfD macht – wie es für eine »soziale Bewegung von rechts« durchaus typisch ist – in Bayern zur Zeit uneinheitliche Erfahrungen: von Rückenwind durch beispielsweise gut besuchte Veranstaltungen genauso wie von Latenz und Abschwung, die sich eher durch geringe Resonanz bei Infoständen und Kundgebungen äußern. Nach außen hin dominieren VertreterInnen der äußersten Rechten die Partei und Björn Höcke gehört zu den am häufigsten eingeladenen GastrednerInnen im Wahlkampf. Die parteiinternen Machtkämpfe und Intrigen gehen derweil weiter: Der Bezirksverband Oberbayern der Partei steht unter »Zwangsverwaltung« durch den niederbayerischen Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka. Und der oberbayerische »Spitzenkandidat« Franz Bergmüller musste sich Ende August 2018 gar vor dem Berliner Landgericht eines Rauswurfs aus der AfD erwehren, den Teile des Bundesvorstands angestrebt hatten.
Die AfD hat ein hundertseitiges Wahlprogramm »Bayern. Aber sicher!« verabschiedet. Bisher aber ist im Wahlkampf noch kein dominierendes Kampagnenmotto zu erkennen. Alle KandidatInnen sollen oder wollen wohl mit je eigenen Forderungen auftreten; was dazu führt, dass gleichzeitig viele erfolgreiche Themen und Schlagwörter der extremen Rechten gespielt werden, mit einem Schwerpunkt auf rassistischer und antimuslimischer Hetze, reaktionärer Geschlechterpolitik, Anti-Antifa-Arbeit und Vorwürfen an die CSU. Das belegt auch ein detaillierter Blick auf die auf Facebook veröffentlichten Slogans
(s. Zusammenstellung über dem Artikel).
CSU-Wahlkampf
Die CSU wollte erst kurz vor der Wahl, am 15. September 2018, ihr Wahlprogramm veröffentlichen. Die Köpfe der Partei reagierten auf die Lage zunächst aber mit einer weiteren Verschärfung der Politik und Radikalisierung ihrer Aussagen. Horst Seehofer ist mit dafür verantwortlich, dass die Seenotrettung Geflüchteter im Mittelmeer ausgesetzt wurde und versuchte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit einem inszenierten »Asylstreit« zu erpressen. Bundesweit sollen nun sogenannte »Ankerzentren« für Geflüchtete eingerichtet werden. In Bayern peitschte die CSU ein noch autoritäreres Polizeiaufgabengesetz durch den Landtag und stellte eine landeseigene Grenzpolizei auf. Der ehemalige sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Uwe Wurlitzer hatte die Parole »Asyltourismus der Regierung sofort stoppen« verbreitet. Markus Söder griff das Wording auf und postete seinerseits: »Der Asyltourismus muss beendet werden.« Der bayerische Innenminister Joachim Hermann hetzte gegen Geflüchtete: »Er kann kostenlos Bus fahren, aber sich nicht kostenlos Hasch kaufen!« Und auch der ehemalige CSU-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat die Sprache der AfD drauf: »Der Rechtsstaat muss mit aller Härte auf die linksfaschistischen Kriminellen reagieren!« Alexander Dobrindt polterte gegen »eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie« und »Abschiebe-Saboteure«, die »unsere Gerichte zu überrennen« versuchten und ergänzte noch eine antimuslimische Parole: »Der Islam ist für unser Land kulturell nicht prägend und soll es auch nicht werden.« Der bayerische Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer fordert auf einem Dorffest im Unterallgäu, so berichtet es anschließend die »Augsburger Allgemeine«, »Merkel muss weg!«
Wie vor 30 Jahren
Der österreichische Politikwissenschaftler Willibald Holzer beschrieb eine Radikalisierung konservativer Politiker in Reaktion auf Wahlerfolge der extremen Rechten schon Anfang der 1990er Jahre als »Extremisierung des Konservatismus«. Er verwies darauf, dass dadurch die extrem rechten Ideologeme zunehmend akzeptiert würden und dies in einer Art spiralförmigem Verhältnis wiederum eine Radikalisierung der extremen Rechten bewirke. Die AfD-Bundestagsfraktion veröffentlichte Anfang Juli 2018 das Meme »AfD-Fraktion zwingt Merkel zum Handeln: Wir treiben die Union vor uns her!« Doch die erneute Radikalisierung der CSU hat nicht nur mit dem Druck von Rechts zu tun. Vielmehr gibt es von jeher ideologische Brücken zwischen dem Konservatismus und der extremen Rechten, insbesondere was eine »Homogenität« der Bevölkerung, Geschlechterrollen und eine antidemokratische, autoritäre Politik insgesamt angeht. Beide verbindet gewissermaßen die Panik vor einem »Untergang des Abendlandes« – sei es durch Zuwanderung oder durch die Modernisierung von Familienmodellen. Angesichts dessen ist es kein Wunder, dass sich die CSU an der AfD aus Konkurrenzgründen stört, aber nicht an deren Inhalten reibt. Um die Auseinandersetzung mit der AfD zu führen, hat die CSU ausgerechnet Stefan Petzner angestellt, den ehemaligen Politiker von der »Freiheitlichen Partei Österreichs« und dem »Bündnis Zukunft Österreich« sowie Berater von Jörg Haider. Es folgte die – bisher einmalige und nicht wieder aufgegriffene – Bemerkung des neuen CSU-Generalsekretärs Markus Blume, die AfD sei »brauner Schmutz«. Die CSU-Parteizeitschrift »Bayernkurier« sekundierte mit dem Vorwurf, die AfD sei »unbayerisch«.
Wo wird das enden?
Auch Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender der »Freien Wähler«, zieht unter anderem mit einer rassistischen Parole in den Landtagswahlkampf: »Asylpolitik versinkt im Chaos. Merkel, Seehofer und SPD, Ihr seid nur noch eine Belastung für dieses Land!« Die Frage nach der Legitimität einer rassistischen und autoritären Politik stellt sich gar nicht mehr. Es wird nur noch darum gekämpft, sich dabei als durchsetzungsfähiger darzustellen. Die AfD plakatiert »Wir sind das Original« und ihr Motto aus dem letzten Jahr: »Die AfD hält, was die CSU verspricht.« Darauf angesprochen, hält Stefan Müller, der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, im ZDF-Morgenmagazin dagegen: »Der Unterschied besteht darin, dass wir als CSU nicht nur ankündigen, sondern dass wir im Regierungshandeln auch in der Lage sind, das umzusetzen.« Und im »Bayernkurier« heißt es: »Die AfD erhebt in ihrem Wahlprogramm viele Forderungen, die die CSU bereits umgesetzt hat«.
Die letzte Wahlumfrage vor dem drr-Redaktionsschluss (durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Civey, 14. August 2018) sieht die CSU derzeit bei 38,1 Prozent, die AfD bei 15 Prozent. Die AfD-Kreise geben sich selbstbewusst: »Vom 14. auf den 15. Oktober kommt es zur ‹Blutnacht› in der CSU!« schreibt der AfD-nahe »Deutschland-Kurier« angesichts der »Rekord-Umfragewerte«. Rein rechnerisch spricht derzeit einiges eher für eine schwarz-grüne Regierung nach der Landtagswahl. Doch Ministerpräsident Markus Söder setzt sich davon zunehmend ab – die Grünen stünden schließlich »für Fahrverbote, höhere Steuern und unbegrenzte Zuwanderung«, wie er Ende August 2018 dem »Redaktionsnetzwerk Deutschland« sagte. CSU-Rechtsaußenpolitiker wie der Erlanger Stadtrat Stefan Rohmer fordern bereits offen eine Koalition mit der AfD.