»Die Burschenschaftlichen Blätter«
von Felix Krebs
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018
#DeutscheBurschenschaft
Die »Burschenschaftlichen Blätter« (BBl) sind das Verbandsorgan der »Deutschen Burschenschaft« (DB) und dürften heute die mit Abstand älteste Zeitschrift der (extremen) Rechten in Deutschland und Österreich sein – die erste Ausgabe der BBl erschien bereits 1887. Die LeserInnen stellen wichtige Multiplikatoren dar. Denn es werden fast ausschließlich Studierende und AkademikerInnen erreicht, die, wenn auch seltener als in vergangenen Epochen, einen kleinen Teil der Funktionselite im deutschsprachigen Raum und einen größeren innerhalb der Rechten stellen.
Zwar haben auch andere Korporationsverbände eigene, traditionsreiche Zeitschriften, doch zeichnen sich die DB und ihre BBl durch einen explizit politischen Anspruch aus. Sie erscheinen mit einer gedruckten Auflage von 6.000 Exemplaren vier Mal pro Jahr und erreichen im Wesentlichen Mitglieder der DB. Aber auch andere Korporierte und Außenstehende können die BBl im Abonnement beziehen, die über die DB sowie wohl zu einem kleinen Teil aus Anzeigen und Fremdabonnements finanziert werden. Die inhaltliche Reichweite dürfte höher als die gedruckte Auflage sein, da es zwischen den BBl und anderen rechten Publikationen und Institutionen eine große personelle Schnittmenge gibt. Diese zeigt sich bei DB-Seminaren, burschenschaftlichen Abenden und interkorporierten Veranstaltungen. Hinzu kommt seit Jahren eine eigene Internetpräsenz mit ausgewählten Artikeln.
Geschichte
Die »Burschenschaftlichen Blätter« dienten von Beginn an nicht nur der internen Kommunikation, sondern auch der Stellungnahme zu gesellschaftlichen und (hochschul-)politischen Fragen. Ihre Ausrichtung war immer eng gekoppelt an die jeweilige Entwicklung der politischen Rechten im Kaiserreich, der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus (NS) und in der Bundesrepublik. So hatten die BBl im Kaiserreich eine elitäre, reaktionäre, völkisch-nationalistische und antisemitische Ausrichtung. Diese verschärfte sich in der Weimarer Republik, wo die Burschenschaften und ihre Zeitschrift zur Spitze der antirepublikanischen Kräfte von Rechts gehörten. Sie sympathisierten offen mit der NS-Bewegung. 1933 war in den BBl zu lesen, die DB habe den Nationalsozialismus »seit Jahren ersehnt und erstrebt«. Auch im radikalen Antisemitismus sahen sich die BBl damals bestätigt. 1935 wurde die DB aufgelöst, weil sie einerseits ihre wichtigsten politischen Ziele in der NS-Bewegung erreicht sah, andererseits die neuen Machthaber mögliche Konkurrenzen von rechts nicht duldeten. Die BBl stellten 1937 ihr Erscheinen ein. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus waren sowohl DB wie auch BBl verboten. Während in der DDR das Verbot bis zum Ende aufrechterhalten wurde, wurde es in Westdeutschland im Zuge der Restauration mit Hilfe alter (NS-)Seilschaften schon 1950 wieder aufgehoben.
Nachkriegsentwicklung
Nach der weitgehenden Diskreditierung von offenem Antisemitismus und völkischem Nationalismus und aufgrund der wachsamen Augen der Alliierten mussten die BBl in der Nachkriegszeit weitgehende Zugeständnisse machen. Zunehmend bedeutungslos wurde das gesamte Korporationswesen und mit ihm auch die BBl durch die 68er-Bewegung. Erst mit der »geistig-moralischen Wende« unter Helmut Kohl und der deutschen Wiedervereinigung 1990 erlebten Studentenverbindungen eine gewisse Renaissance. Die DB und die BBl nehmen hier im Vergleich zur übrigen Korporationspresse nicht nur durch ihren politischen Anspruch, sondern auch durch ihre erneute Rechtsentwicklung eine Sonderstellung ein.
Jüngere Entwicklung
Die BBl hatten einen maßgeblichen Anteil an den Lagerkämpfen innerhalb der DB, der Formierung des völkischen Flügels um das innerorganisatorische Kartell »Burschenschaftliche Gemeinschaft« (BG), der Spaltung des Verbandes und letztlich dem Sieg des BG-Flügels. Dass dieser kein Pyrrhussieg blieb, haben DB und BBl der Entwicklung der AfD und der völkischen Netzwerke um diese herum zu verdanken, zu dessen Herausbildung DB und BBl gleichermaßen beitrugen.
Maßgeblichen Einfluss auf die BBl und damit die DB haben die Chefredakteure der Zeitschrift, die immer noch die NS-belastete Bezeichnung »Schriftleiter« tragen. Von 2005 bis 2012 hatten mit Herwig Nachtmann (»Brixia Innsbruck«) und Norbert Weidner (»Breslauer Raceks«) zwei BG-Burschenschafter mit radikaler Vergangenheit und Gegenwart diesen Posten inne. Beide stammten aus neonazistischen Organisationen.
Der Konflikt um die Kriterien für eine Mitgliedschaft in der DB, der 2011 unter dem Stichwort »Ariernachweis« von »Der Spiegel« öffentlich gemacht wurde, zeichnete sich in den BBl schon vorher ab. So wurde schon 2009/10 um die Auslegung des »volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriffs« in Artikel 9 der Satzung der DB gestritten und damit um eine biologistische oder eine kulturalistische Definition. Aufgrund dieses Streits und des zunehmenden öffentlichen Drucks verließ der rechtskonservative Flügel die DB. Damit hat sich seit 2012 die Zahl der in der DB organisierten Burschenschaften fast halbiert. Andererseits war aber auch der ehemalige »Wiking-Jugend«- und FAP-Funktionär Weidner als Schriftleiter nicht mehr tragbar. Die Nachfolge traten erst der langjährige Mitarbeiter der neu-rechten Zeitung »Junge Freiheit« (JF), Michael Paulwitz (»Normannia Heidelberg«), und ab 2014 der »Blaue Narzisse«-Autor Dirk Taphorn (»Normannia-Nibelungen Bielefeld«) an.
Die BBl heute
Die BBl haben jeweils einen politischen, historischen oder gesellschaftlichen Schwerpunkt, der meist die Hälfte des Blattes umfasst und zu dem sich Verbandsbrüder, andere Korporierte oder nichtkorporierte Fremdautoren äußern. Einen größeren Teil nehmen auch verbandsinterne Angelegenheiten in der Rubrik »Aus dem burschenschaftlichen Leben« ein. Hier stellen sich einzelne Burschenschaften vor, werden verdiente Verbandsbrüder porträtiert, finden sich Berichte von Burschentagen oder sonstigen Verbandstreffen, werden besondere burschenschaftliche oder andere korporierte Ereignisse, Seminare oder Veranstaltungen ausführlicher dargestellt, wird über Altherren-Verbände und Totengedenken berichtet und es werden Vertiefungen über historische Ereignisse vorgenommen oder eben innerverbandliche Kontroversen ausgetragen.
Vor dem Durchmarsch des völkischen Flügels gab es in den BBl noch eine gewisse rechte Pluralität. Autoren beziehungsweise Themen mit unionsnaher Ausrichtung fanden sich hier wieder. Doch gab es schon vor zehn Jahren starke Überschneidungen mit der Autorenschaft der JF, welche die BBl selbst als »Konkurrenzblatt« im eigenen Lager verortete. Eine gewisse Zäsur stellte 2009 ein Interview mit dem damaligen NPD-Landtagsabgeordneten Arne Schimmer (»Dresdensia Rugia«) dar sowie 2012 ein »urburschenschaftliches Manifest« zur burschenschaftlichen Neuordnung von Michael Voigt (»Danubia München«), das offensiv zum Widerstand gegen den bundesdeutschen Verfassungsstaat aufrief.
Inzwischen sind solche Töne keine Ausnahme mehr und auch Autoren oder Interviewpartner, die aus dem Umfeld neofaschistischer Organisationen kommen, sind inzwischen etabliert. In den BBl 1/2015 wurde zum Beispiel Adriano Scianca, Kultursprecher der neofaschistischen »Casa Pound« aus Italien, interviewt. Und in derselben Ausgabe berichtete der Kopf der »Identitären Bewegung« (IB) Martin Sellner über »Von Nouvelle Droite bis Front National«, sein IB-Kamerad Alexander Markovics schwadronierte über den Kampf seiner Bewegung im Internet und auf der Straße und Johannes Konstantin Poensgen (»Blaue Narzisse«) schrieb über die »Grenzwacht Pegida«, an der auch Burschenschafter teilnahmen.
Die Berichterstattung und Autorenschaft, darunter fast überhaupt keine Frauen, haben sich vom Umfeld der JF in den letzten Jahren etwas mehr in Richtung IB, »Institut für Staatspolitik« (IfS), »Verlag Antaios« und dessen Magazin »Sezession« – in Richtung radikaler Meta- und Bewegungspolitik – ausgeweitet. So durfte Götz Kubitschek 2015 bei einem der wichtigsten Jubiläen, dem 200-jährigen Gründungskommers der Urburschenschaft, sprechen. Seine Rede »Verteidigung des Eigenen« wurde in den BBl 3/2015 abgedruckt. Ähnliche Aufwertung bekam jüngst erst ein weiterer IfS- und »Antaios«-Aktivist mit früherer Vergangenheit im »Nationaldemokratischen Hochschulbund« (NHB). Thor von Waldstein erläuterte seine völkischen Gedanken, nach denen Deutschland ein Land ohne Souveränität, Grenzen und ein »Land ohne Volk« sei, beim Burschentag 2017, abgedruckt in den BBl 3/2017. Das gesamte IfS als Autor attestierte anlässlich des Themenschwerpunkts »Hochschule und Bildung« in den BBl 3/2016 einen »(a)nhaltende(n) Linksrutsch«. In der neuesten Ausgabe stellt Philip Stein (»Germania Marburg«), Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DB, sein neu-rechtes Projekt »Ein Prozent« vor.
Jenseits von Meta- und Bewegungspolitik favorisieren die BBl seit Jahren als ideale Partei die »Freiheitliche Partei Österreichs« und mit geringen Abstrichen die AfD, nachdem eine Positionierung zwischen den Polen Union oder NPD inzwischen obsolet geworden ist. So stellte schon 2012 Prof. Ralph Weber anlässlich des Festkommers’ des Burschentages in den BBl die Frage: »Brauchen wir eine neue Partei rechts der CDU?«. Weber ist inzwischen Vize-Fraktionsvorsitzender der AfD in Mecklenburg-Vorpommern und in deren rechtem Flügel zu verorten. Es folgten andere BBl-Autoren mit AfD-Funktion oder Mandat, darunter auch welche mit Burschenband der DB. Zum Burschentag 2016 wurden die Burschentags-Festrede von Alexander Gauland sowie ein Grußwort des Thüringer Fraktionschefs Björn Höcke publiziert. Umgekehrt platzierte die AfD in den BBl eine Werbeanzeige zur letzten Bundestagswahl oder jüngst eine Stellenanzeige einer Landtagsfraktion.
Die ganze Breite der Rechten spiegelt sich auch in den Anzeigen und Buchrezensionen der BBl wider. Neben vierseitigen Anzeigen des JF-Verlags wurden unter anderem Publikationen beworben oder besprochen aus: »Gerhard-Hess-Verlag«, Veröffentlichungen von »Info-Direkt« aus Österreich, »Eckardschriften« und »Ares-Verlag«, den Verlagen »Arndt« und »Pour-le-Merite« aus dem Netzwerk von Dietmar Munier, den neu-rechten Publikationen »Blaue Narzisse«, »Edition Antaios« oder »Sezession«, dem radikal neoliberalen »Lichtschlag-Verlag« oder dem neuen »Jungeuropa Verlag« von Philip Stein, der eine Schrift des Faschisten Pierre Drieu la Rochelle in den BBl rezensieren ließ.