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Aktuelle News

Recht an der Grenze – Grenzen des Rechts

von Clara Bünger
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 199 - November | Dezember 2022

#Frontex

Antifa Magazin der rechte rand
Demonstration des Bündnisses »Seebrücke« 2018

Im Juli 2022 versucht eine Gruppe hauptsächlich aus Syrien stammender Geflüchteter von der Türkei kommend über den Fluss Evros nach Griechenland und somit in die Europäische Union zu gelangen. Der Evros markiert nicht nur eine Grenze, sondern ist seit Jahren Schauplatz einer brutalen Abschottungspolitik – mit fatalen Folgen für Menschen, die ihn auf ihrer Flucht, in der Hoffnung auf Schutz, überqueren wollen. Da griechische Sicherheitskräfte den Weg zum Ufer versperren, landet die Gruppe erstmals auf einer Sandbank mitten im Fluss. Von dort werden die Menschen schließlich zurück auf türkisches Gebiet gedrängt. Dort wartende türkische Soldaten zwingen die Schutzsuchenden jedoch zurück in den Fluss. So strandet die Gruppe erneut, in einer Art Limbus gefangen, auf der Sandbank, wo sie wochenlang ungeschützt und ohne Versorgung bei extremer Hitze ausharren muss. Am 20. Juli fordert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die griechische Regierung auf, zu helfen. Am 8. August stirbt Maria A., ein fünfjähriges syrisches Mädchen, mutmaßlich an den Folgen eines Skorpionbisses auf der Sandbank. Obwohl Videos mit Hilferufen existieren, kommt niemand, um ihr zu helfen. Das alles geschieht vor den Augen der EU, den EU-Behörden wie Frontex und den griechischen Behörden. Maria hätte nicht sterben müssen. Sie ist nicht das erste Opfer der brutalen EU-Migra­tionspolitik. Ihr tragischer Tod ist einer von vielen Fällen, die den Alltag von Schutzsuchenden an der EU-Außengrenze zeigen. Gravierende Menschenrechtsverletzungen und ungeheuerliche Verbrechen sind an den EU-Außengrenzen zum Regelzustand geworden; mehr noch, sie sind elementarer Bestandteil der heutigen EU-Flüchtlingspolitik.

EU-Türkei-Deal
Die Situation am Evros im August 2022 steht beispielhaft für die Situation von Schutzsuchenden und ist Ergebnis einer längeren Entwicklung der Erosion des Menschenrechtsschutzes innerhalb der EU, dem der sogenannte Flüchtlingssommer 2015 und der für einen sehr kurzen Zeitraum weitgehende Zusammenbruch des EU-Grenzregimes voranging. Infolgedessen haben die europäischen Regierungen alles darangesetzt, Fluchtwege wieder abzuschneiden und die Grenzen mit Gewalt zu schließen und zu »schützen«. Für die EU stand die Abschottung und die Abwehr von Schutzsuchenden spätestens ab diesem Zeitpunkt an oberster Stelle, weshalb sie sogar einen Deal mit dem Despoten Erdo?an einging. Am 18. März 2016 wurde in Brüssel im Europäischen Rat einstimmig für eine Erklärung EU-Türkei gestimmt. Die türkische Regierung sollte sechs Milliarden Euro erhalten, wenn sie im Gegenzug Geflüchtete zurücknimmt, die »irregulär« in Griechenland ankommen, und wenn sie sich verpflichtet, Flüchtende aufzuhalten. Das Beschlossene wurde in eine Pressemitteilung gegossen. Dabei handelt es sich nicht um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag oder Ähnliches, sondern nur um eine politische Absichtserklärung der Chef*innen von EU-Staaten mit der Türkei. Dennoch hatte diese Pressemitteilung eine sofortige Auswirkung auf tausende Flüchtende, die sich damals im Grenzgebiet zwischen Griechenland und der Türkei auf den Inseln in der Ost-Ägäis aufhielten. Von einem auf den anderen Tag wurden Menschen, die tausendfach mit Gummibooten von der Türkei kommend auf den griechischen Inseln landeten und zuvor ohne Hindernisse mit der Fähre auf das Festland Griechenlands reisen konnten, auf den griechischen Inseln festgehalten und in sogenannten EU-Hotspots inhaftiert.
Um das neue Abschottungskonzept der EU umzusetzen, wurde ein Grenzschnellverfahren etabliert, in dem im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung die Türkei faktisch als »sicherer Drittstaat« etabliert wurde. Während dieses Verfahrens ist es den Schutzsuchenden grundsätzlich verboten, die Inseln zu verlassen – was vorhersehbar zu einer Überfüllung der Lager und so zu einem Leben unter elendigsten und menschenunwürdigen Bedingungen geführt hat. Im Zuge dessen kam es zu zahlreichen Verletzungen von Grund- und Menschenrechten, was auch der UN Special Rapporteur on the Human Rights of Migrants feststellte.

Herrschaft des Unrechts
Weitere eklatante Verschärfungen folgten, als Griechenland im März 2020 die Aussetzung des geltenden Asylsystems etablierte. Die von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis verfolgte »neue Taktik« beinhaltete auch »präventive Maßnahmen« in Bezug auf Ankünfte an den See- und Landgrenzen. Diese bedeuteten einen massiven Einsatz von Polizei- und Militärkräften, die mit einer dramatischen Steigerung von rechtswidrigen Zurückweisungen an der Grenze, sogenannten Pushbacks, einhergingen. Bei seinem Versuch, nach Griechenland zu fliehen, wird in diesem Zusammenhang Muhammed Gulzar am 4. März 2020 am Evros erschossen. Zahlreiche Organisationen, darunter auch das Deutsche Institut für Menschenrechte, haben die dortigen gewalttätigen Zurückweisungen als klaren Verstoß gegen internationales und EU-Recht bezeichnet.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste im März 2020 zwar an die griechisch-türkische Grenze, aber nicht etwa, um die offensichtlichen Rechtsverstöße zu ahnden und Griechenland zur Einhaltung von EU-Recht zu ermahnen. Stattdessen lobte sie vielmehr den Einsatz Griechenlands. Wörtlich sagte sie: »Ich möchte Griechenland dafür danken, dass es unser europäischer Schutzschild ist.« Diese Äußerung war eine weitere Zäsur: Damit legitimierte die EU menschenrechtswidriges Handeln und machte deutlich, dass rechtswidrige Menschenrechtsverletzungen erwünscht sind, solange sie der effektiveren Abschottung der (Außen-)Grenzen dienen.

Rechtsverschärfungen und Menschenrechtsverletzungen
Seit Sommer 2021 haben tausende Schutzsuchende versucht, über Belarus nach Polen in die EU einzureisen. Die polnische Regierung riegelte daraufhin die Grenze mit einem großen Polizei- und Militäraufgebot ab, ließ Zäune errichten und verhängte entlang des Grenzgebiets einen Ausnahmezustand. Zu dem entsprechenden Bereich hatten weder Journalist*innen noch Hilfsorganisationen oder Rechtsanwält*innen Zugang. Selbst der Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, wurde der Zutritt versagt. Polen hat bereits Ende Oktober 2021, also nur wenige Monate nachdem die Zahl der Schutzsuchenden rasant gestiegen war, ein Gesetz eingeführt, das Pushbacks auf nationaler Ebene legalisiert. Mindestens 21 Menschen sind in wenigen Monaten in den Wäldern des polnisch-belarussischen Grenzgebiets gestorben. Wenn Geflüchtete es doch über die Grenze geschafft haben, ohne von polnischen Grenzbeamt*innen zurückgeschoben oder im Wald festgehalten zu werden, wurden sie unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern inhaftiert.

Erosion der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
Griechenland und Polen sind zwei Beispiele von vielen. Auch an anderen europäischen Grenzen stehen rechtswidrige und mit äußerster Brutalität durchgeführte Pushbacks auf der Tagesordnung: Diesen Juni starben 23 Menschen bei dem Versuch, die spanische Exklave Melilla zu erreichen. Anfang 2022 haben kroatische Grenzbeamt*innen Geflüchtete buchstäblich aus der EU rausgeprügelt, allein an der Grenze von Kroatien zu Bosnien-Herzegowina wurden von Menschenrechtsorganisationen zwischen Juni 2019 und September 2021 30.309 Pushbacks durch die kroatische Grenzpolizei dokumentiert. Menschenrechte werden gebrochen und staatliche Akteure, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, werden nicht verfolgt. Stattdessen werden Gesetze verschärft, um Rechtsbrüche nachträglich zu legalisieren und noch weiter zu verallgemeinern. Alle Appelle, die EU-Kommission möge ein funktio­nsfähiges Monitoring für Menschenrechtsverletzungen etablieren oder Vertragsverletzungsverfahren einleiten, weil Mitgliedsstaaten gegen EU-Recht verstoßen, sind deshalb zum Scheitern verurteilt. Im Gegenteil, es ist gerade die EU-Kommission, die die Mitgliedstaaten in ihrem Handeln bestärkt, wenn sie offensichtliche Menschenrechtsverletzungen begehen – und sie dabei zum Beispiel von den EU-Agenturen unterstützt werden.

Menschenrechtsverletzungen mit Unterstützung von Frontex?
Die Verwicklung der sogenannten Grenzschutzagentur Frontex in systematische Pushbacks der griechischen Küstenwache ist durch journalistische Recherchen schon seit Längerem bekannt, wie zahlreiche Recherchen unter anderem von Der Spiegel und Lighthouse Reports zeigen. Letzte Zweifel daran. dass Frontex in massenhafte Rechtsbrüche involviert war, räumte im Februar 2022 der vorgelegten Bericht der EU-Antikorruptionsbehörde OLAF aus, der über die Transparenzplattform FragDenStaat veröffentlicht wurde. Pushbacks wurden durch die Mitgliedstaaten entweder vertuscht oder sie hatten bewusst weggesehen, auch bei mit EU-Mitteln co-finanzierten Aktionen. Dass die EU als Ganzes, geschweige denn die Mitgliedstaaten, daraus Konsequenzen ziehen, ist bisher alles andere als absehbar. Das europäische Recht ermöglicht den Betroffenen einer menschenrechtswidrigen Grenzpolitik kaum einen Zugang zu effektivem Rechtsschutz. Eine umfassende Reform des Rechtsschutzes und ein Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention sind nötig, um Agenturen wie Frontex zur Verantwortung zu ziehen.

Clara Bünger ist Rechtsanwältin und sitzt für die Partei Die Linke im Bundestag.

»Was kümmert mich die Unabhängigkeit der Richter, solange ich über ihre Beförderung entscheide.«

von Klaus Thommes
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 199 - November | Dezember 2022

#System

Einige Bemerkungen aus dem Maschinenraum der deutschen Justiz zu deren Struktur im historischen und europäischen Vergleich.

Antifa Magazin der rechte rand

Die Idee von Justiz lebt sehr wesentlich von Unabhängigkeit. Ohne tief in Staatstheorie einsteigen zu wollen, ist das ohne Zweifel ein ganz wesentlicher Teil von Rechtsprechung. Wie kann die Unabhängigkeit derjenigen, die Rechtsstreite zu entscheiden haben, abgesichert werden? Hierauf finden sich sehr verschiedene Antworten. Vielleicht lohnt auch ein Blick über die Grenzen.
Nach dem Ende des Faschismus standen sowohl Deutschland als auch Italien vor der Frage, was aus dem totalen Versagen der jeweiligen Justizsysteme im Faschismus mit Blick auf den Aufbau einer neuen, demokratischen Justiz zu lernen sei. Beide Länder haben durchaus unterschiedliche Konsequenzen gezogen: Während die BRD einfach an dem aus Kaiserzeiten überlieferten System festhielt, hat Italien eine völlig neue Struktur geschaffen. Diese neue (italienische) Struktur haben auch die iberischen Länder nach dem Ende der dortigen Diktaturen in jeweils eigenen Ausprägungen übernommen. Nach dem Zusammenbruch des sogenannten Ostblocks sind die osteuropäischen Länder beim Neuaufbau ihrer Justiz allerdings nicht dem Beispiel Deutschlands, sondern eher – mit vielen Unterschieden im Einzelnen – den Modellen Italiens, Spaniens und Portugals gefolgt. Sowohl die Richter*innen in der Gewerkschaft ver.di, in der Neuen Richtervereinigung als auch zuletzt im Deutschen Richterbund haben das deutsche System kritisiert und eigene Modelle vorgestellt, die sich am italienischen/iberischen System orientieren.

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Ganz kurz – wie unterscheiden sich die Systeme und warum könnte so etwas politisch wichtig sein?
In Deutschland ist die Unabhängigkeit der Richter*innen verfassungsrechtlich garantiert (Art. 97 Absatz 1 Grundgesetz). Mir ist auch nach über 30 Jahren in der Justiz noch kein Fall bekannt geworden, in dem etwa eine Richter*in von der Regierung angewiesen worden ist, wie ein Fall zu entscheiden sei. Dagegen würden sich auch konservative Kolleg*innen strikt verwahren. Anrufe in der Verwaltung eines Gerichts, wie ein bestimmter Spruchkörper so entscheidet, sind mir indessen schon bekannt geworden. Eine andere Frage und ausdrücklich nicht Gegenstand dieses Textes ist es, wie sich gesellschaftliche Erwartungshaltungen und schichtspezifische Präformierungen auf das Justizpersonal auswirken.
Warum ist das dennoch bemerkenswert? Unabhängige Richter*innen sind dazu berufen, zu überprüfen, ob Entscheidungen der Exekutive, zum Beispiel Versammlungsbehörde oder Jobcenter, rechtmäßig sind. Eben diese Exekutive entscheidet aber auch darüber, wer in der Justiz aufsteigt oder wer überhaupt eingestellt wird. Da könnte sich ein Webfehler verbergen. Daher auch die Überschrift dieses Beitrags, die auf einen Ausspruch des preußischen Justizministers Gerhard Adolph Wilhelm Leonhardt (*1815, †1880) zurückzuführen ist.

Wird auf die Füße getreten, wenn man aufstiegswillig ist?
Befördert die Exekutive Leute, die ihr auf die Füße treten?
Wie wirkt dieses System auf das Personal ein?

Die deutsche Justiz ist hierarchisch tief gestaffelt. Zwischen Richter*innen im Eingangs­amt, etwa am Amtsgericht, Arbeitsgericht, Sozialgericht oder Verwaltungsgericht, und Vorsitzenden Richter*innen an einem Bundesgericht liegen zehn Besoldungsstufen. Das macht nicht nur im Geld, sondern auch im Sozialprestige und in der Arbeitsweise/Arbeitsbelastung ganz erhebliche Unterschiede aus.
Wie ist der Zugang zu den »besseren« Stellen geregelt? Die Entscheidungen darüber, wer befördert wird, werden im zuständigen Ministerium getroffen. Grundlage der Beförderungsentscheidung sind Beurteilungen der jeweiligen Präsident*innen. Diese haben sich verfassungsrechtlich bei ihrer Beurteilung an Eignung, Leistung und Befähigung zu orientieren (Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz).
Dazu vielleicht zwei Anekdoten: Ein Kollege bei einem Oberlandesgericht bewirbt sich auf eine Stelle als Vorsitzender Richter, die öffentlich ausgeschrieben worden ist. Daraufhin erhält er einen erstaunten Anruf von dem Kollegen, der als Präsidialrichter dem Präsidenten zuarbeitet, wieso er sich denn bewerbe – er sei dazu doch gar nicht aufgefordert worden. Ein anderer Kollege wird von einer Bundestagsabgeordneten, die Mitglied des Richterwahlausschusses nach Artikel 95 Absatz 2 Grundgesetz ist, zur Wahl als Bundesrichter vorgeschlagen. Daraufhin wird der Kollege von seinem Präsidenten als ungeeignet beurteilt. Der Kollege sucht das Gespräch mit dem Präsidenten, der ihm mitteilt, er habe jemand anderen für die dem Bundesland zustehende Position vorgesehen. Er sei gern bereit, die Beurteilung zurückzunehmen, wenn der Kollege zusichere, seine »Bewerbung« zurückzunehmen und weiter zusichere, sich nicht wieder ohne Aufforderung seines Präsidenten auf eine derartige Stelle zu bewerben.


Dieses System ist einmal mit folgenden Worten zusammengefasst worden: In der Justiz wird nicht derjenige befördert, der am besten beurteilt worden ist, sondern es wird derjenige am besten beurteilt, der befördert werden soll.


Deutlich wird: Zentrale Schaltstelle sind die Präsident*innen und ihre Beurteilungen. Das hat das politische System durchaus verstanden und seine Konsequenzen gezogen: In einem großen norddeutschen Bundesland ist es zum Beispiel so, dass alle Oberlandesgerichts­präsident*innen, der Präsident des Oberverwaltungsgerichts und die Präsidentin des Landessozialgerichts zuvor lange an herausragender Stelle im Landesjustizministerium gearbeitet haben. Wie kommt man dahin? In vielen Fällen, indem man in einer politischen Partei ist oder ihr zumindest »nahesteht« und dann bei der Arbeit im Ministerium nachweist, verstanden zu haben, wie »Justizverwaltung« funktioniert.
Zusammenfassend: Das deutsche System ist tief hierarchisch und seit Kaiserzeiten wie eine Behörde konstruiert; Aufstieg hängt vom Wohlwollen der Exekutive ab. Menschen sind geneigt, für solche Versuchungen anfällig zu sein.


In Italien hingegen wählen alle Richter*innen den obersten Rat der Gerichtsbarkeit. Dieser oberste Rat entscheidet darüber, wer wo Dienst tut. Besoldung ist nicht zwingend damit verknüpft, an welchem Gericht oder in welcher Instanz Dienst getan wird. Nicht zwingend ist es zum Beispiel, Personen, die von ihrer Anlage her gern tief über Probleme nachdenken, an einem Gericht der ersten Instanz einzusetzen, in dem hohe Fallzahlen zu bewältigen sind. Dafür sind möglicherweise andere Qualitäten gefragt – etwa die Fähigkeit in einer mündlichen Verhandlung die Interessen der Beteiligten zu erkennen, auf sie einzugehen und nach einvernehmlichen Lösungen zu suchen. Die Verhandlungen des obersten Richterrates in Italien sind öffentlich, werden beispielsweise im Radio übertragen. Anders als in Deutschland ist in Italien auch die Staatsanwaltschaft unabhängig und unterliegt nicht den Weisungen des Justizministers. Das hat immerhin dazu geführt, dass im Rahmen von »mani pulite« (»saubere Hände«) das ganze etablierte politische System in Italien in die Luft geflogen ist. Ob das, was da jetzt entstanden ist, viel besser ist, kann man sich zwar fragen. Schuld daran ist aber sicherlich nicht die Unabhängigkeit der italienischen Justiz. Die Kolleg*innen in Italien wählen ihre Vertreter*innen im obersten Richterrat nach politischen Listen der verschiedenen Verbände. Damit kommt das eminent Politische dieser Dinge auch öffentlich zum Ausdruck.


Dieses System haben sowohl Spanien als auch Portugal im Großen und Ganzen übernommen – jeweils mit nationalen Besonderheiten. Das ist im Einzelnen oft sehr spannend. In Spanien ist es beispielsweise so, dass Leitungsfunktionen in Gerichten auf Zeit gewählt werden und die Möglichkeit der Wiederwahl eingeschränkt ist. Dort hat man nach dem Ende der Franco-Zeit die Erfahrung gemacht, dass das konservative Richterkorps sich immer wieder gleichgesinnte junge Kolleg*innen kooptiert und damit auch die Mehrheiten im obersten Richterrat dominiert hat. So ist die Wahl der Vertreter*innen auf das Parlament übertragen worden, das nach den dortigen Mehrheiten über Listenvorschläge aus der Richter*innenschaft entscheidet. Das Besoldungssystem kennt nur ganz geringe Differenzierungen.
Auch in der polnischen Justiz etwa, wie sie nach den dortigen Umbrüchen entstanden ist, gab es einen solchen gewählten obersten Richterrat, der für Einflussnahmen der Exekutive so gut wie gar nicht zugänglich war. Das hat die PiS-Partei in den letzten Jahren gründlich geändert – warum wohl? Auch in anderen osteuropäischen Ländern nagt die Exekutive immer weiter an derartigen Systemen – immer wieder gern unter Verweis auf das deutsche System.


Nun soll nicht verschwiegen werden, dass auch in anderen Ländern nicht alles Gold ist, was glänzt: Die Verfahrenslaufzeiten in Italien sind für unsere Verhältnisse unglaublich lang. Das Problem, dem System Justiz die finanziellen Mittel zu verschaffen, die es braucht, um seiner Aufgabe, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, nachzukommen, ist nicht gelöst. Auch dort und in anderen Ländern finden sich im Justizpersonal vergleichsweise oft Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Schichten. Die Ausgestaltung des Systems Justiz ist ein enorm politisches Problem.

Klaus Thommes ist Richter in Niedersachsen.


Die Rechtsparteien und der Krieg in der Ukraine

von Ulrich Schneider
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Europa

Bedeutende extrem rechte Parteien in Europa pflegen seit Jahren enge Kontakte zu Russland. Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine haben jedoch einige Parteien ihre Haltung in beeindruckender Geschwindigkeit angepasst.

Italien

Die beiden im Parlament vertretenen Rechtsparteien »Lega« und »Fratelli d’Italia« hatten keine Probleme, der Forderung nach Waffenlieferungen für die Ukraine zuzustimmen. Als sich bei den Abstimmungen im Repräsentantenhaus und im Senat Anfang März eine überwältigende Mehrheit für die Lieferungen aussprach, befanden sich auf der Seite der Befürworter*innen sämtliche Abgeordnete der beiden Rechtsparteien. Eine Woche später stimmten die Abgeordneten von »Lega«, »Forza Italia« und »Fratelli d’Italia« zudem geschlossen für ein Dekret, mit dem weitere wirtschaftliche Hilfen und politische Unterstützung für die Ukraine verbunden waren.

Medien konfrontierten den »Lega«-Vorsitzenden Matteo Salvini zwar immer wieder mit seiner Nähe zu Putin. Doch innerhalb der Partei führte das weder zu Konflikten noch scheint Salvinis Machtposition dadurch gefährdet. Er konnte sich sogar – ohne als »Putin-Freund« kritisiert zu werden – öffentlich gegen die von der EU beschlossenen Wirtschaftssanktionen und insbesondere den Verzicht auf russisches Erdgas aussprechen, indem er betonte, dass ein solcher Schritt vor allem die italienische Wirtschaft treffen würde.

Für die »Fratelli d’Italia« war die klare Positionierung gegen Russland weniger schwierig. Bereits seit einigen Jahren bestehen Kontakte zu ukrainischen Nationalist*innen. »Fratelli d’Italia« und dessen Jugendorganisation »Gioventù Nazionale« riefen unter dem Slogan »Per il popolo Ucraino« zu »Solidaritätsaktionen« mit der ukrainischen Bevölkerung auf. Man richtete regionale Abgabestellen ein und organisierte den Transport der Güter in die Westukraine, wo sie mit Hilfe ukrainischer Nationalist*innen verteilt werden sollten. »Fratelli d’Italia« versuchte zudem, die Debatte um den Ukraine-Krieg für innenpolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Die Parteivorsitzende Giorgia Meloni warf der italienischen Regierung mangelnde Unterstützung gegenüber der Ukraine vor.

Frankreich

Einen größeren Kurswechsel musste die Vorsitzende des französischen »Rassemblement National« (RN), Marine Le Pen, vornehmen. Ihre größte Sorge war, dass vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Putin-Nähe das russische Vorgehen ihre Chancen im Präsidentschaftswahlkampf mindern könne. Bis zum Einmarsch Russlands in die Ukraine war es ihre Wahlkampfstrategie, sich als Gegenpart zu Emmanuel Macron und als »Staatsfrau« darzustellen, die im engen Kontakt steht mit Regierenden Europas wie Viktor Orbán, Mateusz Morawiecki und selbstverständlich Wladimir Putin. Vor der Wahl sah sie sich gezwungen, Russlands Vorgehen ohne jede Zweideutigkeit zu verurteilen. Eine Werbebroschüre, in der sie mit Wladimir Putin abgebildet war, zog sie wegen angeblicher Druckfehler zurück. Trotz dieser Wahlkampfstrategien reihte sie sich nicht uneingeschränkt in die Haltung gegenüber der Ukraine ein. Zunächst lehnte sie einen Video-Auftritt von Wolodymyr Selenskyj im französischen Parlament am 23. März 2022 ab. Als französische Medien und Macron diese Reaktion massiv kritisierten, lenkte sie ein und erklärte, selbstverständlich teilzunehmen. Gleichzeitig unterstrich sie ihre distanzierte Haltung gegenüber der französischen Ukraine-Politik, indem auch sie vor den Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland auf die französische Wirtschaft warnte. Drastisch formulierte sie, Frankreich begehe wegen steigender Gas- und Rohstoffpreise einen »politischen Selbstmord«.

Das starke Abschneiden des RN im ersten Wahlgang, Mitte April, hatte vor allem innenpolitische Gründe. Doch die abwartende Haltung zum Russland-Ukraine-Krieg hat sich offenbar nicht als Pro­blem erwiesen.

Polen

Keine Probleme, sich im Krieg Russland-Ukraine zu positionieren, hatte die regierende extrem rechte PiS-Partei. Da Russland schon seit vielen Jahren das außenpolitische Feindbild darstellt, gab es innerhalb der extremen Rechten keinerlei Konflikte, sich auf eine zunehmende Militarisierung zu verständigen. Die Frage der Kriegsflüchtlinge wird vollkommen anders beantwortet als zu den Flüchtlingsbewegungen 2015. Damals hatte sich die polnische Regierung vehement dagegen gewehrt, überhaupt Geflüchtete aufzunehmen und dafür von den europäischen Rechtsparteien volle Rückendeckung erhalten. Bis heute sind die Grenzen zu Belarus für nicht-ukrainische Geflüchtete weiterhin gesperrt. Nur Ukrainer*innen, die auch in den vergangenen Jahren schon als Billiglöhner*innen in Polen gearbeitet haben, werden als Kriegsflüchtlinge ins Land gelassen. Sie erhalten unbürokratisch Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Schule und Studium, Kindergeld und Sozialhilfe. Dafür erwartet die polnische Regierung jedoch Zugeständnisse der EU. Die Positionierung in der Kriegsfrage ändert nichts an der innenpolitischen Ausrichtung der PiS-Partei, nichts an der antidemokratischen Umgestaltung der Gesellschaft. Man erwartet jedoch, dass das während des Krieges »unter dem Radar« der politischen Wahrnehmung bleibt. Sollte die EU weiterhin ihre Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit erheben, sei das eine »Kriegserklärung« gegenüber Polen, hieß es von Seiten der PiS.

Ungarn

Anders als die polnische PiS-Partei hat sich Ungarns Staatschef Viktor Orbán und mit ihm die »Fidesz«-Partei nicht aktivistisch auf die ukrainische Seite geschlagen. Der Grund dafür liegt jedoch nicht primär in den Sympathien für Russland und Putin, zu dem Orbán gleichwohl ein erkennbar gutes Verhältnis hat, sondern eher in der ungarischen Perspektive auf die Ukraine und die eigene nationalistische Bedarfslage. Die von der »Fidesz« durchgesetzten Änderungen im ungarischen Staatsbürger- und Wahlgesetz, mit denen beispielsweise Auslandsungar*innen, die sich »Ungarn verbunden fühlen«, Wahlrecht zum ungarischen Parlament haben, beziehen sich auch auf die ungarische Minderheit in der Ukraine. Mehrfach protestierte die ungarische Regierung gegenüber der Ukraine, weil sie dort die Minderheitenrechte durch das geänderte ukrainische Sprachengesetz verletzt sah. Zudem müssten, folgt man den großungarischen Träumen der extremen Rechten Ungarns, verschiedene ukrainische Territorien »heim ins Reich« geholt werden.

Dass Russland diese geopolitische Situation politisch und wirtschaftlich nutzte, indem beispielsweise vorteilhafte Energielieferverträge mit Ungarn abgeschlossen wurden, kann nicht überraschen. Folgerichtig lehnen »Fidesz« und die ungarische Regierung die EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland ab. Ungarn stimmte der Verurteilung Russlands durch die EU zu. Gleichzeitig bezeichnete Orbán sein Land als »neutral« und weigerte sich, Kriegsmaterial der NATO für die Ukraine über ungarisches Territorium ausliefern zu lassen.

Bei den ungarischen Parlamentswahlen, Anfang April 2022, versuchte die Opposition mit der russland-kritischen Karte zu punkten. Der Erfolg blieb jedoch aus. »Fidesz« erreichte die absolute Mehrheit im Parlament. Wie Wahlumfragen zeigten, begrüßten viele Wähler*innen Orbáns Haltung im Russland-Ukraine-Krieg, weil sie befürchteten, bei einer anderen Politik, direkt in den Krieg einbezogen zu werden.

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Österreich

Ähnlich wie »Fidesz« positioniert sich die »Freiheitliche Partei Österreichs« (FPÖ) als »neutrale« Partei in diesem Krieg. Während die Medien versuchten, in Interviews mit »Regionalfürsten« der FPÖ, Gegensätze innerhalb der Partei auszumachen, hat die aktuelle Bundesleitung unter Herbert Kickl die Organisation im Griff. Mit dem Rücktritt von Heinz-Christian Strache wurde die 2016 vereinbarte Kooperation mit der Partei »Einiges Russland« 2021 beendet. Gleichzeitig kritisierte die FPÖ den ÖVP-Bundeskanzler Nehammer für dessen Kiew-Besuch Anfang April 2022, bei dem er sich wie ein »Klitschko-Fanboy« aufgeführt habe. Mit dem Besuch in Kiew habe man sich von der aktiven österreichischen Neutralitätspolitik verabschiedet. Die eigentliche Aufgabe solle die Vermittlung für eine rasche Beendigung dieses furchtbaren Krieges sein. Als Nehammer später auch Russland besuchte, wurde das durch die FPÖ nur noch »zur Kenntnis« genommen. Die FPÖ bezeichnet sich als Sachwalter der Interessen des österreichischen Mittelstandes und fordert vom Bundeskanzler, er solle sich um heimische Probleme kümmern. Denn die Österreicher*innen litten unter einer massiven Preisexplosion bei Strom, Gas, Lebensmitteln und Treibstoffen. Die Teuerung treffe den Mittelstand hart und die Sanktionen gegen Russland zerstörten in Österreich tausende Arbeitsplätze und den Wohlstand von Millionen Menschen.

Auch das Thema »Flüchtlinge« greift die FPÖ propagandistisch auf. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp beschwerte sich über »fette Karren mit ukrainischen Kennzeichen«. In den Fahrzeugen säßen »nicht die Armen, die Frauen, Kinder und Kranken, sondern Männer, die in Fünf-Sterne-Hotels einchecken und dann guten Wein trinken«. Die sozialpolitische Sprecherin der FPÖ, Dagmar Belakowitsch, malte das Schreckgespenst von »Wirtschaftsflüchtlingen« an die Wand, die nie in der Ukraine gelebt hätten, nun jedoch als vermeintliche Kriegsflüchtlinge nach Österreich kommen würden.

Resümee

Die wichtigsten europäischen Rechtsparteien hatten keine Probleme, sich der veränderten weltpolitischen Lage anzupassen. Auch die Parteien, die zuvor über ausgeprägte Russland-Kontakte verfügten, haben sich ohne Zögern der Verurteilung des russischen Vorgehens angeschlossen. Mediale Vorwürfe, sie seien die »treuesten Putin-Fans«, verfehlten insofern ihr Ziel. Die Rechtsparteien bringen sich bereits in Position, als vorgebliche »Interessenvertreter der kleinen Leute«, die in absehbarer Zukunft die Leidtragenden der EU-Sanktionspolitik sein werden. Verbunden mit dem impliziten Rassismus in der Flüchtlingsfrage dürften diese Parteien die politischen Auswirkungen des Krieges nicht nur unbeschadet überstehen, sondern auch noch zusätzliche ideologische Anknüpfungspunkte für ihre extrem rechte Propaganda finden.

Mit Putin gegen Multi-Kulti und Gender

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Corona

Schon 2020 oft dabei – die Russlandfahne auf Demonstrationen von Corona-Leugner*innen. © Mark Mühlhaus / attenzione

In den entsprechenden Echokammern verläuft der Austausch der Symbole rasend schnell: Was für die rechte Szene eben noch der verhasste Mund-Nasen-Schutz als »Schandmaske« oder »Maulkorb« war, ist nun die blau-gelbe Ukraine-Fahne. Jetzt würden »Putinversteher zu den neuen Feinden erklärt«, mutmaßt das extrem rechte Monatsmagazin »Compact« und legt nach: »Russlandfreunde werden die nächsten Volksfeinde, die nächsten Ungeimpften.« Feierten die Corona-Proteste noch die »Ungeimpften« als die Heroen der Bewegung, gilt nun das Narrativ von Putin als Widerstandskämpfer gegen liberale Werte und als Gegenmodell zum Westen. Laut »Compact« ist er »ein Patriot und kein Vaterlandshasser, er lehnt Multi-Kulti und Gender ab«. Der langjährig aktive Schweizer Neonazi Ignaz Bearth hält den russischen Präsidenten für einen Befreier von »den Marionetten eines Tiefen Staates«. Das verschwörungsideologische Dauerfeuer wirkt: Nach Angaben von Wissenschaftler*innen der Uni Erfurt sind mehr als 40 Prozent der nicht Geimpften davon überzeugt, der Krieg in der Ukraine diene nur der Ablenkung von der Pandemie und werde »künstlich dramatisiert«.

Altbekannte Netzwerke
Für die Szene ist diese Erzählung des Ukraine-Kriegs eine Überlebensstrategie, sich neue Themen zu erarbeiten. Dabei sind Gesundheits- und Geopolitik austauschbar, denn hinter den jeweiligen Erzählungen steht der antisemitische Glaube an eine globale Weltverschwörung als Kontinuität seit der »Mahnwachenbewegung« aus dem Jahr 2014. Bereits vor knapp zehn Jahren war dort die Rede von einem weltumspannenden System des Finanzkapitalismus, hinter dem eine kleine Gruppe sehr mächtiger Individuen stecke. Und auch die Hauptredner der ersten damaligen Mahnwachen in Berlin waren Altbekannte wie etwa Ken Jebsen, Jürgen Elsässer, Andreas Popp und die verschwörungsideologische Band »Die Bandbreite«. Spätestens mit der ebenfalls 2014 daraus hervor gegangenen Initiative »Friedenswinter« zeigte sich, wie leicht vermeintlich progressive und linke Personen anschlussfähig sind für eine Querfront-Bewegung inklusive antisemitischer Verschwörungserzählungen. Ähnliches lässt sich jetzt beobachten, wenn die Initiator*innen des »Neuen Krefelder Appells« versuchen, unter falscher Flagge der westdeutschen Friedensbewegung aus den 1980er Jahren mit ihrem Aufruf »Krefelder Appell« zu segeln. In dem Aufruf vom November 2021 wird für die Corona-Impfungen der »Great Reset« als Hintergrund ausgemacht, hinter dem unter anderem »Drahtzieher der Opera­tion 9/11« und der »US-Machtkomplex« steckten. In den Reihen der Erstunterzeichner*innen finden sich Altbekannte aus der »CoronaProtest-Bewegung« und ihrem Umfeld wie Michael Ballweg, Gründer von »Querdenken-711«, Wolfgang Bittner, ehemals linksliberaler Schriftsteller, der nach rechts gedriftete Theologe Eugen Drewermann, der Verschwörungsideologe Daniele Ganser, Anselm Lenz und Hermann Ploppa von der Zeitung »Demokratischer Widerstand«, »Wojna« von der Band »Die Bandbreite« und viele andere. Zwar besitzt das Thema »Krieg« kein so großes Mobilisierungspotenzial für die Szene wie die Pandemie, seine Folgen, wie beispielsweise höhere Spritkosten, aber dienen als weiterer Nährboden für ihre Agitation.

»Nicht zuzuordnen«
Während der Pandemie hat sich gezeigt, wovor Kenner*innen der Szene schon lange warnen: Hass und Gewalt radikalisieren sich rasend schnell. Im April 2022 wurden vier Männer festgenommen, die Anschläge und eine Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach geplant hatten. Im Dezember 2021 tötete in Königs Wusterhausen ein Mann seine Familie und sich selbst. Er war der Meinung, dass der Staat mit der Impfkampagne die Weltbevölkerung um die Hälfte reduzieren und eine neue Weltordnung unter jüdischer Führung gründen wollte. Während diese Tat als antisemitisches Verbrechen in der »Politisch motivierten Kriminalität« (PMK) rechts eigeordnet wird, zählen die Behörden den Mord an Alexander W. in Idar-Oberstein im September 2021 nicht darunter. Der 20-Jährige war von einem Täter erschossen worden, der damit ein Zeichen gegen Corona-Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht setzen wollte. Stattdessen fließt die Tat in die »nicht zuzuordnenden Straftaten« innerhalb der PMK ein und wird daher nicht in den vom Bundesinnenministerium (BMI) veröffentlichten Zahlen der PMK rechts auftauchen. Dabei hatte sich schon kurz nach der Tat gezeigt: Der Täter hängt langjährig rechtem bis extrem rechtem Gedankengut und antisemitischen Verschwörungsideologien an. Er bewegte sich im »Querdenken«-Milieu und hatte angegeben, das Opfer sei »für die Gesamtsituation verantwortlich«, weil der junge Mann »die Regeln durchgesetzt habe«. Wurden dem neuen Phänomenbereich »nicht zuzuordnen« 2020 knapp 9.000 Straftaten zugeordnet, waren bei den bundesweiten Fallzahlen der PMK für das Jahr 2021 schon mehr als 21.300 Straftaten registriert. Als eine Ursache dafür stellte die Bundesregierung »politisch motivierte Straftaten im Kontext der COVID-19-/Corona-Pandemie« fest. Die hilflose Neukategorisierung verschleiert die Dimension rechter Gewalt und Straftaten sowie deren Gefahr für Leib und Leben.

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Die Kapitulation der Exekutive
Viele Straftaten, die bei den als »Spaziergängen« verklausulierten Aufmärschen in der Republik begangen werden, werden juristisch nicht geahndet, weil die Polizei vor Ort sie nicht registriert. Zumindest in Teilen der Republik haben die oftmals gewalttätigen Aufmärsche für temporäre No-Go-Areas gesorgt, die – wo möglich – von Personen gemieden werden, die als politische Gegner*innen markiert wurden. Der Grund: Sie konnten nicht auf den Schutz durch die Polizei bauen. Dies mussten auch Medienvertreter*innen merken, die während der Aufmärsche Beschimpfungen, Bedrohungen und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt waren. Das Resultat: In den Redaktionen fiel es immer schwerer, Journalist*innen zur Berichterstattung vor Ort zu bewegen. Für das Jahr 2021 verzeichnete das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) bundesweit so viele tätliche Angriffe auf Journalist*innen wie nie zuvor, die große Mehrheit fand bei »pandemiebezogenen Demonstrationen« statt. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Das polizeiliche Verhalten gegenüber den Aufmärschen mit ihren teils massenhaften Verstößen gegen Auflagen und Gesetze offenbart in manchen Regionen ein komplettes Versagen und kam einer Kapitulation gleich, wenn Beamt*innen zurückwichen. Für die teilnehmenden Neonazis und rechten Hooligans war das eine Ermutigung, wenn sie den Aufmärschen gewaltsam den Weg freimachten, die Konfrontation suchten und dabei straffrei blieben.

»Eine patriotische Graswurzelbewegung«
Ohnehin war es einer der Tabubrüche in der Szene, bewusst gemeinsam mit öffentlich erkennbaren Neonazis auf die Straße zu gehen oder sie auf den Aufmärschen zu dulden. Hinzu kommen die offensive Äußerung antisemitischer Inhalte und ihrer Versatzstücke sowie die Relativierung des Holocaust. Zu dieser Melange gehört eine Renaissance von Verschwörungsideologien, die für viele Beobachter*innen ein ungeahntes Ausmaß annahm. Munitioniert werden die Aggressivität und die Militanz der Proteste von der »Alternative für Deutschland« (AfD), in deren Reihen teilweise auch einem gewaltsamen Umsturz das Wort geredet wird. Sofern sie sich nicht schon beteiligt, beobachtet die extreme Rechte dieses Milieu höchst interessiert. So attestiert Martin Sellner von der »Identitären Bewegung« (IB) Österreich den am Ende dezentralen Aufmärschen »eine Revolutions- und Wendestimmung«. Sie seien Widerstand gegen einen »neuen Durchbruch der Globalisten« und führten zu einem Autoritätsverlust der Regierung. Eine strategische Perspektive bestehe darin, den »Kampf gegen die globale Viruspolitik und die globale Migrationspolitik« zu verbinden, um den von der Rechten herbei halluzinierten »Bevölkerungsaustausch« zu verhindern. Der ehemalige stellvertretende IB-Vorsitzende, Daniel Fiß, sieht in den Protesten gar eine »gute Möglichkeit, um eine echte dissidente und patriotische Graswurzelbewegung und Kultur aufzubauen«. Die verbindenden Elemente der Corona-Proteste eignen sich in den nächsten Krisen, um Renaissance und Verbreitung von Verschwörungsideologien weiter voranzutreiben. Dies betrifft ebenfalls den Krieg gegen die Ukrai­ne, der als Teil einer Weltverschwörung zur Errichtung einer sozialistischen Öko-Diktatur verstanden wird. Und auch die Parteinahme für Putin gehört seit langem zu den Konstanten des Milieus. Zwar ist die Zahl der Corona-Proteste rückläufig, doch ihre Netzwerke haben verstärkt die Begehrlichkeiten extrem rechter Akteur*innen und Initiativen geweckt. Denn sie wissen: Die ohnehin radikalisierten Teilnehmer*innen lassen sich immer wieder reaktivieren.

 

Abflauendes Lauffeuer und Radikalisierung

von Lucius Teidelbaum, Lisa Krug, Sören Frerks und Robert Andreasch
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Corona

»Sachsen ist ohne Frage das Zentrum der Pandemie-Aufmärsche. Doch in anderen Regionen sind die Corona-Proteste ebenfalls ein Schmelztiegel von Verschwörungsgläubigen und AfD, Neonazis und mutmaßlichen Rechtsterrorist*innen.

Teilnehmer*innen eines »Spaziergangs« in Rostock. © Mark Mühlhaus / attenzione

Baden-Württemberg: Der Niedergang des Michael Ballweg

Im Südwesten kam es wie bundesweit seit Herbst 2021 zu einem Aufschwung der Proteste von Pandemie-Leugner*innen. Neuer, bevorzugter Wochentag wurde wie andernorts der Montag. Zeitweise gingen zehntausende Menschen auf die Straße. Anfang dieses Jahres wurde dann der Höhepunkt erreicht. Am 17. Januar 2022 gab es laut Behördenangaben in Baden-Württemberg 356 Demonstrationen mit etwa 70.000 Teilnehmenden. Bei bundesweit 260.000 war damit die Beteiligung im »Ländle« überdurchschnittlich hoch. Zu Hotspots bildeten sich Göppingen, Freiburg, Reutlingen und Pforzheim heraus. Alles Mittelstädte mit einer Kontinuität in Bezug auf die Corona-Proteste.

Im Gegensatz zu 2020 bis Mitte 2021 stellte die Landeshauptstadt Stuttgart keinen Kristallisationspunkt mehr dar. In größeren Städten wie Karlsruhe oder Mannheim war die Beteiligung ebenso rückläufig. Gleichzeitig verlagerten sich die Proteste mehr und mehr in die Klein- und Mittelstädte. Hier wurden hunderte, manchmal sogar weit über 1.000 Personen mobilisiert. So geschehen in Achern, Baden-Baden, Balingen, Brackenheim, Freudenstadt, Friedrichshafen, Göppingen, Heidenheim an der Brenz, Brackenheim, Ludwigsburg, Nagold, Offenburg, Pforzheim, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Schwäbisch Gmünd, Singen, Ulm und Villingen.

Für die vielen Proteste existiert kein zentrales Label mehr. Die Organisation erscheint dezentral und die einstmals wichtige Marke »Querdenken« spielt kaum noch eine Rolle. Die »Reichsbürger«- und »QAnon«-Kontakte der ehemaligen Führungsfigur Michael Ballweg sowie dessen Beobachtung durch den Verfassungsschutz scheinen dafür gesorgt zu haben, dass seine Marke »verbrannt« ist, unter der im ersten Pandemiejahr noch Zehntausende zu Großdemonstrationen in der Bundesrepublik strömten. Mittlerweile steckt Ballweg, der die Massenproteste als Geschäftsmodell nutzte, nach eigenen Angaben in finanziellen Schwierigkeiten.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern spielte die extreme Rechte bei der Organisation der Proteste in Baden-Württemberg bisher keine federführende Rolle und blieb auch unter den Beteiligten eine verhältnismäßig kleine Minderheit. Rechtsoffene Esoteriker*innen und die anthroposophische Szene sind dagegen weitaus häufiger vertreten (s. drr Nr. 189). Eine Studie der Soziolog*innen Oliver Nachtwey und Nadine Frei zu »Quellen des Querdenkertums« kam zu dem Schluss, die hiesige Radikalisierung speise sich vor allem aus der gesellschaftlichen Mitte heraus.

Extrem Rechte versuchen eher punktuell mitzumischen. Im Umfeld der Proteste wurden aber unter Tarn-Namen wie »Schwaben-Bande« oder »Pforzheim Revolte« identitäre Gruppen wieder gegründet. Dabei dienten die Demonstrationen nicht nur als Aufmarschorte, sondern zugleich als Treffpunkte. In Pforzheim war die besagte Gruppierung mit großen Transparenten vertreten und in Reutlingen zeigten sich Aktivist*innen von »Der III. Weg« ebenfalls mit einem eigenen Banner.

Parallel dazu bemühte sich die »Alternative für Deutschland« (AfD) von den Protesten zu profitieren, indem sie in ihren Hochburgen eigene Veranstaltungen organisierte. Zwischen Januar und März 2022 gab es mindestens acht AfD-Demonstrationen: in Bad Mergentheim, Göppingen, Heilbronn, Reutlingen, Rottweil und Stuttgart. Doch die Versuche der AfD, auf den Zug aufzuspringen, scheiterten. Über die eigene Kernklientel hinaus konnte sie niemanden mobilisieren. In der Spitze kamen maximal 300 Personen zusammen, teilweise waren es sogar nur um die 50 Teilnehmende. An manchen Orten, wie in Baden-Baden, war mitunter selbst die Konkurrenz von der Splitterpartei »Die Basis« erfolgreicher.

Mecklenburg-Vorpommern: Angeführt von Neonazi-Kadern

Im Nordosten wurden bei den Montagsprotesten zu Höchstzeiten wie am 11. Januar 2022 über 15.000 Teilnehmer*innen in rund 30 verschiedenen Städten gezählt, unter anderem in Güstrow, Bergen auf Rügen, Parchim und Greifswald. Die Hotspots lagen zahlenmäßig in Schwerin, Rostock und Neubrandenburg. Dennoch sind die Mobilisierungen in kleineren Orten nicht zu vernachlässigen, auch in puncto Gewaltbereitschaft. So wurden bei einer unangemeldeten Demonstration mit 400 Teilnehmenden in Anklam nicht nur Maskenauflagen ignoriert, sondern ebenso versucht, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Gleiches geschah in Pasewalk. Zuvor kam es schon in Wolgast zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Danach wurden bei einem Festgenommenen zwei Messer beschlagnahmt.

Die größten und gewalttätigsten Demonstrationen fanden in Rostock statt. Immer wieder zogen die Corona-Proteste dort Angehörige der extremen Rechten an. Zwar sind es vorrangig Angehörige der »Querdenken«-Szene oder andere Coronaleugner*innen und »Wutbürger*innen«, die den Protestzug organisieren. Häufig reihen sich aber gewaltbereite Hooligans und Rocker bis hin zu bundesweit bekannten Parteikadern ein. Unter anderem Sven Krüger (NPD) aus Jamel, der »Hammerskin« Steffen Borchert und Daniel Sebbin von der »Identitären Bewegung«. Oder Alexander Deptolla vom »Kampf der Nibelungen« aus Dortmund und der altbekannte Christian Worch, mittlerweile Bundesvorsitzender der Partei »Die Rechte«. Vor allem organisierte Neonazis sind es, die gehäuft das Aggressions- und Gewaltpotenzial antreiben. Diese Klientel stand im Januar dieses Jahres in der Hansestadt wiederholt in vorderster Reihe und griff Polizeiketten an, um dem Rest der Demonstration mit mehreren tausend Teilnehmenden den Weg zu bahnen. Dies wurde von den Einsatzkräften abgewehrt. Bei einer Person fand die Polizei einen Schießkugelschreiber mit Munition.

Trotz des nach diesen Ausschreitungen verhängten Veranstaltungsverbots versammelte man sich erneut, wieder kam es zu Auseinandersetzungen. Gleichwohl setzte seit Februar in ganz Mecklenburg-Vorpommern ein massiver Rückgang ein, der bis dato anhält. Waren in den Wintermonaten noch tausende Menschen unterwegs, sind es mittlerweile wenige hundert. Auf Telegram sucht die Szene nunmehr nach neuen Mobilisierungsmöglichkeiten. Was das heißt, sah man bereits im März in Pasewalk, als einzelne Teilnehmende mit »Z«-­
T-Shirts ihre Unterstützung für Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine demonstrierten.

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Thüringen: Von »Spaziergängen« und Terrorplänen

Im Freistaat machte sich die Dynamik der Corona-Proteste im benachbarten Sachsen deutlich bemerkbar. Am 24. Januar waren es über 26.000 Teilnehmende auf über 60 Veranstaltungen, unter anderem in Altenburg, Saalfeld und Gotha. Somit kam es in Thüringen ähnlich wie im Bundestrend Anfang dieses Jahres zum Höhepunkt der Demonstrationen. Dabei wurden in Weimar zwei Fotografen angegriffen. Ähnliches wiederholte sich Ende Februar in der Landeshauptstadt Erfurt. In Greiz, wo auch Mitglieder der Splittergruppierung »Neue Stärke Partei« (NSP) an den Aufmärschen teilnahmen, gab es Ausschreitungen. In Hildburghausen kam es ebenfalls zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Anlehnung an die Kleinstpartei »Freies Sachsen« hat sich zudem die Initiative »Freie Thüringer« gegründet, die vor allem in Ostthüringen aktiv ist und es bei Telegram auf rund zehntausend Follower bringt.

Ein Schwerpunkt der Proteste lag in den vergangenen Monaten in Gera. Dort gingen über Wochen mehrere tausend Menschen auf die Straße, unter offener Beteiligung von einschlägigen Neonazis, »Reichsbürgern« und AfD-Mitgliedern. Darunter der NSP-Bundesvorsitzende Michel Fischer oder Björn Höcke. Letzterer führte Anfang April den »Spaziergang« an. Wenige Wochen zuvor wurde an der Spitze ein Transparent mit der Aufschrift »Kontrolliert die Grenzen – Nicht euer Volk« getragen, wie es in der Vergangenheit bereits in Cottbus zu sehen war. Schwarz-weiß-rote Symbolik und Russland-Fahnen werden hier wie im benachbarten Greiz ebenso zur Schau gestellt. Das Anzeigenblatt »Neues Gera«, vertrieben vom örtlichen Vorsitzenden der AfD-Stadtratsfraktion, feuert die Proteste an, was jedoch nicht verhindern konnte, dass die Demonstrationen Woche für Woche kleiner werden.

Das tut der Radikalisierung in der Szene keinen Abbruch. So sitzt der Eisenacher Leon Ringl, der sich an gewalttätigen Corona-Aufmärschen beteiligt haben soll, seit Anfang April in Untersuchungshaft. Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Er soll nicht nur der Kampfsportgruppe »Knockout 51«, sondern zugleich der »Atomwaffen-Division Deutschland« angehört haben (s. drr Nr. 173). Auch bei den extrem rechten Pandemie-Leugner*innen der »Vereinten Patrioten«, die ebenfalls ein Terrornetzwerk gegründet haben sollen, führt die Spur nach Thüringen. Gegen sie ermittelt der Generalbundesanwalt wegen der mutmaßlich geplanten Entführung von Gesundheitsminister Lauterbach. Zwei konspirative Treffen hätten im Frühjahr in Thüringen stattgefunden und ein Beteiligter wohnte bis vor kurzem wohl dort.

Bayern: Die AfD mittendrin

Es ist April 2022: Bis zu dreihundert Coronaleugner*innen gehen regelmäßig in dem kleinen Ort Simbach direkt gegenüber dem österreichischen Braunau auf die Straße. Dazwischen organisieren sie sich in der Telegram-Gruppe »Spaziergänger Simbach am Inn«. Dort werden antisemitische Posts und Gewaltdrohungen verbreitet, unter anderem die aus dem NS-»Stürmer« stammende Karikatur »Der Juden Kriegsgott«. Ein Channel-Admin ist der AfD-Bundestagsabgeordnete und bayerische Landesvorsitzende Stephan Protschka. Er postet dort nicht nur selbst, sondern meldete zuletzt noch eine Demo für die Gruppe an. Als der zweite Bürgermeister der Kleinstadt die Chatgruppe öffentlich kritisiert, wird er kurz darauf attackiert: Unbekannte besprühen sein Haus und die Umgebung mit »Z«-Symbolen und der Diffamierung als »Volksverräter«.
Seit Pandemiebeginn gab es in Bayern eine fünfstellige Zahl an Corona-Demonstrationen. Allein in den letzten Monaten fanden an Montagen landesweit rund 400 Versammlungen statt, oft waren insgesamt mehr als 50.000 Menschen pro Abend auf der Straße. Weder AfD-Strukturen noch die Neonaziszene im Freistaat sind gut genug aufgestellt, um derart viele Aktionen zu dominieren. Das macht die Veranstaltungen allerdings keineswegs harmloser. Denn antisemitische Hetze und Aufrufe zum Umsturz gehören dennoch dazu, ebenso wie Attacken gegen die Presse und Antifaschist*innen. Auch war die ex­treme Rechte in einigen Orten sehr wohl in die Proteste eingebunden.

In München marschierten Akteur*innen der »Identitären Bewegung« und der »Burschenschaft Danubia« mit und in Ostbayern half die AfD-Landtagsabgeordnete Katrin Ebner-Steiner, nicht angemeldete Aufläufe versammlungsrechtlich zu legalisieren, indem sie zeitgleiche »Mobile Bürgersprechstunden« auf den Plätzen durchführte. In Deggendorf traten Michael Kastner (früher »Freies Netz Süd«) oder das ehemalige NPD-Bundesvorstandsmitglied Ulrich Pätzold führend in Erscheinung. Und in Schwandorf wurde Patrick Schröder, Betreiber des »FSN-Versands«, bei einer Rede von über tausend Menschen bejubelt.

Und auch in Bayern gab es wie in Thüringen und weiteren Bundesländern Durchsuchungen der Bundesanwaltschaft gegen mutmaßliche Angehörige der »Vereinten Patrioten«. Dabei wurden in der Nähe von Landshut und Bayreuth ganze Waffenlager beschlagnahmt. Eines ist angesichts dieser Funde und Terrorermittlungen sicher: Die abflauende Protestwelle ist mitnichten ein Grund zur Entwarnung.

 

»Der III. Weg« am 1. Mai

von Johannes Grunert und Tim Mönch
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Zwickau

Am 1. Mai demonstrierte im sächsischen Zwickau die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« mit gut 250 Teilnehmenden. Während der Anreise griffen Neonazis mehrfach Antifaschist*innen in einem Zug nach Zwickau an.

© Johannes Grunert

Am 1. Mai demonstrierte im sächsischen Zwickau die neonazistische Kleinstpartei »Der III. Weg« mit gut 250 Teilnehmenden. Während der Anreise griffen Neonazis mehrfach Antifaschist*innen in einem Zug nach Zwickau an.

Nur wenige Dutzend Anhänger*innen der Partei »Der III. Weg« sitzen am Sonntagmittag auf Bierbänken in der prallen Sonne und warten. Die Ankunft zweier Reisegruppen, die mit Regionalzügen nach Zwickau reisen wollten, verzögert sich. Der Grund: Die Kamerad*innen aus Brandenburg und Sachsen ließen die in der Partei viel beschworene Disziplin vermissen. Sie griffen, anstatt pünktlich zu Versammlungsbeginn in Reih und Glied zu stehen, ebenfalls mit dem Zug anreisende Antifaschist*innen in Chemnitz und Glauchau an. Nachdem die in Parteifarben gekleideten Neonazis vergeblich versucht hatten, gewaltsam in die Regionalbahn einzudringen, flogen Flaschen und Steine. In Glauchau wurde ein Antifaschist leicht verletzt, auf der Seite der Angreifer*innen verletzten sich zwei Personen – bei einem Faustschlag gegen ein Zugfenster und auf der Flucht vor der Polizei. 37 Angreifer*innen wurden noch vor Ort in Gewahrsam genommen. Für sie war der Tag beendet. Ein paar Personen aus der Gruppe erreichten dennoch die Demonstration in Zwickau, unter ihnen der frühere Parteivorsitzende Klaus Armstroff, Mario M. aus Mittelsachsen und David Dschietzig aus Leipzig. Videos legen nah, das sich letzterer an den Steinwürfen beteiligt hatte.

Für den »III. Weg« hätte der Aufmarsch eigentlich eine Demonstration der Stärke sein sollen: Versammlungen während der Pandemie waren stets mit harten Auflagen belegt worden, etwa im vergangenen Jahr in Plauen oder am 3. Oktober 2020 in Berlin. Die geringe Teilnehmendenzahl kann aber nicht nur mit den in Gewahrsam genommenen Anhänger*innen begründet werden. Während »Der III. Weg« die momentan aktivste Neonazi-Partei ist, kann sich trotzdem ein Großteil der Szene nicht mit ihren streng autoritären und als sektenartig verschrienen Strukturen anfreunden. Dabei hatte die Partei dieses Mal sogar Zulauf von der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationalisten« (JN) aus Brandenburg und Leipzig. Deren Beteiligung dürfte als Drohung gegenüber der Mutterpartei zu verstehen sein. In einem Statement hatte die JN zuletzt angekündigt, sich von der Partei abspalten zu wollen, wenn von dieser keine Neuaufstellung erfolge.

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Von den martialischen Choreografien des »III. Wegs« der vergangenen Jahre war in diesem Jahr wenig zu sehen. Das Zwickauer Ordnungsamt hatte strenge Auflagen erlassen, die auch der Klage der Partei standhielten. So durfte neben dem Verbot einer Uniformierung weder im Gleichschritt marschiert noch im Marschtakt getrommelt werden, auch die Länge der Fahnenstangen und der Abstand der Transparente war vorgegeben. Trotz einigem Bemühen gelang es auch deshalb nicht, an die bedrohlichen Auftritte der Vorpandemiezeit anzuschließen. Mit den Angriffen auf die anreisenden Gegendemonstrant*innen zerbröckelte nun noch das Saubermann-Image, das sich die seit vergangenem Jahr von dem Brandenburger Matthias Fischer geführte Partei aufgebaut hatte. Chaotische Szenen wie am 1. Mai 2016 in Plauen, als sich der »Antikapitalistische Block« Straßenschlachten mit der Polizei lieferte, sollten im Selbstbild der Partei als einer straff organisierten Elite eigentlich nicht mehr vorkommen.

Fluch und Segen zugleich dürfte für die Partei darüber hinaus ihre klare Haltung zum Krieg in der Ukraine sein. Die Akteur*innen, die bereits seit Jahren die ukrainische »Asow-Bewegung« unterstützen, gedachten zum Ende 39 gefallenen Nationalisten aus verschiedenen Ländern, die im Kampf gegen Russland gefallen sind. Für Einige mag die Solidarisierung mit dem als heldenhaft stilisierten »Asow-Bataillon«, das gegen einen vermeintlich fortwährenden Bolschewismus kämpft, anziehend wirken. Genauso dürfte es aber jene Rechte abschrecken, die sich eher dem verschwörungsideologischen und »Reichsbürger«-Milieu zugehörig fühlen und in Putins Russland den Wahrer antiwestlicher Werte sehen. Besonders innerhalb der Corona-Proteste sind die Sympathien für den proukrainischen Kurs des »III. Wegs« gering.

Nicht zuletzt dürfte die Konkurrenz am rechten Rand ebenfalls für eine geringere Teilnehmendenzahl gesorgt haben: Während die »III. Weg«-Abspaltung »Neue Stärke Partei« (NSP) mit etwa 140 Personen in Erfurt marschierte, hatte die mit den Corona-Protesten groß gewordene extrem rechte Regionalpartei »Freie Sachsen« zum Aufmarsch im nur 35 Kilometer entfernten Zwönitz gerufen. Der war mit deutlich über 200 Teilnehmenden sogar einer der bundesweit größten extrem rechten Aufmärsche am 1. Mai.

Mehr Zulauf als die Neonazi-Partei in Zwickau hatten an diesem Tag indes die Gegendemonstrant*innen: An zahlreichen Versammlungen im Stadtgebiet nahmen über 1.000 Menschen teil. Eine Blockade sorgte sogar dafür, dass der Marsch einen Teil seiner Route in der Zwickauer Innenstadt nicht laufen konnte.

 

 

Die »Neue Stärke Partei« am 1. Mai

von Kai Budler
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Erfurt

In der Thüringer Landeshauptstadt konnte die junge »Neue Stärke Partei« nahezu ungestört einen Aufmarsch zum »nationalrevolutionären Arbeiterkampftag« durchführen. Ihre Präsenz in den Sozialen Netzwerken kann aber nicht über Misserfolge in der Mobilisierung hinwegtäuschen.

© Kai Budler

Knapp 140 Personen sind am 1. Mai dem Aufruf der neonazistischen »Neue Stärke Partei« (NSP) zu einem Aufmarsch in Erfurt mit dem Motto »Kein Frieden mit System und Kapital« gefolgt. Die Anmeldung für einen »revolutionären Arbeiterkampftag« erfolgte bereits im vergangenen Jahr, nachdem die Neonazis am 1. Mai 2021 in der Landeshauptstadt lediglich eine Kundgebung mit etwa 150 Teilnehmer*innen durchführen konnten. Für dieses Jahr hatte die NSP auch für den 30. April einen zweiten Aufmarsch angemeldet, die Neonazis zogen von einem nördlichen Stadtviertel aus in die Erfurter Innenstadt. Nach einer Zwischenkundgebung brachen sie zu ihrem zweiten Aufmarsch auf und zogen ungestört über Umwege zum Hauptbahnhof, wo der Aufmarsch endete. Auf der dortigen Kundgebung wurde bekannt, dass der NSP-Aufmarsch zum 1. Mai 2023 in Leipzig stattfinden soll.

Abspaltung von »Der III. Weg«

Kurz zuvor hatte das Verwaltungsgericht Weimar einige Auflagen der Stadt Erfurt gekippt und es den Neonazis ermöglicht, während des insgesamt rund elf Kilometer langen Aufmarschs über Regenbogenfahnen und Fahnen der ehemaligen Sowjetunion zu trampeln. Redner*innen und Teilnehmer*innen stammten unter anderem aus Thüringen, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinhessen. Die Initialzündung für die neue Partei ging von langjährig aktiven Neonazis aus Erfurt und Thüringen wie Enrico Biczysko und Michel Fischer aus, die schon andere neonazistische Parteien durchlaufen und sich von ihnen meist im Streit getrennt hatten. Das Pfund, mit dem sie wuchern konnten, waren Räumlichkeiten in einer alten Kaufhalle in Erfurt, die sie 2016 als Verein »Volksgemeinschaft« angemietet hatten. Die Räume boten viel Platz für neonazistische Aktivitäten und wurden schnell zu einem festen Anlaufpunkt auch für Veranstaltungen von NPD, Die Rechte und zuletzt »Der III. Weg« ­(DIIIW). Mit dieser Partei überwarfen sich die Thüringer Akteure ebenso und traten seit Mai 2020 als »Neue Stärke Erfurt« (NSE) auf. Geblieben sind Auftreten und Symbolik des DIIIW, die sich am historischen Nationalsozialismus orientieren, auch das Selbstverständnis als »nationalrevolutionär« hat die NSE übernommen. Wie DIIIW bezieht die Partei im Ukraine-Krieg eine pro-ukrainische Position und organisiert angeblich Hilfsangebote in Form von Sach- und Geldspenden.

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Kleinstpartei als Sammelbecken

Im Mai 2021 veranstalteten die Neonazis den Gründungsparteitag der NSP. Zu einem Aufmarsch im August 2021 kamen etwa 100 Teilnehmer*innen nach Weimar, im November 2021 fand ein Bundesparteitag in Magdeburg statt. Die Parteigründung erfolgte vor allem aus strategischen Gründen, um so einem möglichen Vereinsverbot zu entgehen, denn ein Parteiverbot unterliegt wesentlich strengeren Voraussetzungen als ein Vereinsverbot. Die NSP gilt als Resterampe heimatloser, langjährig aktiver Neonazis, die fast alle anderen Organisationen durchlaufen haben und in rechten Strukturen marginalisiert sind. Ein Blick auf die von der Partei erwähnten Gliederungen in Landes- und Regionsebenen in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zeigt, dass die Strukturen nur von wenigen Personen getragen werden. Die NSP tritt mit dem Anspruch an, einen »organisationsübergreifenden Widerstand zu leisten«. Ob sie damit Sammelbecken für Neonazis aus der subkulturellen Szene wird oder wie andere Kleinstparteien zur Zersplitterung des extrem rechten Parteienspektrums beiträgt, bleibt abzuwarten. Besonders für Geflüchtete und engagierte Personen bleibt die Partei mit ihren Anhänger*innen höchst gefährlich. So läuft gegen Mitglieder aus Erfurt ein Verfahren wegen eines brutalen Überfalls im Sommer 2020 vor dem damaligen Sitz der »Neuen Stärke« auf drei Männer aus Guinea, einer davon wurde dabei schwer verletzt. Die bundesweit begehrten Räumlichkeiten in Erfurt sind seit Ende 2020 Geschichte. Neue Räume in einem Industriegebiet im Süden Erfurts, die die NSP seit April 2022 als Bundesgeschäftsstelle angemietet hat, wurden der Partei vom Vermieter bereits gekündigt.

 

»Die Rechte« am 1. Mai

von Toni Brandes
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 196 - Mai | Juni 2022

#Dortmund

Auch im Westen der Republik versammelten sich Neonazis, organisiert von der Partei »Die Rechte«.

© Roland Geisheimer / attenzione

Zum 1. Mai in Dortmund hatte die neonazistische Kleinstpartei »Die Rechte« mobilisiert. Hinter dem Transparent »Globalisierung, Corona, Inflation – Dieses System ist ein H*@%ensohn« versammelten sich etwa 220 Neonazis. Der Aufmarsch setzte sich mit einiger Verspätung am frühen Nachmittag vom Nordausgang des Dortmunder Hauptbahnhofs in Richtung Dortmund-Dorstfeld in Bewegung. Grund für die Verspätung ist nach Angabe der Polizei eine Überprüfung der Auflage gemäß § 18 VersG NRW. Laut dieser ist es verboten eine öffentliche Versammlung unter freien Himmel zu veranstalten, die unter anderem durch ein paramilitärisches Auftreten Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt.

Die maximale Anzahl von Fahnen wurde auf insgesamt 20 beschränkt. Die Leitung der Veranstaltung hatte Sascha Krolzig, als »Sprecher des Veranstalterkreis«. Unter den Teilnehmer*innen – die etwa zur Hälfte aus Nordrhein-Westfalen stammten – befanden sich Abordnungen aus Ungarn (»Legion Hungaria«), Bulgarien (»Bulgarischer Nationalbund«), Tschechien und Frankreich. Die internationalen Gäste durften auch während der Veranstaltung Reden halten. Der Neonazi-Aufmarsch im Westen wurde von Mitgliedern der »Jungen Nationalisten«, Burschenschaftern und Führungspersonen wie Sven Skoda, Thorsten Heise, Dieter Riefling, Thomas Wulff, Bernd Stehmann, Christian Worch, Manfred Börm und Sebastian Schmidtke besucht.

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Blau und Olivgrün

von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 200 - Januar / Februar 2023

#Bundeswehr

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) präsentiert sich gerne als »Bundeswehr-Partei« und damit vor allem als Ersatz für die CDU/CSU, die traditionell als die Parteien der Bundeswehr gelten. Tatsächlich sind ehemalige Militärs bei der AfD keine Mangelware. Schätzungen zufolge waren 2019 wohl 2.100 der damals 35.000 AfD-Mitglieder aktive oder ehemalige Berufssoldat*innen, also 6 Prozent und damit weit mehr als ihr Anteil an der Bevölkerung.

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Der vom Dienst freigestellte Bundeswehrsoldat und AfD-MdB Hannes Gnauck ist seit Oktober 2022 auch Vorsitzender der »Jungen Alternative« – hier im Bundestag. © Christian Ditsch


Diese dürften nur der sichtbare Teil der radikalisierten Konservativen in Uniform sein, die sich neben genuin extrem rechten Militärangehörigen der AfD zugewandt haben. Die Abwendung von der Union beklagt auch kein Geringerer als Friedrich Merz in einem Interview 2019: »Wir verlieren offenbar Teile der Bundeswehr an die AfD.«


Der höchstrangige Offizier in der AfD dürfte Joachim Wundrak aus Niedersachsen sein. Der ehemalige 3-Sterne-General der Luftwaffe diente ab 1974 bei der Bundeswehr. Im September 2018 trat Wundrak nach 44 Jahren in den Ruhestand. Bis 2014 war er noch CDU-Mitglied, seit Januar 2018 ist er bei der AfD. Wundrak ist mit Gerald Otten zusammen Herausgeber sowie Mitautor des schmalen Sammelbands »Warum Soldaten die AfD wählen«, der 2021 im Gerhard-Hess-Verlag erschienen ist. Es ist ein häufiger zu beobachtendes Phänomen, dass sich hochrangige Bundeswehroffiziere erst nach dem Ende ihrer Armeezeit politisch engagieren. Offenbar will man Karriereprobleme oder gar eine Entlassung verhindern.


Die Beobachtung von Teilen der AfD und der gesamten »Jungen Alternative« (JA) durch den Inlandsgeheimdienst dürfte zu Berufsverlust­ängsten bei vielen und zur Zurückhaltung bei anderen führen. Einigen AfD-Berufspolitiker*innen aus dem Militär dürfte klar sein, dass mittlerweile eine Rückkehr in die Bundeswehr schwierig sein könnte.


Für andere, vor allem jüngere Soldat*innen, scheint das keine Rolle zu spielen. Johannes Gnauck sitzt nicht nur für die AfD seit 2021 im Bundestag und im Verteidigungsausschuss. Er wurde auch im Oktober 2022 zum Bundesvorsitzenden der JA gewählt. Der Oberfeldwebel war seit 2014 Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Im Juni 2021 wurde offenkundig: Er ist vom Bundeswehrgeheimdienst MAD als »Extremist« kategorisiert, wurde aufgrund des laufenden Verfahrens vom Dienst freigestellt und ihm ist untersagt, die Uniform zu tragen. Unter den derzeitigen politischen Verhältnissen ist eine Rückkehr in die Bundeswehr unwahrscheinlich.


Die Rechtsradikalisierung einiger scheint so weit fortgeschritten zu sein, dass der Journalist Luca Heyer in einem Artikel beim Online-Magazin Heise die Frage aufwirft, ob die AfD der »parlamentarische Arm des rechten Terrorismus« sei. Heyer verweist darauf, dass der hessische AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte, ein ehemaliger Berufssoldat und Oberbootsmann a. D., Maximilian Tischer als seinen Mitarbeiter eingestellt hat. Dieser ist nicht nur der stellvertretende Vorsitzende der »Jungen Alternative« Sachsen-Anhalt, sondern auch eine Kontaktperson von Franco Albrecht, einem verurteilten Rechtsterroristen. Laut Heyer hatte Maximilian Tischer auch Kontakt zu Tobias L., einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der bei den »Identitären« aktiv war. Er wurde im Mai 2017 aus der Bundeswehr entlassen, weil befürchtet wurde, er könne einen Anschlag auf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geplant haben.

Vertreterin eines militärischen Traditionalismus
Die AfD-Bundestagsfraktion legt sich für die Bundeswehr ins Zeug. Dabei steht neben der Forderung nach mehr Geld und einer Aufrüstung der Truppe vor allem die Traditionspflege im Mittelpunkt. Im Bundestagswahlprogramm von 2021 heißt es unter der Überschrift »Wiederherstellung der Wehrfähigkeit Deutschlands«: »Damit dem Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung wieder Rechnung getragen werden kann, muss unsere Bundeswehr nicht nur finanziell gut ausgestattet sein, ihr muss die Eigenständigkeit insbesondere bei Material und Personal zurückgegeben werden.« Weiter heißt es: »Die Bundeswehr muss die besten Traditionen der deutschen Militärgeschichte leben. Sie helfen, soldatische Haltung und Tugenden – auch in der Öffentlichkeit – zu manifestieren. Militärisches Liedgut und Brauchtum sind Teil davon.«

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Allein in den ersten 18 Monaten stellte die AfD 40 Anfragen mit Bezug zur Bundeswehr. Auch in ihren Redebeiträgen wird reichlich belobhudelt, wenn es um die deutsche Armee geht. So porträtierte der Bundestagsabgeordnete Jens Kestner, von 1996 bis 2004 Berufssoldat bei der Panzertruppe, im Dezember 2019 die Bundeswehr als wünschenswerte gesellschaftsprägende Kraft: »›Die Armee ist die vornehmste aller Institutionen in jedem Lande; denn sie allein ermöglicht das Bestehen aller übrigen Einrichtungen. Alle politische und bürgerliche Freiheit, alle Schöpfungen der Kultur, der Finanzen stehen und fallen mit dem Heere.‹ Das sagte zu seiner Zeit Otto Fürst von Bismarck. Ersetzen Sie in der heutigen Zeit die Begrifflichkeit ›Heer‹ mit der Bundeswehr.«

Konzepte
AfD und Teile der Union einerseits sowie die etablierten Parteien andererseits vertreten zwei unterschiedliche Konzepte in Bezug auf die Bundeswehr. Die einen wollen eine Armee in langer Tradition, die auch der autoritären Erziehung eines Teils der Bevölkerung dienen soll. Die anderen wollen eine modernisierte und vor allem effiziente Armee ohne unnötigen Traditionsballast. Die Klage der AfD über Traditionsverlust bei der Bundeswehr ist eine weitere Strophe im Klagelied der Partei und ihres Umfelds über einen vorgeblichen Werteverfall und Traditionsverlust in der gesamten bundesrepublikanischen Gesellschaft. Ähnliches gilt für die angeblich bewusste Zerstörung Deutschlands durch die etablierten Parteien. Analog dazu wird eine Zerstörung der Bundeswehr angeprangert. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Oberst i. G. Rüdiger Lucassen war 34 Jahre bei der Bundeswehr und arbeitete danach in einer Firma, die Militärgeschäfte mit Saudi-Arabien gemacht haben soll. Lucassen schreibt in dem bereits erwähnten Sammelband: »So ist es kein Zufall, wenn Soldaten eine politische Partei unterstützen, die sich dem linksgrünen Zeitgeist der Beliebigkeit entgegenstellt und sich der Restauration der nationalstaatlichen Rechtsordnung verpflichtet fühlt.«

Bedenkliche Nähe
Die AfD inszeniert sich nicht nur als Bundeswehrpartei, sie ist es auch. Mit Armeen teilt sie doch gewisse Ähnlichkeiten: wenig innere Demokratie, männliche Dominanz, traditionelle Geschlechterbilder und eine nationalistische Identität abgeleitet aus der Vergangenheit. Der hohe Anteil von Militärs in den Reihen der AfD dürfte für eine entsprechende militärpolitische Expertise sorgen. Ihre Forderungen für die Bundeswehr sind nicht nur eine Instrumentalisierung oder der Versuch, Soldat*innen als Wähler*innen zu gewinnen. Immerhin hatte die Bundeswehr 2019 insgesamt 182.649 Berufs- und Zeitsoldat*innen sowie 81.814 zivile Beschäftigte. Hinzu kommen deren Familien und – nicht zu vernachlässigen – Lieferanten und Dienstleister. Offenbar gibt es trotz der in Folge des Russland-­Ukraine-Kriegs zusätzlichen 100 Milliarden Euro durch die Bundesregierung Unmut in Teilen der Truppe. Dabei spielen der Traditionserlass und andere Reformen wie die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 eine Rolle. Die AfD versucht aus diesem Unmut Kapital in Form von Wähler*innen oder neuen Mitgliedern zu schlagen. Es geht unter anderem auch um Anerkennung der Bundeswehr in einer nicht mehr besonders militärisch geprägten Zivilgesellschaft. Anders als zum Beispiel bei sozialen Kämpfen oder der Umweltpolitik ist die Bundeswehr für linke Parteien und eine antimilitaristische Zivilgesellschaft fremdes Terrain. Das erkannte auch der Ex-Wehrbeauftragte und General a. D. Wolfgang Schneiderhan als er zum Thema »AfD und Bundeswehr« im Januar 2020 schrieb: »Andererseits verfolgt die AfD in Bezug auf die Bundeswehr eine Politik der gesellschaftlichen Anerkennung für die Soldaten. Das ist natürlich verlockend, denn da setzt die AfD einen Punkt. Da gibt es tatsächlich ein Vakuum.« Das Zitat »schmückt« auch nicht ohne Grund den Sammelband »Warum Soldaten die AfD wählen«.



Ehrliche Herzen

von Andreas Speit
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 201 - März | April 2023

#Manifest

In der Öffentlichkeit löst der Krieg in der Ukraine die Krise durch die Pandemie ab. Die Diskussionen führen zu Disputen. Fronten verhärten sich, Fraktionen weichen auf. Wer vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine spricht oder von amerikanischen NATO-Ausdehnungen in russische Einflusssphären, scheint sich positioniert zu haben. In der Sorge um die Auswirkungen des Kriegs und seiner Ausdehnung werden auch sorglos Grenzen überschritten. »Die Friedensbewegung ist zurück«, freut sich Diether Dehm. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke ruft in der aktuellen »Compact« gleich zur Querfront auf. In dem extrem-rechten Magazin um Jürgen Elsässer formuliert der frühere Musikproduzent die Option auf seine Weise. »Im wesentlichen Falle, / Da brauchen wir uns alle / Auf diesem Erdenballe, / Damit er nicht zerknalle. / Schiebt alle Streitigkeiten / Für eine Weil’ beiseiten, / Und lasst uns drüber streiten / Dereinst in Friedenszeiten. / Oli, oli, ola, wir sind miteinander da…«, zitiert der einstige Sprecher von »Künstler für den Frieden« gegen die US-Atom-Raketen aus einem Song von Dieter Süverkrüp.

Antifa Magazin der rechte rand
Pro Russland Kundgebung mit wenigen Teilnehmer*innen in Hannover © Mark Mühlhaus / attenzione

Mit Elsässer dürfte Dehm nicht alleine die Parole »Ami go home« teilen. Schon 2014 standen die beiden Männer bei den »Friedensmahnwachen« wegen des Ukraine-Konfliktes auf der Straße. Auch da wussten sie über die wahren Hintergründe Bescheid, die nicht zuließen, Russland einfach als Angreifer auszumachen – getreu der Logik, dass nicht immer der Angreifende eines Landes der Aggressor sein muss. Diese Logik spiegelt sich plakativ bei »Compact« wider. Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Ursula von der Leyen (CDU) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) prangen in Tarnbundeswehruniformen auf dem Cover. »Die Kriegshexen – bis alles in Scherben liegt«, so der Titel. Keine Frage – alle drei Frauen werben für Waffen für die Ukraine. Keine Antwort dürfte in diesem Krieg jedoch sein: »Frieden schaffen ohne Waffen.« »Schwerter zu Pflugscharen« nicht minder. Die Realität ist, dass ein Aggressor im Geist des 19. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert erst einmal aggressiv abgewehrt werden musste. Zeitsprünge und Zeitenwende können nicht durch Zurückhaltung und Zuschauen überstanden werden.

Die Kundgebung
Das »Manifest für Frieden« von der Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer wie auch die Kundgebung »Aufstehen für den Frieden« in Berlin bieten für die Ukraine keine Antwort. Knapp 650.000 Menschen haben das niederschwellige Angebot angenommen und das Manifest bis Ende Februar unterzeichnet, in dem vor einer Eskalation des Ukraine-Kriegs gewarnt und Kompromisse »auf beiden Seiten« eingefordert werden. Auf der Bühne bekräftigte die Politikerin der Linken am 25. Februar den Stopp von Waffenlieferungen an die Ukraine und mahnte Friedensverhandlungen mit Russland an. »Das furchtbare Leid und das Sterben in der Ukraine« müsse beendet und »Russland ein Verhandlungsangebot« unterbreitet werden, »statt einen endlosen Abnutzungskrieg mit immer neuen Waffen zu munitionieren«. Es gelte, das Risiko einer Ausweitung des Krieges zu bannen, so Wagenknecht. Am Brandenburger Tor bekräftigte die Publizistin Schwarzer die Argumentation der Politikerin.

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Einen starken Applaus der – ja wie vielen – Teilnehmenden mit blauer Fahne, weißer Taube, Regenbogenfahnen und Plakaten mit »Frieden« und durchgestrichenen Panzern lösten die deutlichen Reden aus. Das Orga-Team spricht von 50.000 Friedensbemühten, die Polizei von 13.000. In der von ihr gegründeten Zeitschrift Emma wirft Schwarzer anderen Medien das Verbreiten von Fake-News vor. »Die dreiste Manipulation der Medien übersteigt inzwischen das Vorstellbare!«, schreibt sie. Tage später wird in Gesprächen mit Teilnehmenden bei einer Veranstaltung zum Thema »Reichs- und Querdenkenden-Bewegung – eine neue Mischszene« nicht minder von Manipulation der Zahlen gesprochen. »Ich war da, wir waren 50.000«, bestätigen sich gegenseitig seit Jahren links und antifaschistisch Engagierte nach der Diskussion.

Der Gestus
Sowohl das Manifest als auch die Demonstrationsaufrufe zogen keine Grenzen nach rechts. Der Erstunterzeichner Erich Vad, Brigadegeneral a. D., hatte keine Berührungsängste mit dem »Institut für Staatspolitik« und dessen Spektrum. Auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) störte sich nicht an der Verbindung. Vad blieb bis 2013 militärischer Berater im Kanzlerinamt. Aus dem Milieu der AfD und »Compact« erfolgte weitere Unterstützung – weniger wegen Schwarzer, mehr wegen Wagenknecht. Einer, der sie schon als Kanzlerin empfahl, war mit einer Entourage bei der Demonstration: Elsässer. Viele aus dem extrem rechten Spektrum nahmen teil, zum Beispiel der holocaustleugnende Influencer Nikolai Nerling. Diesen Zuspruch ignoriert Schwarzer. Wagenknecht hatte vor dem Termin nur angemerkt, dass alle Menschen willkommen seien, nur einschlägige Fahnen nicht. Oskar Lafontaine formulierte wenige Tage vorher eine nicht minder offene Einladung: »Jeder, der reinen Herzens für Frieden ist, ist eingeladen.« Das Pathos des früheren SPD-Bundesministers und einstigen Bundesvorsitzenden von Die Linke könnte eine literarische Anspielung sein. Der »Kleine Prinz« in dem gleichnamigen Werk von Antoine de Saint-Exupéry empfahl, mit dem Herzen zu sehen. »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar«, so der Prinz in der märchenhaften Erzählung des französischen Kriegspiloten.

Zu weit hergeholt? Die Empfehlung des Prinzen geisterte unlängst durch eine andere politische Bewegung: Die der »Querdenker«. Diese Bewegung wollte Liebe verbreiten, mit dem Herzen sehen. Denn reale Fakten, wissenschaftliche Sichtweisen offenbarten nicht das wirkliche Wissen, die ganzheitliche Sicht. Sie blieb beim Vordergründigen, dem Materiellen, dem Rationalen. Dieser Impuls kommt in Deutschland auch aus der Romantik. Novalis dichtete 1800: »Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen, wenn die, so singen oder küssen, mehr als die Tiefgelehrten wissen, wenn sich die Welt ins freie Leben und in die Welt wird zurückbegeben, wenn dann sich wieder Licht und Schatten zu echter Klarheit werden gatten, und man in Märchen und Gedichten erkennt die wahren Weltgeschichten, dann fliegt vor Einem geheimen Wort das ganze verkehrte Wesen fort.«

In der Verzauberung der Welt können sich Spiritualität und Verschwörungsnarrative annähern. Die »Querdenker«-Bewegung ist von dieser »conspirituality« angetrieben und: Schon früh konnte in ihren Telegram-Kanälen auch die Hinwendung zu Wladimir Putin verfolgt werden.

Kritik der Kritik
In einer Studie zu Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft haben Elmar Brähler und Oliver Decker weit vor der Pandemie festgestellt, dass eine Verschwörungsmentalität in rechten und linken Milieus virulent ist – in unterschiedlicher Dichte. Die legitime Kritik an Lobbyismus in der Wirtschaft oder Vormachtstreben in der Geopolitik kann zu illegitimer Kritik verkümmern. Nein, Kapitalismus ist keine Verschwörung. Und nein, Imperialismus ist ebenso keine Verschwörung. Die Vorhaltung der »Querdenkenden«, Kritik als Verschwörung zu markieren, lenkt nur davon ab, dass diese Kritik zu Verschwörungen werden kann – durch Personalisierung und Pauschalisierung. Links und Rechts gelten da nicht mehr, sondern Schwarz und Weiß – und das schon sehr lange.

Dieser Dualismus bewegt die gesamte »Querdenken«- und teilweise die Friedensbewegung. Auf der Straße und in den sozialen Medien sind sie sich alle einig: Frieden kann nur gelingen, wenn die Ukraine Russland entgegenkommt. In dieser Position schwingen ein Antiamerikanismus und eine NATO-Kritik mit. Die Friedensbewegung diskutierte immer wieder, wie radikal diese Kritik pointiert werden müsste. Sie debattierte auch schon öfter darüber, dass, wenn es um den Frieden geht, sich Rechtsradikale einreihen könnten – das Anliegen sei zu groß, um so klein zu denken. Diese Ambivalenz spiegelte sich bei »Aufstehen für den Frieden« wider. Teilnehmende versuchten Elsässer und Co. aus der Demonstration zu drängen, andere trugen ein Plakat: »Mit AfD und Co. ist kein Frieden zu machen – Die Linke«.

Die internen Debatten finden sich allerdings kaum in der Öffentlichkeit. Die Proteste gegen die Pandemie wurden lange als diffus links gelesen, die Proteste für den Frieden werden ebenso links gelabelt. Diese Wahrnehmung ist auch den Positionierungen von Juli Zeh, ­Richard David Precht oder Harald Welzer mit geschuldet – werden die Genannten doch als links-liberal wahrgenommen.

Die Crux im linken Diskurs: Russland ist der derzeitige militärische Imperialist, nicht die USA. Diese Realität widerspricht einer linken Romantisierung der Sowjetunion. Der real existierende Sozialismus ist zu einem imperialistischen Kapitalismus mutiert. Der gegenwärtige Putinismus vereint eigentlich Unvereinbares: Linke und Rechte. Dass ein einstiger Linker zum Chef eines wichtigen extrem-rechten Magazins wurde, ist eine Ironie der Geschichte. Elsässers neues revolutionäres Subjekt, Nationale statt Proletariat, deutet an, dass er sich zu Recht heute als »Deutscher« bezeichnet. Noch lange bevor das Wort »woke« en vogue wurde, griff Elsässer die Idee von Diversität, Queerness und Gender an. Die Linke kümmere sich nicht mehr um die einfachen Leute, wusste er früh. Und Wagenknecht weiß das schon länger. Ihr Bashing der Bio-Bohemé, der political correctness und der Grünen als »die gefährlichste Partei« im Bundestag, gegen »offene Grenzen« bildeten früh den Resonanzraum für Applaus von ganz weit rechts. Nicht erst die Affinitäten in der Friedensposition laufen quer nach rechts.
Eine Grenze zog sie aber jüngst gerade gegen ihren Fan Dehm. »Wer Compact ein Interview gibt, hat nicht mehr alle Tassen im Schrank«, schrieb sie auf Twitter. Dieser Position von »Sahra« ist zuzustimmen, weniger ihrer Suggestion: Wer für Waffen ist, will keine Friedensverhandlungen.