Was zu erwarten war

ein Kommentar von Katharina König
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 173 - Juli / August 2018 - OnlineOnly

#VS

Nun ist er da, der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2017 – der alljährliche „wichtige Beitrag zur Aufklärung über die Gefährdungsdimension von Staat und Gesellschaft“, so die anmaßende und arrogante Selbstdarstellung auf der Website des Bundesministeriums des Innern. Dessen Minister Horst Seehofer ist aber aktuell wohl selber eine der größten Gefährdungen für eine freie und offene Gesellschaft.

Magazin der rechte rand

© Photo by Robert Andreasch

Der Inhalt des Berichtes kurz zusammengefasst: Alles ist gefährlich. Aber nicht alles ist gleich gefährlich. Und: „Rechtsextremisten“, „Linksextremisten“, „Islamisten“ – alles im Kern das selbe. Doch wie Georg Restle vom WDR in den „Tagesthemen“ richtig kommentierte, lag selten ein Verfassungsschutzbericht so neben der Wirklichkeit, wie dieser für das Jahr 2017. Die AfD wird nämlich nur an einer Stelle erwähnt. Im Kapitel über „Linksextremismus“ wird ihr der selbstgewählte Möchtegern-Opferstatus hochamtlich bestätigt, denn – so der Dienst – sie stehe „im Fokus linksextremistischer Agitationen“ und sei ein „Erste-Klasse-Gegner“. Kein Wort über den Nationalismus und Antisemitismus der AfD, kein Wort über die völkische Revolte des Bernd Höcke und seiner Anhänger, den Antifeminismus oder die nun auch in fast allen Parlamenten stattfindende rassistische Stimmungsmache, die auf fruchtbaren Boden und wartende TäterInnen trifft. Kein Wort. Aber warum auch?

»»» Georg Restle, WDR, zum Verfassungsschutzbericht

Auch der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) und seine in Teilen immer noch aktiven Unterstützungsstrukturen, in dessen Umfeld laut des Präsidenten des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ Hans-Georg Maaßen keine V-Leute aktiv gewesen wären, wird kein einziges Mal erwähnt. Nicht die seit 2011 stattfindenden Solidaritätsaktionen der Neonazi-Szene für den NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und andere, nicht die Geldsammlungen. Keine Analyse, keine einzige Erwähnung. Nichts. Kein einziges Wort zum NSU.

Auch die Einschätzung bekannter rechtsterroristischer Strukturen ist ein Fehlschlag des Verfassungsschutzes: Zu „Combat 18“, dem militanten und bewaffneten Arm von „Blood & Honour“ (seit dem Jahr 2000 in Deutschland verbotenen), meint das „Frühwarnsystem Verfassungsschutz“, es handele sich nur um „verbalradikale Militanz“. Die „Rechtsextremisten“ würden nur einen „Eindruck der Gefährlichkeit“ zur eigenen Aufwertung vorgeben. Die reale Bedrohung durch eine Organisation, die sich schon seit den 1990er Jahren dem „bewaffneten Kampf“ verschrieben hat, sieht der Verfassungsschutz genauso wenig wie die rassistische Mobilisierung der sogenannten „Mitte“.

Es bleibt festzuhalten: Wer sich über Neonazi-Strukturen und die Gefährlichkeit der rechten Szene informieren will, kann dies sehr gut über antifaschistische Recherche und Analyse. Seien es diverse Zeitschriften, lokale Antifa-Gruppen oder Recherche-Strukturen, die erst vor wenigen Tagen umfassend über das Bestehen und die aktuellen Strukturen von „Combat 18“ berichteten. Der Verfassungsschutz zeigt mit diesem Bericht erneut, dass er nicht gebraucht wird. Weder zur Analyse, noch zum „Schutz der Demokratie“.

»»» «Combat 18» Reunion

 

Katharina König ist Expertin für die extreme Rechte, Abgeordnete im Thüringer Landtag für DIE LINKE und Mitglied im dortigen NSU-Untersuchungsausschuss.