Blaues Rauschen im Blätterwald

von Tilo Giesbers
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#AfD

Vom Mitgliedsblatt bis zum Comic: Mit höchst unterschiedlichen Publikationen versucht die »Alternative für Deutschland« Stimmung zu machen.

Magazin der rechte rand

© apabiz

Im Februar 2014 erschien als PDF-Dokument die erste Ausgabe der »AfD kompakt«, des »Newsletters« des Bundesvorstands der ­»Alternative für Deutschland« (AfD). Der heutige parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Dr. Bernd Baumann, berichtete auf Seite eins – damals noch als »Leiter Strategie und Planung« des Wahlkampfteams – über die Vorbereitungen zur Europawahl: »Der Wahlkampf verläuft plangemäß.« Die aktuelle Ausgabe des nun 32-seitigen Mitgliedermagazins »AfD kompakt« lenkt den Fokus der Basis langsam auf die im nächsten Jahr wieder anstehenden Europawahlen. Jedenfalls ist das Gründungsthema der Partei Schwerpunkt. Auch das zweite inhaltliche Thema des Debüts findet sich aktuell wieder. Wurde vor vier Jahren über »verleumderische Texte und bewusst falsche Meldungen« gejammert, beklagen Jörg Meuthen und Alexander Gauland jetzt »breit geführte mediale Diffamierungskampagnen«.
Fünf Jahre nach ihrer Gründung haben Landes- und Kreisverbände der AfD neben den Netzwerken in sozialen Medien und dubiosen, angeblich parteiunabhängigen Unterstützungszeitungen eine ganze Reihe eigener Periodika hervorgebracht. Die meisten dieser Zeitungen werden vor allem im Internet verbreitet, bei einigen ist unklar, ob es sie als Print gibt. Über Auflagenhöhen schweigt das Impressum meist. Die »Blaue Post« der Landtagsfraktion Sachsen kommt Eigenangaben zufolge auf monatlich 140.000 Exemplare, während der Newsletter des Landesverbandes nur digital existiert. Die »AfD Sachsen aktuell« gehört zu den beständigsten AfD-Postillen. Sie erscheint seit Anfang 2014, zeitweise wöchentlich, mittlerweile nur noch monatlich.

Qualität und Umfang der AfD-Blättchen sind ebenso unterschiedlich wie ihr Erscheinen. Offensichtlich hängt dies auch damit zusammen, dass die jeweiligen Produkte vor allem in der Anfangszeit eher von missionarischem Eifer als von einem Konzept lebten und teilweise noch leben. Einige der Publikationen haben Anfangseuphorie und Reinigungsprozesse nicht überlebt. Anderes wurde verstetigt und professionalisiert – nicht zuletzt durch die finanziellen, personellen und infrastrukturellen Ressourcen der Partei nach ihren Wahlerfolgen. Fraktionen und MandatsträgerInnen können ihre Positionen nun dem Wahlvolk bekannt machen. Und auch einige innerparteiliche Vereinigungen wie die »Junge Alternative« oder die »Patriotische Plattform« verbreiten eigene Publikationen.

Schon die Namen sagen viel über das Selbstverständnis: »Alternatives Journal« (Baden-Württemberg), »Blauer Mut« (Fraktion Thüringen) oder »Blauer Aufbruch« (Fraktion Sachsen-Anhalt) verheißen Veränderungswillen; »Wir für Brandenburg«, »Thüringen-Post« (Landesverband Thüringen) oder »Uns Hamburg« vermitteln das Selbstbild einer Partei für die oft bemühten »kleinen Leute«. Die nordrhein-westfälische Landtagsfraktion nennt ihr Organ »Rheinblick«. Zufall oder nicht: Genauso hieß das Monatsheft der damaligen PDS-Fraktion im Bonner Bundestag.
AfD-Blättchen in den (Wahl-)Kreisen geben sich volksnah als »Die Symbadische Stimme« (Karlsruhe) oder »Räpple-Post« (Landtagsabgeordneter Stefan Räpple), versprechen Aufklärung über »Fake-News« und »Zensur« mit Namen wie »Kasseler Durchblick«, »Der Zeigefinger« (Bottrop) oder »Anhalt unzensiert«. In Marzahn-Hellersdorf wurde im Bundestagswahlkampf ein Blättchen mit dem Titel »Der kleine Populist« verteilt.

Inhaltlich unterscheiden sich die Hefte kaum von den Anträgen, Anfragen und sonstigen Verlautbarungen der Partei. Es geht in allen denkbaren Varianten um »Großen Austausch« und »Islamisierung«, um »Lügen-Presse«, »Altparteien« und den Kampf gegen »Linksextremismus«, »Diesel-Hysterie« und Verschärfung der Sicherheitsgesetze, aber auch um die Ausdünnung der Infrastruktur im ländlichen Raum. Hinzu kommen Berichte über Parteitage und Infostände, die Darstellung der Arbeit in den Parlamenten, Ankündigungen von Parteiveranstaltungen und Kontaktlisten der Wahlkreisbüros. Relativ selten finden sich direkte Hinweise auf andere »Alternativmedien« wie »Tichys Einblick«, den »Kopp-Verlag« oder »Compact«.

Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus versucht sich in der Ansprache einer jungen Großstadt-Klientel. In einer eher bemüht wirkenden Comic-Reihe erklärt die tapfere Protagonistin Emilia ihren naiven linksgrünen FreundInnen, warum Umweltzonen nicht gegen Feinstaub helfen, Videoüberwachung und »Racial Profiling« gegen migrantische Straftäter dagegen schon, die Schuldenbremse nicht richtig gegen »gefräßige Hochzins-Piranhas« wirkt, Tegel bleiben muss und Hartz-IV-EmpfängerInnen ganz einfach ihre Wohnungen kaufen könnten, wenn die AfD regiere. Dass die Figuren allesamt als Vögel dargestellt werden, erinnert an das Comic »Enten gegen Hühner«, das die »Jungen Nationaldemokraten« (JN) vor fast zehn Jahren unter ihrem damaligen Vorsitzenden und heutigen »Ein Prozent«-Funktionär Michael Schäfer herausbrachten.