»Der Block«

von Ernst Kovahl
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#Buchmesse

Buchmesse Leipzig Nazis

Junge »Identitäre« mit Schildern vor dem Stand vom »Verlag Antaios« © Mark Mühlhaus / attenzione

Auf der Leipziger Buchmesse 2018 übte die extreme Rechte den Schulterschluss: NPD, Neue Rechte, Nazi-Schläger und FreundInnen der Verschwörungstheorie.

Dieter Stein war empört. Der Chef der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) sagte wenige Tage vor Beginn der Leipziger Buchmesse Mitte März 2018 die Teilnahme seines Blattes auf der Schau ab. Die Messeleitung hatte entschieden, die bekannten rechten Verlage in einer Ecke der Halle drei zu sammeln. Das sei eine »einseitige und ungünstige Standplatzierung in einem von der Messe konstruierten ‹rechtsextremen Block› von Verlagen«, klagte die JF. Die örtliche Gemeinschaft mit der NPD, dem neu-rechten »Verlag Antaios« und den rechten Verschwörungstheoretikern von der »Compact« sei »absolut rufschädigend und wirtschaftlich sinnlos«, beschwerte sich Stein.
Götz Kubitschek vom »Verlag Antaios« ließ es sich nicht nehmen, öffentlich über seinen früheren Weggefährten zu höhnen. Schon Tage vor der Absage schrieb er auf dem Blog seiner Zeitschrift »Sezession«: »Werden Cato und JF ihre Stände absagen und auf den Messeauftritt verzichten, falls es Ihnen nicht gelingen sollte, andere Plätze zu ergattern (worum sie sich – jede Wette – derzeit bemühen)?« Und auch Jürgen Elsässer vom »Compact-Magazin« kritisierte den Rückzug: »Das Einknicken der JF ist in der Sache unverständlich, setzt tatsächlich aber nur konsequent den unrühmliche Anpassungskurs des Blattes fort.« Schärfer schoß die NPD gegen die JF: »Der eigentliche Angriff auf die Meinungsfreiheit kam gewissermaßen von ‹innen›«, kritisierte das Parteiblatt »Deutsche Stimme«. Die Einheit der rechten Verlage war nicht konstruiert, sondern vor Ort erlebbar. Als es zu antifaschistischen Protesten kam, stand der von Stein prophezeite »rechtsextreme Block« zusammen: Burschenschafter, Völkische, neu-rechte Intellektuelle, NPD´ler, Neonazi-Schläger und »Identitäre«.

Buchmesse Leipzig Nazis

»Compact«-Security bewacht den Stand und Elsässer © Mark Mühlhaus / attenzione

»Compact«
Auffällig präsentierte sich auch in diesem Jahr »Compact«. Das Motto der rechten Verschwörungsfreunde: »Mut zur Wahrheit«. Der Stand überragte schon allein durch seine Höhe die anderen Aussteller. »Ja, wo leben wir denn, dass man für so ein altes Symbol angezählt wird?«, empörte sich der Mitarbeiter am Stand. Vor ihm stand ein langhaariger junger Mann mit einem »Thor-Hammer« um den Hals. Schnell waren sich beide einig – Schuld sei die »Political Correctness«. Im Programmheft der Messe war auf dem Lageplan der Standort des »Compact«-Standes hervorgehoben – nicht viele Verlage leisten sich diesen Luxus. Neben Ausgaben der Zeitschrift wurden an dem langen Tresen Werbepostkarten verteilt – gut bewacht von einem Sicherheitsdienst. »Patriot Putin«, »Mythisches Deutschland« oder »Nie wieder Grüne«, stand auf ausgestellten Covern. Die Stars der rechten Zeitschrift gab es hier zum Anfassen: Blatt-Chef Elsässer schüttelte Hände und Akif Pirinçci unterschrieb Autogrammkarten.

 

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Udo Voigt am Mini-Stand der NPD und dahinter Peter Schreiber – Spitzenkandidat der sächsischen NPD zur Landtagswahl 2019 © Mark Mühlhaus / attenzione

»Deutsche Stimme«
Eingepfercht auf wenigen Quadratmetern und zum ersten Mal gemeinsam auf der Messe waren der NPD-Verlag »Deutsche Stimme« und die Stiftung »Europa Terra Nostra« (ETN). Die Stiftung verteilte Aufkleber (»Europäische Nationalisten vereint« und »Festung Europa schaffen«) und warb für das Buch »Einer für Deutschland« von Udo Voigt, dem früheren NPD-Chef und heutigen Europaabgeordneten. »Ein wichtiges Buch in bewegter Zeit«, meint ETN. Die Stiftung steht der europäischen Partei »Alliance for Peace and Freedom« nahe, in der sich extrem rechte und neonazistische Europaabgeordnete zusammengeschlossen haben und wird vom Europäischen Parlament finanziell gefördert. Vor Ort am Stand dabei waren neben Voigt auch DS-Chefredakteur Peter Schreiber und Verlagsgeschäftsführer Andreas Storr, der stellvertretende ETN-Vorsitzende Jens Pühse, der sächsische Parteivorsitzende Jens Baur und der stellvertretende bayerische NPD-Landesvorsitzende Sascha Roßmüller mit seinem Buch »Europa contra EU – Los von Brüssel«. Die »Deutsche Stimme«, das Parteiblatt der NPD, verteilte eine dünne Sonderausgabe zum 1. Mai.

 

Buchmesse Leipzig Nazis

Götz Kubitschek © Mark Mühlhaus / attenzione

»Antaios«
Der neu-rechte »Verlag Antaios« erregte wohl am meisten Aufmerksamkeit. Götz Kubitschek hatte zuletzt mit Provokationen, seinem Geschäftssinn sowie dank zahllosen Homestories (s. drr Nr. 168) aus seinem Bauernhaus an Bekanntheit gewonnen. Der aufbrausende, schwäbelnde Kleinverleger gilt als Vordenker der »Neuen Rechten«. Um seinen Messestand sammelten sich Burschenschafter im Trachtenjanker, auf »identitär« umgeschulte Neonazis und ältere Herren.
Im Zentrum des Messetischs stand eine Kiste aus Holz, gefüllt mit den kleinformatigen Büchern der Reihe »Kaplaken«. Dahinter die aus Print und Fernsehen bekannten Holzstühle mit Schnitzereien. Und der Rest vom Stand? Messewände, Plastik, Steckregale. Doch für die Inszenierung reicht es wieder einmal: »Der Mann legt Wert auf Ästhetik. Seine Bücher präsentiert er in einem edlen Regal aus Kirschbaum, vorn ist das Verlagslogo ins Holz graviert«, notierte »Der Tagesspiegel« (17.03.2018). Das passt zur Selbstdarstellung: Eine »geistige Zulage für Selbstdenker« seien die Bücher, »wegweisende Texte in handlichem Format«. Kubitschek war hier der Star. Nach einer Lesung brandete Applaus auf, als er langsamen Schrittes zurückkam, erschöpft. Er gab Anweisungen, plauderte mit Interessierten und Autoren, posierte für Fotografen, schenkte Wein aus. Doch sein Auftritt hat Brüche: »Wiederholt kommt er ins Stottern, ist nervös und hat den Tick, ständig seine Hose zu richten«, beobachtete »Vice« (19.03.2018).
»Nur wer anstössig ist, kann Anstöße geben«, war auf die Jutebeutel gedruckt, die es bei »Antaios« für die »Identitären« gab, die mit ihren Vollbärten, Wollpullis und Seitenscheiteln durch die Messehallen flanierten. Um auf den antifaschistischen Protest von »Verlage gegen rechts« zu reagieren, war eine Postkarten- und Plakat-Serie gefertigt worden. »Mit einer sehr lauten Stimme im Halse ist man ausserstande, feine Sachen zu denken«, stand auf einer der großen Pappen, die von den Rechten den Protestierenden entgegen gehalten wurden. Doch an die eigene Parole hielt sich Verleger Kubitschek selbst nicht. Am Rande einer Veranstaltung der »Verlage gegen rechts« konnte er wieder einmal nicht an sich halten und brüllte in die Debatte.

Buchmesse Leipzig Nazis

Junge »Identitäre« photographieren sich selbst © Mark Mühlhaus / attenzione

»Ein Schlag ins Gesicht«
Etwa 200 Menschen protestierten gegen die rechten Verlage und ihre Veranstaltungen. Auch in dem mit wackeligen Messewänden umzäunten Veranstaltungsraum gab es Protest. Rechte schubsten AntifaschistInnen, bedrängten Fotografen. Hier stand die extreme Rechte offen zusammen. Im Hintergrund ein großes Transparent gegen »Political Correctnes und Kultur-Marxismus«. Davor NPD-Prominenz, »Antaios«-Autoren und Neonazis. In die erste Reihe wurden junge AktivistInnen mit Plakaten postiert, ganz vorn mit dabei unter anderem Alruna Kubitschek, Tilman Hauser und Alexander Kleine. Gemeinsam brüllte die Menge: »Jeder hasst die Antifa!« Viele konnten ihre Aggression gegen Linke kaum mehr bremsen. Kubitschek räumte später ein, dass daran auch Personen aus dem Kreis seiner »Leser und Standbesucher« beteiligt waren. Die »Neue Rechte« gibt sich intellektuell. Doch im Fall der Fälle zählt bloß Gewalt. Kubitschek schrieb vor Jahren in seinem Buch »Provokation«: »(…) von der Ernsthaftigkeit unseres Tuns wird Euch kein Wort überzeugen, sondern bloß ein Schlag ins Gesicht.«