Rezensionen Ausgabe 170
von Kai Budler, Sascha Schmidt, Nina Rink
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018
Zwischen Selbstinszenierung und Drohung
von Kai Budler
Nachdem 2014 das erste Handbuch zur »Identitären Bewegung« (IB) von österreichischen AutorInnen erschien und inzwischen bereits seine dritte Auflage erlebte, präsentieren nun erneut HerausgeberInnen aus Österreich einen umfangreichen und vielseitigen Sammelband zum Thema. Schon der Titel »Untergangster des Abendlandes« zeigt, zu welchem Schluss die AutorInnen kommen: Er lehnt sich an den Begriff für die NationalsozialistInnen an, den Karl Kraus 1933 benutzt hatte. Die 14 Beiträge beleuchten verschiedene Facetten der IB, die auch diejenigen überraschen, die sich mit dem Thema schon länger beschäftigen. Im Kapitel über Geschlechterpolitik, Antifeminismus und Homophobie zeigt Judith Goetz auf, dass es bei diesen Themen durchaus verschiedene Auffassungen innerhalb der IB gibt, die jedoch hinter der Propagierung normativer Zweigeschlechtlichkeit und der heterosexuellen Familie verschwinden. Wie bei der bisherigen Forschung zu extrem rechten Frauen arbeitet Goetz verschiedene Identifikationsangebote für Frauen heraus, die sich nicht nur auf »die Freundin des Aktivisten« beschränken. Lesenswert ist auch der Beitrag von Heribert Schiedel, der Konzepte wie Identität, Männlichkeit, Todeskult und Wahn vom bevorstehenden »apokalyptischen Endkampf« als Ähnlichkeiten zwischen djihadistischen und extrem rechten Gruppen wie den »Identitären« analysiert. Die Annäherung von »Identitären« und der russischen Rechten beleuchtet Ute Weinmann und liefert mit den ideologischen Hintergründen das Rüstzeug zur Auseinandersetzung mit anderen Teilen der Rechten, die von »Eurasien« träumen. Die Rezeption »identitärer« Selbstinszenierungen wird im Buch zwar anhand österreichischer Medien analysiert, kann aber auf die Berichterstattung deutscher Medien und deren Fehler übertragen werden. Auch mit einigen von den »Identitären« selbst verbreiteten Mythen räumen die AutorInnen auf und zeigen, dass die AktivistInnen mitnichten gewaltfrei vorgehen oder sich vom Antisemitismus fernhalten. Die Politikwissenschaftlerin Elke Rajahl belegt vielmehr, Antisemitismus bei der IB »findet sich auf allen Ebenen – strukturell, codiert und offen«. Die Stärken des Sammelbandes sind die analytischen Ansätze der AutorInnen, die über manche Wiederholung in den Beiträgen hinwegtrösten. Interessierten LeserInnen bietet er einen fundierten und detaillierten Überblick über Vorläufer, Hintergründe, Strategien und wichtige Themenbereiche der »Identitären«, der mit Tiefe und Analyse glänzt.
Judith Goetz/Joseph Maria Sedlacek/Alexander Winkler (Hg.): Untergangster des Abendlandes. Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‹Identitären‹ Hamburg 2017, Marta Press, 436 Seiten,
20 Euro.
Propaganda 4.0
von Sascha Schmidt
In seinem Buch »Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten Politik machen« setzt sich der ehemalige Wahlkampfmanager und jetzige Politik- und Kommunikationsberater, Johannes Hillje, mit Kommunikationsstrategien »rechtspopulistischer Parteien« in Europa auseinander. Sein Schwerpunkt: die »Alternative für Deutschland« (AfD). Dabei geht Hillje unter anderem den Fragen nach: Mit welchen Mitteln gelingt es »Rechtspopulisten«, aus den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen politisches Kapital zu schlagen? Wie konnte die AfD eine mediale Aufmerksamkeit erreichen, die überproportional zu ihrer politisch-institutionellen Bedeutung ausfällt?
»(Rechts-)Populismus« definiert Hillje nicht als politisches Stilmittel. Der Populismus sei, aufgrund des ihn kennzeichnenden Alleinvertretungsanspruchs für »das Volk«, für Hillje ein »Statement gegen Parteienpluralismus«, eine antidemokratische Ideologie. Trotz der an dieser Stelle etwas holzschnittartigen Beschreibung des Phänomens und begrifflicher Unschärfe, handelt es sich aufgrund von Hilljes kommunikationspolitischen Analysen um ein sehr lesenswertes Buch.
So beschreibt der Autor, wie die AfD mittels verschiedener Instrumente – zum Beispiel dem Framing von Begriffen und sprachlichen Grenzverschiebungen – diskursiven Einfluss auf Politik und Medien erringen konnte. Dabei macht Hillje deutlich, dass diese diskursiven Terraingewinne auch deswegen möglich waren, »weil andere Politiker und Medien kräftig mit angeschoben haben«, indem von der AfD verwendete Begriffe (wie »Lügenpresse« oder »Flüchtlingswelle«) und damit einhergehende Assoziationen, ebenso wie Themen der AfD, vielfach (zu unkritisch) übernommen wurden. Statt sich mit den politischen Positionen der AfD auseinanderzusetzen, finde zudem oftmals eine Fokussierung auf Personen statt.
Ausführlich und anschaulich beschreibt Hillje, wie die AfD über die Strategie der Delegitimierung der Medien und der Selbstdarstellung als ‹Wahrheitspartei›, mittels Social Media zu einer digitalen Macht mit einem alternativen Informationsangebot werden konnte. So erreicht die AfD durch Facebook, Twitter und YouTube bei einzelnen Meldungen bis zu vier Millionen Menschen – und somit zeitweise mehr als die »Tagesschau« oder »heute«. Vor diesem Hintergrund fordert der Autor eine »digitale Konterrevolution«, um »den digitalen Raum nicht den antidemokratischen Kräften« zu überlassen. Hierzu bietet Hillje zahlreiche Gegenstrategien an.
Johannes Hillje: Propaganda 4.0 – Wie rechte Populisten Politik machen. Berlin 2017, Dietz Verlag, 179 Seiten, 14,90 Euro.
Autoritäre Zuspitzung
von Nina Rink
Der Sammelband »Autoritäre Zuspitzung – Rechtsruck in Europa« stellt die Frage nach den Faktoren, die die Entstehung der neueren rechten Bewegungen begünstigt haben, aber auch nach Wechselwirkungen und möglichen Gegenstrategien. Entstanden ist der Band als Ergebnis der Diskussion, die Ende 2016 auf einem Kolloquium des »Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung e. V.« (DISS) stattgefunden hat. Dementsprechend unterschiedlich sind die Beiträge in Stil, Sprache und inhaltlicher Schwerpunktsetzung. Zu Beginn widmet sich Jobst Pauls »Aufriss« entlang den Thesen Didier Eribons den Bedingungen für den Aufstieg rechter Kräfte. Tino Heim macht Wechselwirkungen zwischen dem Anpassungsdruck der Parteien der »Mitte« an rechte Diskurse und die Rolle rechter AkteurInnen als »Katalysatoren genereller gesellschaftlicher Trends« deutlich. Ein Schwerpunkt ist die Analyse der deutschen Verhältnisse, die in Beiträgen zu Verschiebungen im Diskurs um Migration und Flucht, der öffentlich-medialen Verhandlung der Silvester-Ereignisse, der Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über PEGIDA und neonazistische Organisationen wie die NPD dargelegt werden. Sebastian Chawalas Diskursanalyse stellt die Annahme in Frage, der »Front National« habe durch die Besetzung der »Sozialen Frage« vor allem Zuspruch aus den »sozial abgehängten Arbeitermilieus« erhalten. Cordula Heß erklärt, wie die »Schwedendemokraten« mit der »Politisierung der ‹schwedischen Kultur›« eine Grundlage für die Akzeptanz zuletzt massiver Asylrechtsverschärfungen geschaffen haben. Im Blick ist der »Rechtsdrift« im EU-Nachbarland Ukraine. Lara Schulz’ Analyse der dort vorherrschenden Erzählungen zu Nationalmythos und Erinnerungskultur sind aufschlussreich im Hinblick auf gesamteuropäische Tendenzen. Graeme Atkinsons Beitrag beschreibt, wer in Großbritannien für den Austritt aus der EU gestimmt hat und warum sich die damit verbundenen Hoffnungen nicht erfüllen dürften. Der Beitrag »Democracy in the USA – After the 2016 election« legt dar, warum nicht nur Neonazis und »White Supremacists« Donald Trump zum Sieg verholfen haben sondern auch das Wahlsystem der USA. Da Länder wie die »Visegrad-Gruppe«, die südeuropäischen Länder oder Österreich fehlen, eignet sich der Band nur bedingt als Gesamtüberblick. Ein stärkerer Bezug der Texte aufeinander und das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten mit gesamteuropäischer Perspektive hätten die These, dass eine Konkurrenz der völkisch/nationalistischen und »neoliberalen bürgerlichen Eliten« in bestimmten Bereichen zu einer autoritären Zuspitzung geführt haben, bekräftigt.
Isolde Aigner/ Paul Jobst/ Regina Wamper (Hg.): Autoritäre Zuspitzung – Rechtsruck in Europa. Münster: Unrast Verlag 2017, Edition DISS Band 40, 220 Seiten, 24 Euro