der rechte rand

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Druckzeitpunkt: 17.01.2025, 12:19:07

Aktuelle News

Statement zum AfD-Verbot von Bela B


Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

Bela B
Musiker, Autor & Schauspieler

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Bela B Musiker, Autor & Schauspieler Foto: Katja Ruge
Eine AfD-Abgeordnete sitzt wegen Beteiligung an Umsturzplänen in Untersuchungshaft, ganz aktuell ist mindestens ein AfD-Stadtrat wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden, inklusive Schusswechsel mit der Polizei. Man sieht: Die Überwachung des Verfassungsschutzes der AfD ist doch nicht umsonst.
Allein dies – neben all der NS-Rhetorik und der Beschäftigung von über 100 bekannten Rechtsradikalen in den Vorzimmern der AfD-Bundestagsfraktion etc. pp. – reicht doch vollkommen aus, um ein Verbot dieser Partei zu prüfen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Prüfung nichts ergibt, gibt sie unserer Demokratie zumindest Handhabe, in Teilen gegen die AfD vorzugehen; zum Beispiel beim Stichwort Parteienfinanzierung.
Das Argument, ein gescheitertes Verbot würde die Partei stärken, ist inzwischen mehr als hanebüchen – denn wie viel stärker kann sie noch werden? 
Wie der Gründer des Zentrums für Politische Schönheit und Autor, Philipp Ruch, richtig feststellt: »Es ist fünf vor 1933.«

 

Statement zum AfD-Verbot von Anne Rabe


Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

Anne Rabe
Dramatikerin, Lyrikerin, Drehbuchautorin und Essayistin

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Anne Rabe – Dramatikerin, Lyrikerin, Drehbuchautorin und Essayistin
Foto: Amrei-Marie / wikimedia / CC BY-SA 4.0


Das Grundgesetz ist aus der Erfahrung entstanden, dass es Faschisten in der Weimarer Republik möglich war, mit demokratischen Mitteln an die Macht zu kommen. Die Folgen dessen haben unfassbares Leid verursacht. Deshalb war es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes wichtig, mit dem Artikel 21 eine Möglichkeit zu schaffen, dies zu verhindern. Ich begreife diesen Artikel auch als Pflicht aller demokratischen Parteien, die parlamentarische Demokratie zu verteidigen. Deshalb plädiere ich dafür, dass die Abgeordneten des Bundestages das Bundesverfassungsgericht beauftragen, zu überprüfen, ob es sich bei der AfD um eine rechtsextremistische Partei handelt, die unsere Demokratie gefährdet und zerstören will. Ich vertraue dabei auf unsere unabhängige Justiz. Zugleich ist ein mögliches AfD-Verbot nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Rechtsextremismus. Es könnte ein Anfang sein. Der Kampf für unsere Demokratie muss jedoch auf allen Ebenen, politisch wie gesellschaftlich, geführt werden.

Intro

Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

Antifa Magazin der rechte rand
Damit ist eigentlich alles gesagt. Die faschistische AfD gehört
verboten. Punkt. © Mark Mühlhaus / attenzione

Liebe Leser*innen,

der 5. November 2024 wird vielen von uns als ein schwarzer Tag in dieser atemlosen Zeit im Gedächtnis bleiben. Donald Trump gewinnt die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten, die Bundesanwaltschaft geht gegen die bewaffnete rechtsterroristische Gruppierung »SächsischeSeparatisten« mit Verbindungen zur AfD vor und am Abend gibt Olaf Scholz das Ende der Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP bekannt. Damit stehen am 23. Februar 2025 die vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag bevor. Eben solche Neuwahlen hat die »Alternative für Deutschland« seit Monaten lauthals gefordert, der Wahltermin aber hat sie überrumpelt. Auf einem ursprünglich für März 2025 geplanten Bundesparteitag sollte die Parteivorsitzende Alice Weidel als Spitzenkandidatin bestätigt werden. Nun soll es ein Parteitag zwei Monate vorher in Riesa richten und sorgt für organisatorische Probleme. Zudem hatten bei Bekanntgabe des Wahltermins mindestens zehn Landesverbände noch keine rechtssichere Liste für die Bundestagswahl aufgestellt, darunter der mitgliederstärkste Landesverband Nordrhein-Westfalen. Sieben Verbände hatten nicht einmal Termine für die Listenaufstellung festgezurrt, in vielen Kreis- und Landesverbänden wurden noch keine Delegierten gewählt. Strategisch geht es der Partei im Wahlkampf darum, die CDU zu»pulverisieren«, um ihr Wähler*innen abspenstig zu machen. Der AfD-Abgeordnete im Europaparlament, Maximilian Krah, hatte schon im vergangenen Jahr die Union als »strategischenHauptgegner« ausgemacht und als Ziel »die Zerstörung der CDU« ausgegeben. Unbeeindruckt davon macht die Union der AfD noch vor dem eigentlichen Wahlkampfbeginn ein kleines Präsent für ihre Propaganda. Für eine CDU-Direktkandidatur für den Bundestag trat Thomas Haldenwang als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz zurück und lieferte der AfD Munition für ihre Erzählung, der Verfassungsschutz sei unter Haldenwang parteipolitisch »zur Benachteiligung der AfD« missbraucht worden. Auch die für Ende des Jahres angekündigte Höherstufung der AfD als »gesichert extremistische Bestrebung« durch den Inlandsgeheimdienst soll vor der Wahl ausbleiben, weil diese Entscheidung nun zu nah am vorgezogenen Wahltermin liegen würde. Viele hatten auf diese Einstufung gehofft, um damit den Mitte November im Bundestag eingereichten Antrag zur »Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD« zu stützen. Die rechtlich streitbare Terminabsage des Bundesamtes suggeriert bewusst oder unbewusst, dass das Problem – die Gefahr, die von der AfD ausgeht – so drängend nicht sein kann, wenn man denn noch Zeit hat. Dabei belegen Recherchen seit mehr als zehn Jahren die fortlaufende Radikalisierung der Partei und die Gefahren, die daraus resultieren. Es ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die konkret dieser Gefahr ausgesetzt sind, und jener, die ihren Protest gegen genau diese Gefahr Anfang des Jahres massenhaft auf die Straße getragen haben. Für das kommende Jahr lassen die aktuellen Entwicklungen Schlimmes befürchten. Wir sind solidarisch mit allen, die sich auch 2025 dem Rechtsruck entgegenstellen. In diesem Sinn wünschen wir eine erkenntnisreiche Lektüre dieser Ausgabe.

Eure Redaktion

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Der Kampf geht weiter – und wird existenziell

von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

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Fuck Trump Aufkleber aus seiner ersten Amtszeit als Präsident der USA.
© Mark Mühlhaus / attenzione

Nach dem umfassenden Wahlsieg Donald Trumps – eine deutliche Mehrheit im Electoral College, Mehrheiten der Republikanischen Partei im Senat und im Abgeordnetenhaus sowie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (People’s Vote) – geht der ehemalige und zukünftige Präsident nun rasch daran, für die Regierungsämter Personal zu benennen. Die bisher bekannt gewordenen Nominierungen stehen in klarer Übereinstimmung mit den vom Gespann Trump-Vance immer wieder formulierten Zielen. Einige Beispiele:
Linda McMahon, als Wrestling-Unternehmerin zu einem Milliarden-Vermögen gekommen, soll Bildungsministerin werden; sie hatte zuvor bereits einmal erfolglos für den US-Senat kandidiert und Trump bei seinen Wahlkämpfen bereits mit etwa 90 Millionen US-Dollar unterstützt. Ihre Qualifikation: ein Jahr lang Mitglied eines Schulausschusses. Aber Trump will das Bildungsministerium ja ohnehin abschaffen.


Mit Andrew Puzder ist der langjährige Geschäftsführer der »CKE Restaurants« als Arbeitsminister im Gespräch. Ihm geht es wie Trump darum, Maßnahmen rückgängig zu machen, die ihm als wirtschaftsfeindlich gelten, zum Beispiel die Ausweitung der Überstundenvergütung, die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialfaktoren bei Investitionen in die Altersvorsorge sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung für Landarbeiter*innen mit Saisonvisa.


Auch Elon Musk fährt eine Kampagne gegen das »National Labor Relations Board«, die einzige Bundesbehörde, die Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen entscheidet.
Auf das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung macht sich der Milliardär Bill Pulte Hoffnung; in dieser Position soll laut Trump die Obdachlosigkeit beseitigt werden, indem es Aufenthaltsverbote gibt und die Betroffenen in »Zeltlagern« konzentriert und isoliert werden sollen.
Matthew Gaetz, der kurzzeitig als designierter Justizminister gehandelt wurde, hatte zuvor die Putschist*innen vom 6. Januar 2021 verteidigt, ein Bundesgesetz gegen Menschenhandel abgelehnt und massive Gewalt gegen Antifaschist*innen gefordert. Der entschiedene Abtreibungsgegner ist einer der Hardliner der Republikanischen Partei. Nach Gaetzs Rückzieher hat Trump seine Anwältin Pam Bondi nominiert. Die ehemalige Staatsanwältin hatte Trump im Amtsenthebungsverfahren verteidigt.
Der zukünftige Energieminister, der Milliardär Chris Wright, leugnet den Klimawandel und wird aktiv die fossilen Energien fördern. Die Ansätze der Biden-Regierung, die globale Erwärmung zu begrenzen, verglich er mit dem Sowjet-Kommunismus.


»Fox-News«-Moderator Pete Hegseth – bis auf eine erfolglose Bewerbung für einen Sitz im US-Senat für Minnesota ohne politische Erfahrung und ohne umfassende Kommandoerfahrung als Militär – soll das Verteidigungsministerium leiten. Den Einsatz von Frauen in Kampfverbänden lehnt er ab.
Als Innenminister ist Doug Burgum vorgesehen, der als Gouverneur von North Dakota ein nahezu vollständiges Verbot von Abtreibungen durchgesetzt hat, rassismuskritische Inhalte aus den Schulen verbannte und Einheiten der Nationalgarde nach Texas schickte. Er wird Trumps Vorhaben der Massendeportationen aktiv betreiben.

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Zum Vorsitzenden der Aufsichtsbehörde für Telekommunikation FCC will Trump Brendan Carr machen. Die Behörde vergibt nicht nur Lizenzen für Radio- und TV-Sender und Trump hat angekündigt, unliebsamen Sendern die Lizenz zu entziehen – Carr soll zudem dafür sorgen, dass problematische Inhalte auf digitalen Plattformen nicht mehr moderiert werden. Carr zufolge gehe es darum, »das Zensurkartell zu zerschlagen und die Rechte der freien Meinungsäußerung wiederherzustellen«.
Während die Loyalität zu Trump und der unbedingte Wille zur Umsetzung eines Programms der »White Supremacy«, der »Male Supremacy«, der materiellen Umverteilung von unten nach oben sowie der fortgesetzten Ausbeutung und Zerstörung der Natur die wesentlichen Auswahlkriterien gewesen sein dürften, gibt es hinsichtlich der fachlichen Kompetenz bei den meisten dieser Personalien starke Zweifel. Dies könnte einer breiteren Öffentlichkeit spätestens bei den verfassungsrechtlich vorgesehenen Bestätigungen im US-Senat klar werden. Dort ist es üblich, dass insbesondere die Opposition kritische Fragen nach Kompetenz, Charakter und Gesetzestreue stellt. Eine Ausnahmeregelung würde es Trump jedoch erlauben, den Senat nicht einzubeziehen und seine Kandidat*innen quasi durchzuwinken. Dieses Verfahren bedarf jedoch der Zustimmung der republikanischen Mehrheit; finden sich vier ihrer Mitglieder im Senat, die am traditionellen Verfahren festhalten wollen, dann scheidet diese Option für Trump aus. Ob es diesen Willen zur Verteidigung des Prinzips der Gewaltenteilung, einer fundamentalen Säule von Demokratien, noch gibt, ist jedoch fraglich.


Unter den Anhänger*innen Trumps findet die Personalauswahl große Zustimmung; sie werden als Quereinsteiger*innen gesehen, die das korrupte System in Washington aufmischen würden. Robert F. Kennedy Jr. – als Impfgegner für die Position des Gesundheitsministers vorgesehen – wird als Kreuzritter für neue Lösungen gefeiert. Demgegenüber gilt der designierte Außenminister Marco Rubio vielen als zu wenig Anti-Establishment.

Übernimmt Trump den District of Columbia?
Neben seiner Macht bei der Vergabe von Ministerposten hat Trump in Bezug auf die lokale Politik in Washington, D.C. weitgehende Befugnisse. In der Hauptstadt haben bei der Präsidentschaftswahl lediglich 6,5 Prozent für Trump gestimmt. Dieser hat im Wahlkampf bereits mit der Übernahme des Distrikts durch die Bundesbehörden gedroht. Er hatte die Stadt immer wieder als Hort der Kriminalität bezeichnet. Jeder Präsident der Vereinigten Staaten hat enorme Macht, wenn es um D.C. geht, weil die Stadt keinem Bundesstaat ist angehört. Der Präsident kann darum die Polizeibehörde und viele der Befugnisse der Bürgermeisterin und des Stadtrats von D.C. übernehmen. Trump könnte entweder einen fiskalischen oder einen kriminellen Notstand ausrufen und dann eine fünfköpfige Behörde ernennen, die die Stadt regieren würde. Dies würde auch die laufenden Geschäfte der Regierung von Washington betreffen. Unter diesen Umständen hätten die Bürgermeisterin und der Stadtrat von D.C. nur noch sehr wenig Macht.


Der Präsident könnte sich sogar auf den Insurrection Act berufen, den er in seiner ersten Amtszeit in Erwägung zog, um Proteste auf den Straßen von D.C. niederzuschlagen. Trump hat die Befugnis, das Metropolitan Police Department von D.C. zu übernehmen, die Nationalgarde abzuordnen und militärische und bundesstaatliche Strafverfolgungsbehörden wie die U.S. Park Police zu aktivieren. Die Verantwortlichen in Washington, D.C. sind zudem besorgt, dass die Republikaner die Gesetze in Washington ändern könnten, da sie die Kontrolle über das Repräsentantenhaus und den Senat haben, einschließlich der Gesetze über Einwanderung, Abtreibung und ärztlich assistierten Suizid. Bereits das Drehbuch des Project 2025 hatte sich spezifisch mit der Stadt befasst und vorgeschlagen, die Beschäftigung mit Rassismus in Schule zu verbieten. Auch der Abzug einiger Bundesbehörden würde für die Stadt negative Auswirkungen haben. Für Trump ist die Stadt quasi ein Hort des ihm verhassten Liberalismus. Insofern wird er diesen nicht unbeachtet lassen wollen.

Gegen die Politik der Angst
Die Aussage Trumps, dass sich wahre Macht in der Fähigkeit zeige, Angst zu erzeugen, ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie Trump und seine zukünftige Administration in den kommenden vier Jahren die Regierungsmacht und die ihm mittels des Präsidentenamtes zur Verfügung stehenden Gewaltmittel einsetzen wollen. Da ist es wenig verwunderlich, wenn in vielen gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen, die sich für soziale Emanzipation und Gerechtigkeit, umfassende Geltung der Bürger*innen- und Menschenrechte sowie gegen Diskriminierung und strukturellen Rassismus einsetzen, große Besorgnis herrscht. Überall wird jedoch hervorgehoben, dass die Fortsetzung, ja Intensivierung solcher Aktivitäten nun wichtiger denn je sei.


Das Southern Poverty Law Center (SPLC), die wohl bekannteste gemeinnützige US-Organisation gegen rechtsradikale Gruppen, Hate Crimes und Rassismus, hatte vor der Wahl noch eine umfassende Recherche und Analyse über die zahlreichen Gruppen und Einzelpersonen veröffentlicht, die behauptet haben, erneut werde eine große Wahlfälschung zum Nachteil Trumps vorbereitet. Diese Erzählung war zentrales und in verschiedenen Variationen wiederholtes Thema der Trump-Propagandamaschine seit 2020. Das SPLC verkündete nach der Wahl: »Nun müssen wir – mehr als jemals zuvor – zusammenarbeiten, um jene Werte zu schützen, die eine faire und inklusive Zukunft für uns alle sichern.« Weil – wie bei vielen anderen zivilgesellschaftlichen Verbänden und Einrichtungen – die Projekte und Kampagnen des SPLC an Spenden hängen, wird auch dazu aufgerufen.

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The Washington Post.


Die American Civil Liberties Union (ACLU) ist eine der ältesten Nichtregierungsorganisationen in den USA, die seit 1920 – meist juristisch – für eine umfassende Beachtung und Durchsetzung der Bürger*innenrechte gegen den Staat eintritt. Dabei geht es vor allem um das Recht auf Meinungsfreiheit, den Schutz der Privatsphäre, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, die Trennung von Kirche und Staat sowie die Gleichberechtigung von Homosexuellen. Ständiges Anliegen sind auch die Todesstrafe und Polizeibrutalität. Bereits kurz nach der Wahl schaltete die ACLU eine ganzseitige Anzeige in einer großen Tageszeitung. Ihr Direktor, Anthony D. Romero, konstatierte, dass der Sieg Trumps die Umsetzung lange angekündigter Politiken bedeute: das Auseinanderreißen von migrantischen Familien, gesundheitliche Schädigung vieler Frauen durch die Verweigerung reproduktiver Rechte, Entrechtung von Transgender-Personen und ein schärferes Vorgehen gegen die politische Opposition und Protestierende. Man wisse, dass Verzweiflung und Resignation keine Strategie sein können. Sls ACLU werde man die Angst in Handeln überführen. Gemeinsam sei man stark genug, die grundlegenden demokratischen Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Entsprechend betonte Romero, dass man in über 430 Fällen juristisch gegen die erste Trump-Administration vorgegangen sei: »Wir haben einen Plan, um zurückzuschlagen – und erneut zu gewinnen.« Whistleblower aus der zukünftigen Trump-Regierung werde die ACLU ebenso juristisch unterstützen wie auch gegen die Diskriminierung von LGBTQI-Menschen sowie die geplanten Massendeportationen vorgehen.
Black Lives Matter, 2013 von drei Schwarzen Frauen gegründet, erklärte nach dem Wahlergebnis, dass vor allem Schwarze, Indigene, Einwander*innen, Arme und Unterklassenangehörige von der zukünftigen Politik Trumps angegriffen werden. Die Mehrheit der Wähler*innen habe die Stimme in vollem Bewusstsein der rassistischen und sexistischen Positionen Trumps abgegeben. Nun erwarte man, dass die zweite Regierungsperiode Trumps deutlich aggressiver werde – angesichts dieser Situation gehe es darum, die Hoffnung am Leben zu erhalten. Black Liberation und die Auslöschung der »White Supremacy« blieben das Ziel. Ein Zitat von Assata Shakur, einem früheren Mitglied der Black Liberation Army, unterstreicht den ungebrochenen Kampfeswillen.


Antifaschistische Gruppen rechnen damit, zum Ziel umfassender Repressions- und Verfolgungsmaßnahmen zu werden. Sie kündigen ebenfalls an, weiterhin aktiv gegen rechte Organisierung und Aktivitäten aufzutreten, sehen aber auch die Notwendigkeit, die Selbstschutzstrukturen zu verstärken, da die extreme Rechte in all ihren Varianten sich durch den Trump-Wahlsieg stark ermutigt fühlt. Auch Organisationen wie Planned Parenthood (PP), die sich seit Jahrzehnten für reproduktive und sexuelle Gesundheit einsetzen und für viele Frauen eine wichtige Anlaufstelle für Schwangerschaftsabbrüche sind, haben sich nach dem Wahltag öffentlich geäußert. In einer Videobotschaft hat die Vorsitzende von PP sehr nachdrücklich betont, dass man niemals aufhören werde, für das Recht zu kämpfen, dass die Entscheidung zum Abbruch ausschließlich bei der Frau liege. Die National Organization for Women (NOW) ist mit etwa 500.000 Mitstreiter*innen die größte liberale feministische Vereinigung in den USA. In einer Erklärung am Tag nach der Wahl hieß es, dass Trump gewonnen habe, weil er den Teil der Wähler*innenschaft angesprochen habe, dem Rassismus und Misogynie wichtiger als Demokratie sei. Aktuell sei ein Drang zum Rückzug zwar verständlich, aber es gelte nun innezuhalten, zu analysieren, zu trauern und Strategien zu entwickeln, wie die Strukturen der Ungleichheit dauerhaft beseitigt werden können. Trotz der schwierigen Lage sei man nicht besiegt und werde nun die Anstrengungen verdoppeln. Zugleich ruft NOW die Mitglieder des Kongresses auf, gegen einen Gesetzentwurf zu stimmen, mit denen Organisationen die Steuervergünstigung entzogen werden kann. NOW befürchtet, dass dieses Gesetz ein Ansatzpunkt für Trumps Rachefeldzug werden wird. Die Organisator*innen des Women’s March rufen inzwischen unter dem Motto »Our Bodies. Our Future« zu großen Demonstrationen am 18. Januar 2025 in Washington, D.C. und andernorts auf.

https://www.womensmarch.com/

Intro

Redaktion
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 210 - September | Oktober 2024

Liebe Leser*innen,

»Es ist dem Neofaschismus in einem qualitativ neuen Ausmaß gelungen, Massenstimmungen für sich zu organisieren. (…) Dieses Potenzial ist mobilisierungsfähig in mehrfacher Hinsicht. Als Gewaltreserve gegen Linke und Minderheiten. Als Wählerreservoir. Als gesellschaftlicher Stimmungserzeuger.« Dies schrieben 1989 die Initiator*innen von »der rechte rand« in der ersten Ausgabe des Magazins. Es war die Zeit des damaligen Aufstiegs extrem rechter Parteien wie »Deutsche Volksunion« (DVU) oder »Die Republikaner« (REP). Nach dem Einzug der REP in das Berliner Abgeordnetenhaus im Januar 1989 demonstrierten mehr als 10.000 Menschen gegen die Partei. Fünf Monate später zog sie ins Europäische Parlament ein und war nach 1992 für neun Jahre im Landtag von Baden-Württemberg vertreten. Die DVU erhielt 1987 bei der Landtagswahl in Bremen 3,4 Prozent und vier Jahre später 6,2 Prozent der Stimmen, in Schleswig-Holstein wurde sie bei der Landtagswahl 1992 drittstärkste Partei. Antifaschist*innen schlugen Alarm. Die damaligen Ergebnisse scheinen lächerlich angesichts der aktuellen AfD-Erfolge bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen, die demokratische Strukturen, Minderheiten und Aktive massiv bedrohen. Und seit einigen Jahren lässt sich verstärkt beobachten, dass aus den menschenverachtenden Worten immer häufiger Taten werden. Diejenigen, deren Teilnahme an den Protesten nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherche als »ermutigendes Zeichen« gelobt wurde, müssen erfahren, dass das auch von politischen Parteien viel beschworene »Nie wieder ist jetzt« wohl nicht so ernst gemeint war. Von dem Demokratiefördergesetz, das demokratische Projekte und Initiativen langfristig fördern soll, ist seit dem Entwurf aus dem Jahr 2022 nichts mehr zu hören. Und auch die Prüfung eines AfD-Verbots lässt auf sich warten. Dabei belegen die aktuellen Wahlergebnisse die Gefahr, die von der Partei ausgeht. Anders als beim zweiten NPD-Verbotsverfahren, als das Bundesverfassungsgericht die NPD als zu schwach einschätzte, um ihre Ziele umzusetzen. Stattdessen wird wieder einmal die Migrationspolitik verschärft, wird die Abschottung Deutschlands forciert. Die AfD braucht nicht mitzuregieren, sie gibt schon seit zehn Jahren den Ton in den Debatten an. In ihnen beteiligen sich Parteien rege am Überbietungswettbewerb und bespielen rechte Themen nur noch mehr. Derweil erhält die AfD wie in Thüringen Zugriff auf reale Machtressourcen und wird mit ihren neu erhaltenen Möglichkeiten den parlamentarischen Betrieb blockieren und ihn vorführen. Das Entsetzen über die Wahlergebnisse und ihre Folgen sollte aber nicht den Blick auf die solidarischen Netzwerke und Strukturen verstellen, die sich in den drei Bundesländern vor den Wahlen gebildet haben. Sie und ihre Aktiven müssen gestärkt und unterstützt werden. Die AfD wird durch die aktuellen Wahlen in ihren Vorbereitungen auf die Bundestagswahl im Herbst 2025 gestärkt. Dies sollten wir im Blick behalten und gemeinsam den Aufstieg der Faschist*innen stoppen. Es gibt viel zu tun – machen wir weiter!

Eure Redaktion

 

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Falsch abgebogen

von Lina Dahm
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 210 - September | Oktober 2024

Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage, was ein »richtiger Mann ist«, geraten einige junge Männer in einen Sumpf aus Queer- und Frauenfeindlichkeit. Extrem rechte Akteur*innen wissen das zu nutzen.

Antifa Magazin der rechte rand
Nazis gegen den CSD in Magdeburg am 24. August 2024.
© Mark Mühlhaus / attenzione

Kaum etwas hat Konservative, die christliche und die extreme Rechte in letzter Zeit so sehr in Rage versetzt wie die Olympia-Eröffnungsfeier Ende Juli in Paris. Der Grund für die wütenden Reaktionen war eine Szene mit queeren Künstler*innen, die viele Beobachter*innen fälschlicherweise für eine Aneignung von Leonardo da Vincis Bild »Das letzte Abendmahl« hielten. Die Empörung hätten sie sich sparen können, da als Inspiration das Bild eines Festmahls der Götter auf dem Olymp diente. Trotzdem schimpfte der Vatikan in einem Interview über »blasphemische Verhöhnung« und die rechte Kampagnenplattform »CitizenGo« startete die obligatorische Petition, um eine Entschuldigung des Internationalen Olympischen Komitees einzufordern. Der bayerische AfD-Funktionär Matthias Vogler sah in der Auftaktveranstaltung »das Zeichen des Untergangs der zivilisierten Welt« und die »Kölner Burschenschaft Germania« rief in den sozialen Netzwerken kurzerhand zur »Revolte gegen die moderne Welt« auf.

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Die Spiele waren schon vorbei, als der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt die Empörung in den sozialen Netzwerken in der ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause jedoch noch einmal aufgriff und einen Antrag mit dem Titel »Queere Propaganda spaltet – Olympia muss verbinden« einbrachte. Der Antrag wurde abgelehnt, doch wie so oft ging es der AfD nicht um Zustimmung, sondern darum, Bühne und Redezeit zu nutzen, um Themen zu setzen. Dafür griff Tillschneider »tief in den rhetorischen Fundus faschistischer Kulturkämpfe«, wie Volker Weiß in der Süddeutschen Zeitung analysiert. In Paris hätten »Mann-Frau-Mischwesen die Zweigeschlechtlichkeit und damit die Grundlage menschlicher Existenz und die göttliche Schöpfungsordnung in Frage« gestellt, ätzte Tillschneider in seiner Rede, die das Präsidium fast schon stoisch hinnahm und von den Parlamentarier*innen inhaltlich nicht pariert wurde. Die Eröffnungsfeier sei »Ausdruck allerallerhöchster Dekadenz« und »reine Perversion« gewesen, die nur das Ziel gehabt habe, die »normale Bevölkerung« maximal zu provozieren. In der achtminütigen Rede präsentierte Tillschneider sich und seine Partei als einzige Kraft, die sich den dekadenten Abgründen des Westens ernsthaft entgegenstellen würde. Als Gegenmodell propagiert er stattdessen Zweigeschlechtlichkeit, Heterosexualität und traditionelle Geschlechterrollen die »gott-« oder »naturgegeben« seien.

Antifa Magazin der rechte rand
© Mark Mühlhaus / attenzione

Neues Aktionsfeld CSD-Paraden
Dass diese reaktionären Geschlechtervorstellungen kein Alleinstellungsmerkmal der AfD sind, zeigte sich knapp zwei Wochen vor Tillschneiders Rede in Sachsen. Dort hatten Neonazis unter dem Motto »Gegen Genderpropaganda und Identitätsverwirrung« gegen die Parade anlässlich des Christopher Street Days (CSD) in Bautzen mobilisiert und 650 überwiegend junge Männer auf die Straße gebracht. Die Bilder des rechten, pöbelnden Mobs gingen durch die Medien, weitere extrem rechte Mobilisierungen gegen CSD-Paraden in ostdeutschen Städten wie Leipzig, Magdeburg, Plauen, Zwickau oder Zeitz folgten. Für die extreme Rechte sind die Proteste gegen CSDs ein neues Aktionsfeld, das die eher zäh laufenden Mobilisierungen zum Gedenken an die alliierten Bombardierungen in Dresden oder zum 1. Mai ergänzen soll. Den Aufrufen gegen die queere Community folgten viele junge Männer, die augenscheinlich nicht der organisierten neonazistischen Szene zuzuordnen sind und die man habituell eher in Fußball-Kontexten verorten würde.

Auf der Suche nach der Männlichkeit
Parteistrukturen wie den »Jungen Nationalisten« und »Freien Sachsen« oder auch der Neonazi-Kameradschaft »Elblandrevolte« scheint es über die Brückenthemen Queerfeindlichkeit und Antifeminismus gelungen zu sein, ein neues Milieu anzusprechen und auf die Straße zu mobilisieren. Angesichts der antifeministischen Kampagnen gegen geschlechtersensible Sprache, Gendertheorien oder das Selbstbestimmungsgesetz überrascht das nicht. Attraktiv sind für viele zudem die klassischen Geschlechterrollen, welche die extreme Rechte propagiert und die vielen in unsicheren Zeiten Halt geben (sollen). Insbesondere für junge Männer, die sich in einer neoliberalen Leistungsgesellschaft abgehängt und überfordert fühlen, keine Partnerinnen finden oder schlicht auf Identitätssuche sind, werden die »Identitäre Bewegung« oder die »Elblandrevolte« zum Anziehungspunkt. In diesen Strukturen können sie sich gegenseitig ihrer Männlichkeit versichern und bekommen mit dem Narrativ, Feminist*innen würden ihnen ihre Männlichkeit nehmen, gleich noch die Schuldigen für ihre Misere serviert. Ein Ergebnis davon sind die Proteste gegen CSD-Paraden, wo erlebnisorientierte Jugendliche eine Möglichkeit zum Ausprobieren und nicht zuletzt auch ein Ventil für ihre Unzufriedenheit finden.


Die queere Community muss sich angesichts der neuen Bedrohung mit Schutzkonzepten auseinandersetzen und außerhalb der sogenannten bürgerlichen Mitte, wo antifeministische und queerfeindliche Positionen immer noch weit verbreitet sind, Allianzen suchen. Leipzig machte es vor. Dort waren es Antifaschist*innen, die mit ihrer Mobilisierung gegen die neonazistischen Proteste mit dazu beitrugen, dass der rechte Mob seinen Tag im Bahnhof weitab der CSD-Parade verbringen musste.

Trump – Second Term

von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

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Religion & Glauben. In der Nähe des weißen Hauses: Sikhs for Trump

Der Wahlerfolg Trumps und der Republikanischen Partei ist weitreichend. Nicht nur konnte Trump auch in Wahlkreisen, in denen er zuvor bereits gut abgeschnitten hatte, noch zulegen – auch der Senat hat nun eine rechte Mehrheit. Harris hat bereits mitgeteilt, dass die Biden-Regierung die Amtsgeschäfte sorgsam übergeben wird.

Mit dem Presidential Transition Act von 1963  wurde ursprünglich geregelt, wie die Übergabe der Amtsgeschäfte abläuft, denn die erfolgreiche Partei muss Einblick in laufende Projekte und Aktivitäten bekommen und die Einstellung des politischen Personals organisieren. Dieser Übergang fand in der Vergangenheit recht geräuschlos statt – bis im Jahr 2020 die zuständige General Service Administration-Leiterin Emily Murphey, eine Regierungsbeamtin der Trump-Regierung, sich drei Wochen lang weigerte, Bidens Sieg anzuerkennen – eine Voraussetzung dafür, dass die Übergabe beginnen kann. Mit dem Presidential Transition Improvement Act von 2022 wurde dieser Schritt abgeschafft. Als Voraussetzung für die Vorbereitung bedarf es jedoch der Unterzeichnung einer Ethikverpflichtung und Vereinbarungen über die Offenlegung und Begrenzung von Spendengeldern für den Übergang; dies hat Trump im Unterschied zu Harris noch nicht getan.

Im Unterschied zur ersten Wahl zum US-Präsidenten haben sich Trump und die Republikaner nun systematisch vorbereitet, um dauerhaft Strukturen und Personal zur eigenen Machtsicherung einzusetzen. Mehrere konservative Denkfabriken haben als Ergebnis langjähriger Arbeit Pläne vorgelegt, was nun zu tun ist. Die Heritage Foundation hat eine umfassende Schrift erarbeitet (Project 2025), in der neben der Ausweitung exekutiver Befugnisse und einer weitreichenden Auswechslung des Personals in den Bundesbehörden (Kriterium nun: Loyalität zum Trump-Kurs) unter anderem die Unterstellung der Federal Communications Commission unter direkte Kontrolle des Präsidenten gefordert wird. Trump hat im Wahlkampf wiederholt behauptet, er habe mit dem Projekt nichts zu tun; eine Recherche der New York Times hat allerdings ergeben, dass etwa dreißig der vierzig Autor*innen der Schrift entweder in der ersten Regierungsadministration Trumps gearbeitet haben oder zu seinen Wahlkampfteams bzw. Teams für die Vorbereitung der Regierungsgeschäfte gehörten.

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Willard Hotel in DC, gegenüber vom Weißen Haus; dort sitzen die Trump-Leute, die zukünftige Regierungsbeschäftigte auf politische Zuverlässigkeit/Linientreue checken.

Zu den erklärten Prioritäten für die erste Phase der neuen Regierung gehören drastische Maßnahmen zum Stopp der Immigration und die Stärkung einer Agenda, die heteronormative Ordnungsvorstellungen wieder als Norm setzt. Dies verbindet Trump mit dem Ziel der Stärkung eines traditionalistischen Verständnisses des Christentums, denn Gott habe eben nur zwei Geschlechter geschaffen. Im Wahlkampf hatte er Harris immer wieder als anti-christlich bezeichnet, weil sie sich für die Normalisierung religiöser Vielfalt eingesetzt hat. Trump will die Dominanz des Christentums wieder herstellen. Vance hatte in Wahlkampfauftritten immer wieder formuliert, dass Christus König über alle Schöpfung sei. Und mit der Dominanz konservativer Richter*innen im Verfassungsgericht hat auch die Bedeutung von christlicher Religion in öffentlichen Räumen wieder zugenommen. Wenige Tage, nachdem das Gericht die Jahrzehnte alte Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch gekippt hatte, urteilte es, dass ein Trainer das verfassungsmäßige Recht habe, an der 50-Yard-Linie zu beten. In Alabama beispielweise zitieren Gesetzgeber der Republikanischen Partei häufig Bibelstellen, wenn Entscheidungen gegen LGBTQ+-Rechte oder Frauenrechte getroffen werden.

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In den letzten drei Präsidentschaftswahlen hat Trump jeweils gut 80 Prozent der Stimmen der Evangelikalen bekommen. Bemerkenswert ist, dass der Zuspruch zu traditionalistischen Auslegungen des Christentums insbesondere bei jungen Männern steigt. Die Botschaften – Frauen unterwerfen sich freiwillig ihren Ehemännern, die beiden Geschlechter haben je spezifische Rollen in der Ehe und in der Kirche – zielen auf die Stärkung der männlichen Vorherrschaft und sind entsprechend attraktiv für (junge) Männer, die sich benachteiligt fühlen und dafür den Feminismus und die Gleichstellungspolitik verantwortlich machen.

Trump und Vance haben im Wahlkampf deutlich gemacht, dass ihr Ziel die weiße Vorherrschaft ist und daher Massendeportationen stattfinden würden. Die von ihnen benutzte Sprache der Entmenschlichung bereitet solche Gewaltaktionen vor. Sie zeichnen ein Zerrbild migrantischer Gewalt und Kriminalität. Wie der Direktor für Einwanderungsstudien am Cato Institute, David J. Bier, in einem Gastbeitrag in der Washington Post verdeutlichte, zeigen Zahlen des nationalen Census-Büros, dass Migrant*innen – legal oder illegalisiert – maximal die Hälfte der Inhaftierungsrate von US-Bürger*innen erreichen, also besonders gesetzestreu sind. Mit Blick auf die Bekämpfung von Kriminalität verwundert es etliche Beobachter*innen zudem, dass während der Trump-Regierung mehr als 58.000 verurteilte Straftäter entlassen wurden, darunter 8.600 Gewaltverbrecher und 306 Mörder.

Das Justizsystem sieht Trump als Waffe, um seine politischen Gegner*innen einzuschüchtern und auszuschalten. Schon jetzt gibt es im Obersten Gericht eine starke konservative Mehrheit; der Senat – nach dieser Wahl ebenfalls durch die Trump-Partei kontrolliert – ist für die Bestätigung von Richter*innen zuständig. Derzeit sind vierzig Stellen von Bundesrichter*innen unbesetzt, weitere werden in den kommenden vier Jahren hinzukommen. Sie alle kann Trump nun mit treuen Gefolgsleuten besetzen. Systematisch wird an der Aushebelung der Gewaltenteilung gearbeitet.

Gerne hätte Trump in seiner ersten Regierungszeit auch das Militär eingesetzt, etwa zur Niederschlagung der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt. Immer wieder bezog er sich auf den Insurrection Act von 1807, der es erlaubt, US-Militär im Innern einzusetzen. In einer Sitzung mit hohen US-Militärs beschimpfte er diese als „Loser“, da sie ihm widersprachen. Zum ranghöchsten Militäroffizier, General Milley, gewandt, sagte er mit Blick auf die Protestierenden: „Können Sie nicht einfach auf die schießen? Einfach nur in die Beine schießen oder so?“ Milley formulierte später, dass er sicher sei, dass Trump einen „Reichstag“-Moment finden werde, um massive Waffengewalt einzusetzen.

Der Wahlerfolg Trumps wird für die Arbeiter*innen, die zu einem großen Teil Trump gewählt haben, negative Auswirkungen haben: im Bereich der Arbeitssicherheit, beim Zugang zu Leistungen und Rechten für Arbeitnehmer*innen in der Gig-Economy und anderen Niedriglohnsektoren. Es wird zudem erwartet, dass eine der ersten Amtshandlungen sein wird, Jennifer Abruzzo zu entlassen. Sie spielte im National Labor Relations Board eine wichtige Rolle in den juristischen Auseinandersetzungen bei den Versuchen von Starbucks, Amazon und Tesla, sich die Gewerkschaften vom Hals zu halten. Der Gründer von Amazon, Jeff Bezos, ist inzwischen Besitzer der Washington Post. Diese war mit der Entscheidung, keine – traditionell pro-Demokratische Partei – Wahlempfehlung abzugeben, wenige Tage vor der Wahl stark kritisiert worden. Opportunismus und materielle Interessen des Eigentümers von einer zukünftigen Trump-Politik profitieren zu können, sind hier exemplarisch sichtbar geworden.

Die aufgewärmte Lüge von der gestohlenen Wahl und andere Verschwörungserzählungen

von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

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Donald Trump hat insbesondere in den vergangenen Tagen vielfach davon gesprochen, dass eine Niederlage bei den Wahlen am 5. November nur Ergebnis einer erneuten Wahlfälschung sein kann. Ob in Lititz (Pennsylvania), Salem (Virginia), Greensboro (North Carolina) oder in seinen Botschaften auf X oder »Truth Social« – regelmäßig behauptet er, dass die Demokraten betrügen würden, und fordert seine Anhänger*innen auf, aufmerksam zu sein und solche Fälschungen nicht zuzulassen.

Die Behauptung von der gestohlenen Wahl und aktuellen Wahlfälschungen wird von vielen extrem rechten Akteur*innen in zahlreichen Kontexten wiederholt. Nachdem YouTube im Juni 2023 entschieden hatte, der Lüge über Wahlfälschungen nicht mehr entgegenzutreten, wurde die weltweit größte Video-Plattform mit entsprechenden Videos geflutet. In einer Analyse der Forschungsgruppe Media Matters kam heraus, dass auf den dreißig wichtigsten konservativen YouTube-Kanälen, die die Falschinformation verbreiten, zwischen Mai und August 286 Videos hochgeladen wurden, die dann mehr als 43 Millionen Mal angeklickt wurden.

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Im Bundesstaat Pennsylvania, den wohl Kamala Harris und Trump mit Blick auf einen Gesamtsieg jeweils gewinnen müssen, ist beispielsweise Scott Presler aktiv. Er tritt besonders in Luzerne County bei den öffentlichen Sitzungen der Wahlkommission auf und unterstellt mit seinen Fragen, die Registrierung von Pro-Trump-Wähler*innen würde bewusst verzögert und Wahlunterlagen für die Briefwahl nicht ausgeliefert. Solche Positionen vertrat er auch bei Steve Bannon in dessen podcast-Sendung War Room. In Luzerne – derart im Fokus extrem rechter Aufmerksamkeit –  gibt es ernste Sicherheitsbedenken. Gegen mögliche Anschläge mit Autobomben auf das Büro der Wahlkommission wurden inzwischen massive Felsbrocken aufgestellt. Auch an zahlreichen anderen Orten sind die Maßnahmen zum Schutz von Wähler*innen, Wahlurnen und den Wahlhelfer*innen deutlich verstärkt worden, nachdem es in den letzten Monaten vermehrt Drohungen gegeben hatte.

Um verbreitetes Misstrauen zu zerstreuen, dass die Wahlurnen manipuliert werden, wird es an vielen Orten eine Liveübertragung aus dem Raum geben, in dem die Wahlurnen aufbewahrt werden. Auch deren Öffnung und die Auszählung werden kameraüberwacht.

Die Republikanische Partei gibt an, über 230.000 Personen als Wahlbeobachtende mobilisiert zu haben. Seitens der staatlichen Wahlorganisationen wird befürchtet, dass dies die Auszählung verlangsamen könnte, da dauernd wegen angeblicher Falschzählungen unterbrochen werden muss, aber auch, dass Fotos kontextlos in den digitalen Öffentlichkeiten verbreitet werden, um Stimmung zu machen. Die Trump-Partei hat sich in dieser Sache unter anderem mit der Gruppe »Election Integrity Network« zusammengetan, deren Vorsitzende Cleta Mitchell bereits 2020 am Versuch beteiligt war, Trump an der Macht zu halten.

Die Verschwörungserzählung einer erneuten Wahlfälschung wird auch von den »Proud Boys« verbreitet, die maßgeblich an der Organisation von Gewalt am 6. Januar 2021 beteiligt waren. Nach der Verurteilung einiger Führungskader hat sich die Gruppe neu organisiert. Die »Proud Boys« aus Nordphoenix haben auf der Trump-Plattform »Truth Social« ein Foto mit einem Waffenarsenal und der Botschaft verbreitet, sie seien im November bereit. Das Chapter in Ohio hat gepostet, dass man vorbereitet sei, sollte es im Falle eines Sieges von Trump zu antifaschistischen Aktionen kommen. Mindestens zwei Bundesstaaten, Nevada und Washington, haben die Nationalgarde in Alarmbereitschaft versetzt.

Am Sonntag erklärte Trump rückblickend, dass er das Weiße Haus 2020 nicht hätte verlassen sollen. Er wärmt damit jene Legende auf, die er seit Ende 2020 verbreitet und die eine der Grundlagen war, die zum Sturm auf das Capitol am 6. Januar 2021 beigetragen haben. Trump hat erklärt, er werde das Ergebnis der Wahl nur anerkennen, sofern es eine »faire Wahl« war. Seine fortgesetzten Behauptungen, es komme zu Fälschungen, bereiten bereits die Grundlage dafür, dass er dies nicht so sieht. Im Falle eines Wahlsieges feiert er dann, dass er trotz des Betrugs gewonnen habe.

Zudem ist erneut damit zu rechnen, dass Trump sich noch vor Auszählung aller Stimmen erneut zum Wahlsieger erklären wird; zentrale Akteure aus dem Trump-Lager wie etwa Michael Flynn, der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Trumps, hat erklärt, dass es zu Kundgebungen vor Orten der Stimmauszählung kommen wird, wenn nicht noch in der Wahlnacht ein Ergebnis feststeht. Bereits 2020 hatten in Michigan aufgebrachte Trump-Fans an die Scheiben der dortigen Kongresshalle gehämmert und ein Ende der Auszählung gefordert.

Im Wesentlichen folgt das Trump-Lager der Strategie von 2020: Beanspruche den Sieg – säe Zweifel – störe.

Die fortgesetzten Erzählungen zum angeblichen Wahlbetrug sind Teil einer viel umfassenderen Matrix an Verschwörungsbehauptungen, die über »Truth Social«und auch über X verbreitet werden. Dazu gehört ebenfalls die Behauptung, die Demokratische Partei würde das Land mit Geflüchteten fluten, um sich mit deren Stimmen an der Macht zu halten, oder dass die Berichterstattung auf die Probleme bei Boeing dadurch motiviert sei, im Interesse Chinas den heimischen Markt mit Flugzeugen aus China zu versorgen. Eine zufällig zeitgleich in den USA stattfindende sicherheitspolitische Tagung zum Umgang mit Notlagen wird von rechtsaußen als Hinweis auf eine geplante gewaltsame Machtübertragung an Harris missdeutet. Laura Loomer, eine rechte Influencerin, verbreitete diese Deutung am 19. Oktober erstmals auf X; vier Tage später gab es dazu bereits etwa 11.500 Reposts von Accounts, die zum Teil über eine Million Follower haben.

Elon Musk, der im April 2022 twitter für 44 Milliarden US-Dollar erworben und dies vor allem mit einer Free Speech-Motivation begründet hat, unterdrückt inzwischen selbst Nachrichten, die sich kritisch mit ihm oder dem Trump-Lager befassen. Zudem hat er mit »America PAC« ein Kampagnenprojekt zur Unterstützung Trumps ins Leben gerufen und mit 120 Millionen Dollar ausgestattet. Er selbst sieht sich im Falle eines Wahlsieges von Trump bereits als Chef einer neuen Behörde, die der Effizienz des Regierungshandelns verpflichtet sein soll. Und hat angekündigt, damit dann über 2 Billionen US-Dollar einsparen zu wollen – mehr als die aktuellen Ausgaben für das US-Militär, die Bildung und die Innere Sicherheit zusammengerechnet. Mit Musk und Trump haben sich tatsächlich zwei Männer gefunden, die in ihrem ich-bezogenen Größenwahn für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit toxisch sind.

Die frauen- und queerfeindliche Agenda eines Donald Trump.

von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

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Trump verknüpft Migration mit der Sicherheit von Frauen und hat zuletzt bei einer Wahlversamm-lung in Wisconsin erneut betont, dass er Frauen schützen werde, unabhängig davon, ob diese das wollten oder nicht. Deutliche Kritik musste sich allerdings auch der Milliardär Mark Cuban gefallen lassen, der als Harris-Unterstützer geäußert hatte, dass Trump sich nicht mit klugen und starken Frauen umgebe. Rechte Boulevard-Blätter wie die New York Post skandalisierten dies massiv.

Eine Umfrage des Wall Street Journal hat ergeben, dass 33 Prozent der Trump-Wähler*innen Schwangerschaftsabbruch ganz oder mit wenigen Ausnahmen legalisieren wollen und 62 Prozent diesen verbieten möchten. Bei den Wähler*innen von Harris sind es 92 Prozent beziehungsweise 6 Prozent. Harris setzt in ihrer Kampagne stark auf die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung und hebt im Rahmen des Wahlkampfs die dramatischen physischen und psychischen Folgen für Frauen hervor, denen die Möglichkeit zum Abbruch verwehrt wurde.

Anti-queer
In den USA werden Maßnahmen zur Gleichstellung und zur Förderung von Vielfalt häufig unter der Begrifflichkeit Diversity, Equity and Inclusion (DEI/Vielfalt, Gerechtigkeit, Inklusion) verhandelt. Sie zielen darauf ab, faire Behandlung und volle Teilhabe aller Menschen zu fördern, insbesondere von Gruppen, die in der Vergangenheit unterrepräsentiert waren oder aufgrund ihrer Identität oder Behinderung diskriminiert wurden. Vielfalt bezieht sich dabei unter anderem auf Beschäftigung in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Hat die Biden-Regierung knapp zwei Drittel Frauen für das Amt von Richter*innen nominiert, so waren es unter der vorhergehenden Trump-Regierung lediglich ein Viertel. Dabei waren 84 Prozent der von Trump nominierten Richter*innen Weiße, während es unter Biden 39 Prozent waren. »Project 2025« – eine Initiative der einflussreichen erzkonservativen »Heritage Foundation«, bei dem zahlreiche enge Mitarbeiter*innen Trumps beteiligt sind – zielt auf eine weitreichende Umsteuerung der Strukturen und Politiken der Bundesbehörden ab. Neben einem umfangreichen Austausch von Personal, um absolute Loyalität zu Trump herzustellen, geht es auch darum, konservativ-christliche Wertvorstellungen als Norm zu verankern. In diesem Kontext ist auch die Streichung der DEI-Programme vorgesehen. Damit würden etwa LGBTQ+-Menschen höheren Alters noch gefährdeter für Diskriminierungen im Beruf, im Gesundheitswesen und auf dem Wohnungsmarkt. Diese Gruppe ist ohnehin bereits von einem hohen Maß an sozialer Isolation, Armut und gesundheitlichen Problemen betroffen.

Rechte Angriffe auf die Normalisierung von Vielfalt finden sich zudem quer durch die USA im Bildungsbereich. Weil dort auf kommunaler Ebene wichtige Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel über Finanzen, den Lehrstoff und die Lehrmaterialien, hat die Republikanische Partei in Kooperation mit lokalen und regionalen rechten Initiativen systematisch begonnen, die knapp 14.000 School Boards – Ausschüsse, die den lokalen Schulbetrieb regeln – ins Visier zu nehmen und ihren Einfluss dort zu vergrößern. Die School Boards werden zum größten Teil gewählt; auch dort wird der Kulturkampf von rechtsaußen vorangetrieben. Im Ergebnis werden Bücher zu Homosexualität und gesellschaftlicher Vielfalt aus den Schulbibliotheken verbannt. Beispiel Maryland: In Carroll County waren davon ein Jugendroman für Homosexuelle von Steven Salvatore (»And They Lived«) und ein Roman von Ellen Hopkins über eine junge Frau, die von ihrem Vater sexuell misshandelt wird (»Identical«) betroffen. Im Wicomico County traf es »All Boys Are Blue« von George M. Johnson, einen Roman über das Erwachsen werden eines* queeren Teenagers, und im Queen Anne’s County einen Roman von Jacqueline Woodson (»Harbor Me«) über Kinder unterschiedlicher kultureller Herkunft, die sich mit einer Vielzahl an Problemen konfrontiert sehen.

 

Entscheidet sich die Wahl an der ökonomischen Lage?

von Fabian Virchow
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 211 - November | Dezember 2024

In den jüngsten Befragungen der Wähler*innen, von denen im Vergleich zur Wahl im Jahr 2020 bereits viele per Briefwahl abgestimmt haben, wird insbesondere die Wahrnehmung der ökonomischen Lage als entscheidungsrelevant hervorgehoben. Aktuell liegt die Erwerbslosenquote in den USA bei einem historisch tiefen Stand von 4,1 Prozent und die Löhne sind im Durchschnitt inflationsbereinigt höher als vor der Covid-19-Pandemie. Gleichwohl ist für viele US-Amerikaner*innen, insbesondere aus der Arbeiterklasse, die subjektive Wahrnehmung eine andere. Sie erinnern vor allem die steigenden Preise, die weltweit als Folge der Pandemie auftraten, und so eröffnete Trump zuletzt viele seiner Kundgebungen mit der Frage: »Geht es Euch heute besser als vor vier Jahren?« und die Menge antwortete erwartbar mit einem vielstimmigen »Nein« – die hohe Arbeitslosigkeit am Ende der Trump-Legislatur vergessend oder verdrängend.

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Zu den Ankündigungen, die Trump zuletzt gemacht hat, gehört die Aussage, umfangreiche Steuersenkungen zu realisieren, etwa bei Trinkgeldern. Auf diese sind viele der Working Poor als Einnahmequelle angewiesen und das hört sich insofern attraktiv an. Der reale Effekt dürfte begrenzt sein, da in vielen Fällen solche Einkommen so gering sind, dass ohnehin kaum oder gar keine Steuern anfallen. Trump kündigt zudem an, die Einkommenssteuer abschaffen zu wollen. Was sich für viele Wähler*innen nach einer unmittelbaren Verbesserung ihrer Einkommenssituation anhört, erweist sich bei näherem Hinsehen jedoch als Taschenspielertrick, denn die Gegenfinanzierung, die er anbietet – die Erhöhung von Zöllen auf importierte Güter um zehn bis zwanzig Prozent; in Bezug auf Importe aus China nennt er mit 60 Prozent noch höhere Zahlen – wird letztlich in Form steigender Preise an die Verbraucher*innen weitergereicht, da viele US-Unternehmen auf importierte Güter, Vorprodukte und Materialien angewiesen sind. Von solchen Steuerminderungen würden jedoch vor allem die einkommensstarken Gruppen in der US-Gesellschaft profitieren. In der Summe will Trump daher eine Umverteilungspolitik radikalisiert fortsetzen, wie er sie bereits in seiner ersten Legislaturperiode praktiziert hat. Dennoch findet die Idee der Anhebung von Zöllen laut Umfragen Zustimmung bei vielen Wahlberechtigten in den Swing States im Norden der USA. Diese Zustimmung basiert nicht immer auf der Erwartung, selbst davon zu profitieren, sondern wird häufig positiv als Zeichen gedeutet, dass sich die Regierung für sie gegen andere Länder einzusetzen bereit ist.

Dass Trump dennoch überproportional Zuspruch aus der Arbeiterklasse erhält, hat mit einer längerfristigen Entwicklung zu tun, bei der insbesondere weiße Männer ohne Hochschulabschluss in ihrer ökonomischen Situation vergleichsweise schlechter abschneiden. Für einen Teil von ihnen sind da die rassistischen und misogynen Botschaften, die nicht nur Trump selbst, sondern auch andere Redner*innen bei den Kundgebungen verbreiten, anschlussfähig. Da auch Schwarze und Latinos zum Teil die Einwanderung als zunehmende Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt wahrnehmen, findet Trump auch dort Zuspruch. Mit den Wahlkampfauftritten in Nevada, Arizona und New Mexico versucht er, insbesondere Stimmen von Hispanic-Americans zu gewinnen. Im Jahr 2020 hat er etwa 35 Prozent ihrer Stimmen bekommen, nach aktuellen Umfragen werden es etwa 40 Prozent sein. Hier zahlt sich für Trump aus, dass er weiterhin auf die Dramatisierung des Themas Immigration setzt.

In der Endphase des Wahlkampfes konzentrieren sich beide Teams auf die unentschlossenen Gelegenheitswähler*innen. Bei den sogenannten Super Votern, die regelmäßig an den Präsidentschaftswahlen und den Midterm Elections teilnehmen, liegt Kamala Harris in Umfragen etwas vor Trump. Bei denjenigen, die nur gelegentlich an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen, liegt Trump mit zehn Prozent Vorsprung deutlich vorne. Gerade bei diesen Wähler*innen ist die Bewertung der ökonomischen Lage mit über 70 Prozent eher negativ.

Trump profitiert von einem Wahlkampfstil, in dem er gerade nicht auftritt wie ein Präsident, sondern eher wie ein Bürgermeister, der sich um jede Kleinigkeit kümmert. Er spricht in seiner Volkstümlichkeit eher Personen an als Prinzipien. Harris wirbt zwar damit, dass sie aus der Mittelschicht stammt, aber immer wieder wird ihr vorgeworfen, dass sie keinen Kontakt zu Durchschnittsamerikaner*innen – auch Schwarzen – habe.

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Trump und Harris halten ihre Abschlussveranstaltungen beide in Pittsburgh ab, denn Pennsylvania ist ohne Zweifel mit 19 zu gewinnenden Stimmen der gewichtigste Swing State. Tausende Freiwillige sind unterwegs, um für Trump/Vance beziehungsweise Harris/Walz Werbung zu machen. Der Bundesstaat war lange eine solide Basis der Demokratischen Partei. Im Zuge der Krise der Schwerindustrie und des verarbeitenden Gewerbes ist jedoch nicht nur die Zahl der Einwohner*innen Pittsburghs von über 670.000 auf rund 300.000 gesunken, sondern auch die gewerkschaftliche Schlagkraft und die Verbindung zur Demokratischen Partei. Stattdessen verfangen auch hier stärker Free-Market-Parolen und rechtspopulistische Rhetorik, die die Bedrohung vor allem im Außen (Immigration, internationale Konkurrenz) behaupten und die systemischen Ursachen damit ausblenden.