Die AfD und das liebe Gold: Millionen stehen hinter ihr
von Lucius Teidelbaum
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 185 - Juli / August 2020
#Degussa
Während im innerparteilichen Machtkampf in der »Alternative für Deutschland« (AfD) viele auf den faschistischen »Flügel« um Björn Höcke blicken, finden sich eher unbemerkt auch auf der anderen Seite Personen mit antidemokratischen Vorstellungen. Diese wurzeln in ihrer neoliberalen Marktlogik und sind vor allem von Autoritarismus, Elite-Denken und Sozialdarwinismus geprägt. Es sind einige vermögende Personen, die über Geld Einfluss auf die Partei nehmen können. Die Spur führt auch zu einem mutmaßlichen Finanzier der AfD.
Degussa als rechte Goldgrube
»Zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck: Gold und Silber von Degussa« hieß es in einer Anzeige in dem nationalneoliberalen Magazin »eigentümlich frei« im Juli 2015. Offensichtlich wandte sich Degussa damit an Bismarck-Fans und förderte wohl gleichzeitig auch das Magazin. Die »Degussa Sonne/Mond Goldhandel GmbH« ist ein 2010 gegründetes Edelmetall-Handelshaus mit Sitz in Frankfurt/Main. Im Jahr 2010 erwarb die schwerreiche Bankiersfamilie von Finck um August von Finck Junior die Nutzungsrechte am Markennamen »Degussa« für zwei Millionen Euro. Damit wird ein traditionsreiches Unternehmen simuliert – eine Tradition, in der »Degussa« unter anderem durch die Verwertung des Zahngolds ermordeter Jüdinnen und Juden am Holocaust beteiligt war. Trotzdem lief das Geschäft offenbar gut. Im Jahr 2016 beschäftigte die neu-alte Degussa etwa 130 Mitarbeiter*innen und erwirtschaftete einen Umsatz von circa 1,9 Milliarden Euro. Der Degussa-Namensinhaber Baron August von Finck Junior, auch als »Mövenpick-Milliardär« bezeichnet, ist seit 1992 Hauptaktionär der schweizerischen Restaurant- und Hotelgruppe »Mövenpick« und lebt seit 1999 in der Schweiz. Sein Vermögen wurde 2013 auf rund 8,2 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Es gibt Hinweise darauf, dass Finck Junior ein heimlicher Förderer der AfD sein könnte. So berichtete die schweizerische Wochenzeitung WOZ bereits im November 2018 davon, dass er über seinen Vertrauten Ernst Knut Stahl auf der Suche nach einem Chefredakteur für den »Deutschlandkurier« gewesen sein soll. Als Print-Ausgabe wurde das Blatt 2017 gezielt als AfD-Wahlkampfhilfe eingesetzt. Der zugehörige »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten« schaltete darüber hinaus in sechs Landtagswahlkämpfen 2016 und 2017 Anzeigen in Wochenblättern und veröffentlichte Plakate, die für die Wahl der AfD warben. Expert*innen schätzen den Gesamtumfang dieser AfD-Wahlwerbung auf zehn Millionen Euro. Woher das Geld kam, ist zwar ungewiss, aber Finck Junior darf als vielversprechender Tipp gelten. Bereits dem ideologischen AfD-Vorläufer »Bund freier Bürger« spendete er 6,8 Millionen DM.
Fincks »Degussa Goldhandel« war laut einer Recherche von »Der Spiegel« auch einer der Hauptlieferanten für den lukrativen Gold-Handel der AfD. Dabei verkaufte die Partei an ihre Anhänger*innen Gold als Krisenwährung und deklarierte den Verkauf als Parteispende. Ob das legal war, ist bis heute umstritten.
Beim Spitzen-Personal der »Degussa« stolpert man über zwei alte Bekannte: Dr. Thorsten Polleit und Markus Krall. Der Ökonom Dr. Thorsten Polleit ist seit 2012 Chefvolkswirt. Der »Wanderprediger in Sachen Edelmetall«, wie ihn die WOZ 2018 bezeichnete, ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth. Gleichzeitig ist er auch Präsident des »Ludwig von Mises Instituts Deutschland«, benannt nach einem der Vordenker der »Österreichischen Schule der Ökonomie«. Das »Ludwig von Mises Institut Deutschland« in München teilt sich mit der lokalen Filiale der »Degussa Goldhandel« die Adresse. Auf den Herbst-Konferenzen des Instituts in München geben sich Nationalneoliberale die Klinke in die Hand. Polleit selbst griff gelegentlich für die »Junge Freiheit« (JF) zur Feder, aktuell schreibt er regelmäßig für »eigentümlich frei«.
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Markus Krall, bürgerlicher Antidemokrat
Im September 2019 wurde Markus Krall neuer Chef-Geschäftsführer der »Degussa«. Die »Junge Freiheit« nannte ihn einen »wertkonservativen Libertären«, aber Krall ist ein anschauliches Beispiel eines autoritären Nationalneoliberalen. Sein Interview im Online-Format »JF-TV« vom 18. März 2020 erzielte bisher über 440.000 Klicks. Auch der JF-Printausgabe 13/2020 stand er für ein Interview zur Verfügung. Darin bekennt sich der Krisenprophet Krall dazu, Anhänger der Österreichischen Schule zu sein: »Natürlich habe ich eine Position: die eines Libertären in der sozialphilosophischen Tradition der ›Österreichischen Schule‹, wie sie von den Ökonomen Friedrich von Hayek und Ludwig von Mises entwickelt wurde.« Auf die Frage: »Herr Dr. Krall, Sie rufen in Ihrem neuen, gleichnamigen Buch nach einer ›bürgerlichen Revolution‹. Meinen Sie das ernst oder ist das nur ein Vermarktungstrick?« antwortet Krall: »Nein, wir brauchen eine Revolution der inzwischen sozialistischen Verhältnisse hier, um wieder die freie Republik zu werden, die wir waren und gemäß Grundgesetz sein müßten.«
Den Sozialstaat oder jegliche Umverteilungsansätze als »Sozialismus« und »Planwirtschaft« zu sehen, ist typisch für überzeugte Neoliberale wie Krall. Probleme mit dem Höcke-»Flügel« hat Krall vor allem auf Grund dessen wirtschaftspolitischer Vorstellungen: »Und der rechte AfD-Rand ist sozialistisch, also ebenso gefährlich wie linke Sozialisten.« Das erinnert stark an die neoliberale »Kritik« am Nationalsozialismus, weil dieser angeblich vor allem ein »Sozialismus« gewesen sei. Krall hat seine eigene antidemokratische Version. So fordert er die politische Entmündigung großer Bevölkerungsteile: »Deshalb mein Vorschlag: Entweder man erhält Transfers oder man übt sein Wahlrecht aus – jeder Bürger muß sich entscheiden.« Denn: »Das System würde also die Bequemen und Faulen von den Schwachen, für die der Sozialstaat ja eigentlich nur da sein soll, trennen und erstere anleiten, sich, erzogen von der Realität, von Leistungsempfängern zu Staatsbürgern zu entwickeln. Die schließlich ihre neue Selbständigkeit genießen und künftig lieber wählen, statt ihr Wahlrecht zu verkaufen. Es wäre die Bürgergesellschaft, die sich das Grundgesetz eigentlich wünscht!« Dasselbe fordert er in seinem neuen Buch »Die bürgerliche Revolution« oder als Referent bei der AfD. In einem YouTube-Mitschnitt eines Auftritts von Krall am 23. Januar 2020 bei der sächsischen AfD verspricht deren Fraktionsvorsitzender Jörg Urban über den Entzug des Wahlrechts für Transferempfänger*innen nachzudenken.
Dem Soziologen Andreas Kemper kommt das Verdienst zu, darauf hingewiesen zu haben, dass neben den Vertreter*innen von »Der Flügel« auch die Nationalneoliberalen um und in der AfD – die die Partei maßgeblich mitgegründet haben – eine zweite große antidemokratische Strömung darstellen. Wie Kemper nachweist, wurde der Entzug der Wahlberechtigung für bestimmte Bevölkerungsteile bereits lange vor der AfD-Parteigründung in bürgerlichen Blättern wie Die Welt offen zur Diskussion gestellt.
Erst seit 2018 tritt Markus Krall nachweislich in rechten Kreisen auf. Seine antidemokratische Einstellung dürfte aber schon älteren Datums sein. Seit dem Jahr 2014 veröffentlicht Krall unter dem Pseudonym »Diogenes Rant«. Dieser Name dürfte an Ayn Rand (1905-1982) angelehnt sein, die Predigerin einer entsolidarisierten absoluten Konkurrenzgesellschaft. Seit 2019 bastelt Krall an einer eigenen Bewegung, der »Atlas-Initiative« mit Sitz in Frankfurt. Deren Name erinnert an den 1957 veröffentlichten Roman »Atlas Shrugged«, in dem die Autorin Ayn Rand beschreibt, wie Reiche verschwinden und dadurch die Gesellschaft erschüttert wird (s. @derrechterand 148). Der Titel bezieht sich wohl auf den Atlas der griechischen Mythologie, der die Welt auf seinen Schultern trägt. In eben dieser Rolle sehen Krall und Rand die Vermögenden dieser Welt.
Angeblich hatte Kralls Initiative im März 2020 bereits 2.000 Mitglieder. Ob der marktradikale Antidemokrat tatsächlich eine Massenbewegung initiieren kann, bleibt aber fraglich. Zu groß dürfte die Distanz zwischen dem Großbürger Krall und einer möglichen bewegungsfähigen Anhänger*innenschaft sein. Zumal der elitäre (National-)Neoliberalismus untere Gesellschaftsschichten abschrecken dürfte, denen ein »Sozialpatriotismus« à la Höcke sehr viel mehr zusagt. Auch der sehr textlastige Newsletter »Adpunktum« nimmt sich nur wenig massentauglich aus. Gefährlicher und einflussreicher als die Bewegung dieser »bürgerlichen Revolutionäre« auf der Straße, dürften die Bewegungen von ihren Bankkonten in Richtung AfD und Co. sein, ebenso wie ihre Netzwerke. Am 28. April 2020 zum Beispiel hätte Krall eigentlich sein Buch »Die bürgerliche Revolution« in Saarbrücken bei der FDP-nahen »Liberalen Stiftung Saar« in deren »Villa Lessing« vorstellen sollen. Als Gesprächspartner war Roland Tichy vorgesehen, doch die Corona-Pandemie verhinderte den Auftritt.
Die autoritären und nationalistischen Neoliberalen unterschiedlicher Partei-Couleur finden sich für ihr Projekt einer »bürgerlichen Revolution« zusammen. In Wahrheit ist es aber der Versuch einer bürgerlichen Konterrevolution der Besitzstandswahrer*innen.