Gewalt gegen Gewerkschaften

von Anton Maegerle
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 171 - März / April 2018

#Rückblick

GewerkschafterInnen werden immer wieder von Neonazis bedroht und attackiert.
Beliebtes Angriffsobjekt sind 1.-Mai-Kundgebungen. Wir dokumentieren einige Mosaiksteine der braunen Gewalt gegen Gewerkschaften.

Ausgabe 171 Magazin der rechte rand

© Mark Mühlhaus / attenzione

Angelo Lucifero war einer der bekanntesten Vertreter des gewerkschaftlichen Antifaschismus. Seit Anfang der 1990er Jahre war der damalige Sekretär von ver.di in Thüringen und Sprecher der dortigen Initiative »GewerkschafterInnen gegen Rassismus und Faschismus« Angriffsziel militanter Neonazis. 23 Mal sei er in den vergangenen Jahren überfallen worden, zählte Lucifero 2008 auf. Mehrfach wurden NPD-Kundgebungen gegen den »gewerkschaftlich finanzierten Kleinkriminellen« Lucifero vor seinem Wohnhaus abgehalten. Einmal wurden sogar die Bremsschläuche an seinem Auto durchgeschnitten.

Ende der 1990er Jahre zählte Uwe Zabel, damals Geschäftsführer der IG Metall Elmshorn, zu den bevorzugten Zielobjekten Hamburger Neonazis. Der Grund: Eine zuvor gestartete Kampagne der Gewerkschaft unter dem Motto »Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen«. Zabel wurde auf Flugblättern als »ewiggestriger Antifaschist« beschimpft, Briefkästen seiner Gewerkschaft zugeklebt, Scheiben eingeworfen und das Büro der IG Metall beschmiert. Im April 2000 setzten Neonazis mit einem Transparent über der Autobahn 23 ein Kopfgeld von »10.000 Mark tot oder lebendig« auf Zabel aus und riefen auf: »Elmshorn macht Euch frei von Judentyrannei.« Parallel zum Terror suchten sich Neonazis aus den Reihen der »Freien Nationalisten« und des »Hamburger Sturms« Elmshorn mehrfach als Aufmarschgebiet aus.

Im Mai 2008 wurde ein ver.di-Sekretär in Nordrhein-Westfalen von Neonazis der »Sturmbrigade 95 – Deutschland erwache« mit dem Tod bedroht. Der Mitbegründer der BürgerInneninitiative »No Nazis – Bocholt stellt sich quer« war zuvor im Internet und bei Telefonaten bedroht worden.

Bei der Rückreise von Neonazi-Großkundgebungen in Dresden im Februar 2009 attackierten rechte Schläger auf der Rastanlage Teufelstal an der Autobahn 4 bei Jena gewerkschaftliche GegendemonstrantInnen aus Hessen und Nordrhein-Westfalen. Eines der fünf Opfer, ein 40-Jähriger aus dem Schwalm-Eder-Kreis, wurde dabei schwer verletzt. Das Mitglied der IG BAU erlitt einen Schädelbruch. An dem Überfall waren auch drei Neonazis aus Schweden beteiligt.

Rund 300 Neonazis griffen am 1. Mai 2009 in Dortmund die Kundgebung des DGB auf dem Platz der Alten Synagoge an. Bewaffnet mit Holzstangen und Steinen wurden die KundgebungsteilnehmerInnen attackiert. Die einschreitende Polizei wurde von »Autonomen Nationalisten« aus Dortmund und der Region, auch aus Thüringen, mit Knallkörpern, Flaschen und Steinen beworfen. Polizeifahrzeuge wurden demoliert. Auf ihrem Weg vom Dortmunder Hauptbahnhof in die Innenstadt hatten die heranstürmenden Neonazis »Damals wie heute – Hitlerleute« skandiert.

Am 1. Mai 2011 bauten GewerkschafterInnen am Husumer Hafen die Stände für die Mai-Kundgebung auf, als eine Horde von circa 40 Neonazis Parolen wie »DGB – Arbeiterverräter« und »Nationaler Widerstand« brüllend den Platz stürmte. Tische und Sonnenschirme wurden zerschlagen, Stühle ins Hafenbecken geworfen und Einzelpersonen angegriffen. An dem Überfall waren aktive und ehemalige NPD-Funktionäre beteiligt.

Rund 200 GewerkschafterInnen hatten sich am 1. Mai 2015 in Weimar zur DGB-Veranstaltung eingefunden. Kurz nach Beginn der Kundgebung stürmten Neonazis aus Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen den Platz. Die Angreifer rissen auf der Kundgebung das Mikrofon an sich und skandierten extrem rechte Parolen. Mehrere Personen wurden bei der Attacke verletzt. Am Vortag hatten Neonazis auf dem Facebook-Account der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« dazu aufgerufen, es den »Arbeiterverrätern« zu zeigen. Unter den Hinweisen auf mögliche Ziele wurde auch die Kundgebung in Weimar genannt. Einer der Angreifer der DGB-Veranstaltung versuchte wenige Tage später, eine in Zossen geplante Flüchtlingsunterkunft in Brand zu stecken.

Ende September 2015 wurden in Erfurt mehrere Menschen von Teilnehmern einer AfD-Veranstaltung verletzt. »Mit der Faust wurde mir ins Gesicht geschlagen«, sagte Denny Möller, Thüringens ver.di-Vorsitzender. Der Gewerkschafter war mit einer kleinen Gruppe von GegendemonstrantInnen unterwegs. Mehrere der Angegriffenen erlitten Verletzungen.

Beim osthessischen Gewerkschafter Andreas Goerke, Mitgründer und Sprecher des Vereins »Fulda stellt sich quer«, rückten am 2. Februar 2017 die Feuerwehr und Rettungssanitäter an. Ein anonymer Anrufer hatte gemeldet, das Haus der Familie stehe in Flammen. Am Folgetag wurden dem Gewerkschafter rund 500 Bücher geliefert, die auf seinen Namen bestellt worden waren. Tage später erhielt die Familie ein Schreiben mit einer Morddrohung gegen ihren minderjährigen Sohn. Hinter dem Psycho-Terror gegen den Anti-Rechts-Aktivisten vermutet die Polizei ein politisches Motiv.