Hamburg: Grabenkämpfe und Skandale
von Felix Krebs
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 170 - Januar 2018
Es lief in den letzten Monaten nicht gut für den Landesverband der »Alternative für Deutschland« (AfD) in Hamburg. Erst der antifaschistische Widerstand beim Wahlkampf zur Bundestagswahl, dann bekam der Landesverband kaum Räume für Veranstaltungen und riskierte kritische Begleitung bei Infotischen. Das Wahlergebnis mit 7,8 Prozent war das schlechteste im Ländervergleich, die Wahlparty musste wegen spontanen Protests vorzeitig abgebrochen werden. Und dann ging noch der fähigste Kopf aus Hamburg nach Berlin. Das war der Startschuss für weitere Probleme und eine parteiinterne Schlammschlacht.
Weggang
In den Berliner Reichstag zog der frühere Landes- und Fraktionschef Bernd Baumann ein, der als einer der wenigen vorzeigbaren Köpfe und über alle Lager hinweg als akzeptiert gilt. Nun ist er Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Jens Eckleben begleitet ihn als parlamentarischer Mitarbeiter im Deutschen Bundestag. Der Ex-Beisitzer im Landesverband ist zwar nicht so eloquent und klug wie Baumann, dafür aber im Netz und auf der Straße einer der fleißigsten Aktivisten. Zeitgleich erklärte der Abgeordnete Joachim Körner seinen Austritt aus der Fraktion zum Ende des Jahres. Dann verkündete Nachwuchsstar Delphine Thiermann (s. drr Nr. 167) medienwirksam ihren Austritt aus der AfD – wegen angeblich erst jetzt bemerkter Rechtstendenzen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Austrittserklärung eine Taktik der Jurastudentin ist, um Imagepflege für eine angestrebte Karriere zu betreiben. Thiermann hinterlässt eine Lücke insbesondere für die wenigen Frauen der AfD und die »Junge Alternative« (JA).
Machtkämpfe
Währenddessen tobte vor dem Landesparteitag am 25. und 26. November innerparteilich schon munter der Kampf um die zukünftige Parteispitze. Der frühere Parteichef und Ko-Fraktionschef Jörn Kruse ist zwar mit seinem hanseatischen Understatement ein Liebling der Medien, jedoch nicht der Partei. Hier wurde er schon 2015 abgewählt, weil er zu viel Kritik an den eigenen Leuten geübt hatte. An vorzeigbarem Personal blieben somit nur der Ex-«Schill-Partei«-Mann und kurzzeitige Innensenator Dirk Nockemann sowie der Rechtsanwalt Alexander Wolf aus der völkischen »Burschenschaft Danubia«. Ko-Fraktionschef Wolf hatte zum 8. Mai 1994 ein bisher unbekanntes Liederbuch namens »Schlachtruf – Nationale Lieder« mit mehreren Neonazi-Songs herausgegeben, mit einer geschichtsrevisionistischen Einleitung versehen und darin die in Deutschland verbotene Hitler-Jugend-Hymne in leicht veränderter Form abgedruckt. Innerparteiliche GegnerInnen von Wolf stachen dieses Buch kurz vor dem Parteitag an die Medien durch und sorgten damit für einen Skandal. Der Rechtsanwalt gilt als fleißig und eloquent im Auftreten. Er verfügt durch seine knapp 30-jährige Sozialisation im burschenschaftlichen Milieu, seine kurzzeitige Tätigkeit für den »Republikanischen Hochschulverband« und die »Junge Freiheit« sowie durch familiäre Bezüge im völkischen Milieu über eine umfassende ideologische Vorbildung und bundesweite Kontakte.
Zum Landesvorsitz kandidierte des Weiteren die Ex-Schatzmeisterin Nicole Jordan, doch hatte sie wenig Chancen. Ihr wird innerparteilich Faulheit vorgeworfen und außerdem klagt sie momentan vor dem Arbeitsgericht gegen ihren Chef Kruse. Da sie Parteigängerin von Nockemann ist, muss sowohl ihr Gerichtsprozess als auch die Schlammschlacht zwischen Nockemann und Wolf als Machtkampf um die Parteispitze interpretiert werden. Zwar schlugen sich Kruse und Baumann öffentlich auf die Seite von Wolf, doch war dieser nun nicht mehr als Parteivorsitzender haltbar und verlor mit 54 zu 74 Stimmen. Der Wahl ging eine hitzige Debatte beim Parteitag voraus, von der die Medien ausgeschlossen worden waren. Öffentlich hatte Kruse zuvor seinem langjährigen Gegner und neuen Landesvorsitzenden Nockemann Verbalradikalität vorgeworfen und erklärt, dieser habe abgesehen von der Innenpolitik politisch nicht gerade viel Ahnung.
Sein und Schein
In seiner Rede beim Landesparteitag rief Ex-Chef Baumann seinen Verband schon fast verzweifelt zu Geschlossenheit auf. Die Streitigkeiten dürften aber weitergehen: Im Vorfeld des Bundesparteitages stand zum Beispiel die Frage an, ob die Hamburger AfD ehemalige Lucke-AnhängerInnen wieder weitgehend ungeprüft aufnehmen wolle. Das Hauen und Stechen kann allerdings nicht so einfach als der Kampf eines völkischen Höcke- gegen ein konservatives Lager interpretiert werden. Das einzige »Der-Flügel«-Mitglied auf Funktionärsebene ist der Abgeordnete Ludwig Flocken, der jedoch wegen zu eindeutig rassistischer Reden die Fraktion schon vor zwei Jahren verlassen hatte. Eine Landesgruppe der »Alternativen Mitte« gibt es in der ehemaligen Lucke-Hochburg Hamburg auch nicht. Und die immer noch als gemäßigt verkauften Spitzenmänner Baumann und Kruse haben sich in Sachen NPD-Verbot, Beleidigung von Aydan Özo?uz, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, und jüngst im Skandal um das Wolfsche Liederbuch eher rechts positioniert.
Durch die Grabenkämpfe scheint der Landesverband so gelähmt, dass die politische Arbeit fast brachliegt und er ausschließlich negative Schlagzeilen produziert. Zu allerletzt dadurch, dass der ehemalige NPD-Spitzenkandidat Björn J. Neumann mit offen erklärter Ankündigung für den Bundesvorstand der AfD kandidierte. Er ist trotz Unvereinbarkeitsbeschluss seit über vier Jahren immer noch Mitglied der Hamburger AfD. Bemerkt hatte dies angeblich niemand.
Zwar sind viele Probleme des Hamburger Landesverband hausgemacht, der ständige Druck durch Antifa und Zivilgesellschaft dürfte allerdings die Probleme noch verschärft haben. Landesverband und Fraktion sind weitestgehend isoliert, finden kaum noch Räume und dürften sowohl auf WählerInnen, erst recht jedoch für AktivistInnen wenig attraktiv wirken. Karrierechancen gibt es auf dem Hamburger Ticket momentan kaum. Ob Baumann jemals zurückkommt und Kruse 2020 für eine zweite Legislaturperiode kandidiert, bleibt zweifelhaft. Und ohne diese sähe es dann noch düsterer aus.