Sind AfD und IG Metall unvereinbar?

Michael Ebenau
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März / April 2018

Magazin der rechte rand Ausgabe 171

Manche Entscheidungen sind nicht so einfach umzusetzen. IG Metall Jugend gegen die AfD
© Kai Budler

#Kommentar

Die Debatte um die Gefahr von rechts für die Gewerkschaften hat Fahrt aufgenommen. Ein Auslöser ist, dass zu den Betriebsratswahlen 2018 AfD-Funktionäre und AfD-Anhänger kandidieren. Ein zweiter, dass auch extrem rechte KandidatInnenlisten eingereicht wurden, die sich um das »Zentrum Automobil« (ZA) gruppieren. Die Gruppe ist schon seit Jahren im Betriebsrat des Daimler-Konzerns vertreten.
Dass bei Gewerkschaftsmitgliedern rechte Denkmuster vorhanden sind, ist nicht neu. Studien zeigen dies seit Jahrzehnten. Und auch die Analysen von Bundes- und Landtagswahlen belegen, dass Gewerkschaftsmitglieder oft leicht überproportional rechte Parteien wählen. Neu ist aber die Gefahr von rechts, seit mit der AfD eine Partei entstanden ist, die zu einem verbindenden Zentrum rechter Mobilisierung wurde, das nun auch auf Gewerkschaften und Betriebsräte zielt.
Wie ist mit der Situation umzugehen? Hans-Jürgen Urban, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall, empfiehlt »klare Kante und offene Tür«. Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, schlägt vor: »Wer hetzt, der fliegt.« Und Klaus Dörre, Soziologe an der Universität Jena und der IG Metall als kritischer Wissenschaftler verbunden, wies bei »Spiegel Online« zu Recht darauf hin, »der Antifaschismus gehöre quasi zur Gründungsurkunde der Gewerkschaften. Ihn aufzuweichen, würde sie zerreißen«. Er schlägt daher einen Unvereinbarkeitsbeschluss der Gewerkschaften gegenüber der AfD vor – als einen, aber nicht als einzigen Schritt.

Aktuell gibt es gegen mehr als zehn Organisationen der extremen Rechten Unvereinbarkeitsbeschlüsse der IG Metall. Spätestens beim nächsten Gewerkschaftstag 2019 wird es aller Voraussicht nach Anträge geben, welche die Ausweitung der Unvereinbarkeit auf die AfD beantragen. Als politisches Signal gegenüber der AfD, dass deren Ziele denen der Gewerkschaft diametral gegenüberstehen, taugt ein Unvereinbarkeitsbeschluss ganz sicher. Grundlage dafür ist schon jetzt die Satzung, die in Paragraph 2 regelt, dass sich die IG Metall einsetzt »für die Sicherung und den Ausbau des sozialen Rechtsstaates und die weitere Demokratisierung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung« und die »Demokratisierung der Wirtschaft unter Fernhaltung von neofaschistischen, militaristischen und reaktionären Elementen«.
Ein Unvereinbarkeitsbeschluss wäre ein klares Signal an die Menschen, die in der AfD ihr Heil sehen. Und es wäre auch ein Signal an die vielen Metallerinnen und Metaller, die nicht mit Rechten und RassistInnen in der gleichen Gewerkschaft sein möchten und die sich gegen Neonazi-Aufmärsche oder in der Flüchtlingshilfe engagieren. Insofern ist der Vorschlag von Klaus Dörre zu begrüßen. Allerdings: Die AfD in die Liste der gegnerischen Organisationen aufzunehmen und sie damit als unvereinbar mit einer IG Metall-Mitgliedschaft zu erklären, ist das Eine. Eine Aufnahme im konkreten Einzelfall zu verweigern oder ein Mitglied auszuschließen, ist das Andere. Vereinen ist es eben nicht selbst überlassen, Mitgliedschaften zu regeln, die jeweiligen Verfahren sind gerichtlich überprüfbar. Dies gilt noch einmal mehr für Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Auf die IG Metall finden auch die Vorschriften des Vereinsrechts und des »Bürgerlichen Gesetzbuches« Anwendung. Ein Verein, wie die IG Metall, kann zur Aufnahme von Menschen verpflichtet werden, wenn er eine erhebliche soziale oder wirtschaftliche Machtstellung besitzt und der oder die BewerberIn zur Wahrung wesentlicher eigener Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist. Dem Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Vereins für die Wertung des Ausschließungstatbestandes sind dann engere Grenzen gesetzt. So hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Frankfurt im Jahr 2001 der IG Metall eine solch überragende Machtstellung zuerkannt.

Konkret heißt das: Ein Unvereinbarkeitsbeschluss wäre ein richtiges und wichtiges politisches Signal nach Innen und nach Außen. Dessen tatsächlicher Vollzug würde aber mit Blick auf das Parteiprogramm und die Satzung der AfD beziehungsweise den konkreten Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten – zumal die AfD sich bislang immer sehr freudig darin gezeigt hat, Vorgänge juristisch prüfen zu lassen, die ihr nicht gefallen. Die Tarifverträge der IG Metall sind nur für Mitglieder einklagbar, das könnte auch ein AfD-Funktionär als Grund dafür anführen, dass er IG Metall-Mitglied sein müsse.
Die Diskussion und die Beschlussfassung werden spätestens 2019 erfolgen. Bis dahin und auch darüber hinaus sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt, »rechte KollegInnen« auf andere Art darauf hinzuweisen, dass sie in der IG Metall am falschen Ort sind. Allerdings ist auch selbst zu prüfen, wen man vor die Tür geleiten und um wen man kämpfen will. Denn sicher ist nicht jedes AfD-Mitglied und auch nicht jedeR AfD-AnhängerIn per se extrem rechts und für den Kampf um eine bessere solidarische Zukunft verloren.

Michael Ebenau ist Gewerkschaftssekretär der IG Metall in der Bezirksleitung Mitte für politische Koordination, Kommunikation und Medienarbeit.