Sonderfall Nordost
von Oliver Kreuzfeld
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 183 - März / April 2020 - online only
#Mecklenburg-Vorpommern
Während neue Schlagzeilen zur »Flügel«-Spaltungs-Debatte auftauchen, in denen sich die Höckes, Meuthens & Co. einen öffentlichen Schlagabtausch liefern, ist es im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern (MV) noch weitestgehend ruhig.
Im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Landesverbänden stellt die Gliederung der AfD in MV einen Sonderfall dar. Während mit Björn Höcke, Andreas Kalbitz, Martin Reichardt und Jörg Urban die Landesvorsitzenden auch gleichzeitig die Protagonisten des »Flügels« sind und somit den Kurs maßgeblich bestimmen, ist dies im Nordosten nicht der Fall. In MV hat Leif–Erik Holm, der eher dem sogenannten wertkonservativen Spektrum zuzuordnen ist, mit kurzer Unterbrechung seit 2013 den Landesvorsitz inne. Holm bekam jedoch zunehmend Gegenwind durch den anhaltenden Rechtsruck innerhalb der Partei, da einige Mitglieder immer wieder mit ihren völkisch-nationalen Bestrebungen innerparteilich und auch öffentlich auffallen.
Innerparteiliche Konflikte
Bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte das Ergebnis der Landtagswahl im September 2016, als die AfD 20,8 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Mit insgesamt 18 Personen zog sie in den Landtag ein und stellt seitdem die größte Opposition. Doch die Fraktion, die das eigentliche Machtzentrum des rund 800 Mitglieder starken Verbandes bildet, bekam schnell Risse. Im Sommer 2016 wurden interne Chat-Protokolle des damaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Holger Arppe bekannt. Über den politischen Gegner heißt es dort beispielsweise: Man müsse diesem erst »Honig ums Maul schmieren«, um dann später »alle an die Wand« zu stellen. Arppe , der auch wegen Volksverhetzung verurteilt ist, wurde später aus der AfD ausgeschlossen. Er nahm jedoch weiterhin an Parteiveranstaltungen teil und fiel durch seine Anstellung von Mitgliedern der »Identitären Bewegung« (IB) oder Anhängern der »Nordkreuz«-Gruppierung auf.
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Kurz nach der Bundestagswahl 2017 – Holm, dem Burschenschafts-Mitglied Enrico Komning und Ulrike Schielke-Ziesing gelang der Einzug – kam es zu einem Paukenschlag: Gleich vier Mitglieder der Landtagsfraktion verließen die AfD aufgrund inhaltlicher Differenzen. Am deutlichsten artikulierte Matthias Manthei seine Kritik. In einem ausführlichen Statement schrieb er: »Zahlreiche AfD-Mitglieder hassen ‚das System‘, sie wollen es abschaffen. Parlamentarismus wird gering geachtet.« Diese hätten nun »eine Plattform gefunden«, um »ihre radikalen Ansichten verwirklichen (zu) können. Nach dem Scheitern der NPD fahren sie nun im Zug der AfD«.
Augustins hoher Flug und tiefer Fall
Die Spaltung der AfD in zwei Lager manifestierte sich auch zunehmend in MV, an deren Basis die Stimmen des nationalistisch-völkischen »Flügels« immer lauter wurden. Einen Höhepunkt stellte Ende 2017 die Wahl des bis zu dem Zeitpunkt weitestgehend unbekannten Dennis Augustin zum Co-Landesvorsitzenden neben Holm dar. Augustin machte in der Folgezeit immer wieder durch muslim- und flüchtlingsfeindliche Agitation auf sich aufmerksam. Gleich mehrfach fand der Unternehmer Erwähnung im Gutachten des Bundes-Verfassungsschutzes zu Bestrebungen der AfD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung: »Der große Austausch, die gezielte, vorsätzliche kulturelle und ethnische Veränderung Europas ist in vollem Gange«, schrieb Augustin auf seiner Facebook-Seite und bediente damit eines der zentralen Narrative der rechten IB.
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Lautstarke Unterstützung bekam Augustin zu seiner Zeit als Landessprecher auch aus dem Raum Rostock. Eine Handvoll »Flügel«-Anhänger mobilisierte seit dem Frühjahr 2018 zu insgesamt einem knappen Dutzend Demonstrationen in der Hansestadt. Identitäre wurden dort als Ordner eingesetzt, Mitglieder der Rostocker Kameradschaftsszene waren Dauergäste und prominente Protagonisten des »Flügels« wie Höcke oder Tillschneider traten als Redner auf.
Doch nach lediglich zwei Jahren endete Augustins AfD-Karriere abrupt. Augustin wurde eine NPD-Vergangenheit nachgewiesen, er wurde aus der Partei ausgeschlossen.
Konspiratives Vorgehen des »Flügels«
Der »Flügel« trat in MV in der Vergangenheit vor allem durch konspiratives Vorgehen auf. Einer der Hauptakteure ist der Landtagsabgeordnete Ralph Weber, der sich Anfang letzten Jahres als Landesbeauftragter des »Flügels« bezeichnete und vielsagend zu Protokoll gab: »Wir sind eine Bewegung.« Der zuletzt an der Universität Greifswald tätige Professor sorgte vor allem mit einer Aussage zum vermeintlichen Bevölkerungsaustausch für Aufsehen. Dies müsse verhindert werden, schreibt Weber auf Facebook und fügt hinzu: »Wir ‚Biodeutsche‘ mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern müssen hierfür sorgen.«
Zusammen mit dem Bundestagsabgeordneten Enrico Komning, zuletzt »Flügel«-Obmann für MV, organisierte er im November 2019 das erste landesweite »Flügel-Treffen« auf Rügen, an dem über 100 Personen teilnahmen. Unter ihnen befanden sich neben dem Fraktionsvorsitzenden Nikolaus Kramer auch weitere Abgeordnete.
Seit dem letzten Landesparteitag ist der »Flügel« allerdings in MV geschwächt. Die Anhänger des »Flügels« mussten überraschend eine deutliche Niederlage einstecken und scheiterten bei entscheidenden Wahlen.