Für immer ein »Reich«

von Toni Brandes und Ernst Kovahl

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März/April 2017

Die »Reichsbürger« sind gespalten und teils verfeindet. Mehrere »Exilregierungen« erheben den Anspruch auf das »Deutsche Reich«, mindestens zwei verschiedene Organisationen tragen aktuell den Namen »Freistaat Preußen« und bei anderen Strukturen weiß man kaum, ob es sie nur im Internet oder im Kopf eines selbstgekrönten »Reichskanzlers« gibt. Ebenso ausdifferenziert ist die ideologische Ausrichtung der Gruppen. Es ist schwer, den Überblick zu behalten – zumal manche Gruppen zeitweise inaktiv sind oder teils gleich lautende Namen tragen. In einem knappen Überblick stellen wir hier einige Strukturen vor, die explizit Positionen der extremen Rechten oder des Neonazismus vertreten oder die eine Mischung aus originär neonazistischer Ideologie und den Ideen der »Reichsbürger« verbreiten. Einige von ihnen waren frühe und bis heute einflussreiche Stichwortgeber der Szene.

»Deutsches Kolleg« (DK)
Das DK war eine der früh relevanten Gruppen der »Reichsbürger«-Szene. Es wurde 1994 als Nachfolgestruktur des Berliner Lesekreises der neu-rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« durch Reinhold Oberlecher gegründet. Zum DK gehörte als zweiter einflussreicher Kopf Horst Mahler. Das DK ist antisemitisch und bezieht sich positiv auf den Nationalsozialismus. Regelmäßige Treffen finden in Mosbach (Thüringen) statt. Die Gruppe war jüngst in den Schlagzeilen, weil ihm ein Gesellschafter des Chemie- und Pharma-Konzerns »Merck« angehört. Das DK arbeitet an einem »Vierten Reich« und versteht sich als »Schild und Schwert des Deutschen Geistes«.

»Neue Ordnung« (NO)
Anführer der NO ist der Neonazi und frühere NPD-Aktivist Meinolf Schönborn, der die verbotene »Nationalistische Front« mit gründete. Zuletzt wandte er sich den »Reichsbürgern« und der Szene der Holocaust-LeugnerInnen zu und gründete Ende 2009 die NO. Veranstaltungen der Organisation, wie das »Lesertreffen« seiner Zeitschrift »Recht & Wahrheit«, fanden in Ilfeld im Harz (Thüringen) und in Schwarzenborn (Hessen) statt. Die Organisation schreibt, in ihr träfen sich »durch den Reichsgedanken und durch den Willen zum Widerstand gegen Verwahrlosung, Landnahme durch Migranten und durch die über 66 jährige Fremdherrschaft zusammengefügte freiheitsliebende Deutsche, die noch Deutsche sein wollen«.

»Reichsbewegung – Neue Gemeinschaft von Philosophen«
Die »Reichsbewegung« versendete Anfang Februar 2012 ein Droh- und Hetzschreiben an »alle raum-, wesens- und kulturfremden Ausländer in Deutschland, insbesondere an Türken, Muslime und Negroide (Schwarze u. Halbschwarze)«. Auf die an Jüdische Gemeinden und Moscheen bundesweit verschickten Briefe – die ein Ultimatum zum Verlassen Deutschlands enthielten – folgten im Internet weitere NS-affine Schreiben. Im März 2012 wurde die Seite offenbar aus eigenem Antrieb abgeschaltet. Im Internet kursierten noch einige Zeit Drohvideos der Gruppe.

»Exilregierung Deutsches Reich«
Knapp 60 Jahre nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands hat sich die »Exilregierung Deutsches Reich« (nicht zu verwechseln mit der »Exil-Regierung Deutsches Reich«) als selbsternannte Regierung in Hannover gegründet. In ihr sind etwa 25 Personen organisiert. Sie finanziert sich über den Vertrieb eigener »Ausweis« und »Führerscheine«. Politisch will die »Exilregierung« das »Deutsche Reich« in den Grenzen von 1937 auferstehen lassen. Die Bundesrepublik sei ein »Besatzungskonstrukt«. Auf der Internetseite der »Exilregierung« werden antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien veröffentlicht. Die »Exilregierung« wird seit Jahren vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern beobachtet.

»Freistaat Preußen« (Verden)
In Niedersachsen hat in Verden/Aller ein 1995 gegründeter »Freistaat Preußen« seinen Sitz. »Staatspräsident« ist der frühere NPD-Stadtrat Rigolf Hennig. Die Gruppe gab die antisemitische Zeitschrift »Stimme des Reiches« heraus und ist Teil des Netzwerkes von Holocaust-LeugnerInnen. Die Organisation wird seit Jahren vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern beobachtet. Hennig ist auch Funktionär der »Europäischen Aktion«, einer antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Organisation mit ideologischen Einschlägen der »Reichsbürger«.

»Freistaat Preußen« (Bonn)
Ein anderer »Freistaat Preußen« betreibt in Bonn seine »Zentralverwaltung« und nennt im Internet für einzelne »Provinzen« AnsprechpartnerInnen. Über das »Dritte Reich« heißt es, dass »die meisten Bücher sehr einseitig und verfälscht die Geschichte wiedergeben«. Der »Freistaat« organisiert Treffen und Veranstaltung. Einnahmen werden unter anderem über eigene »Führerscheine« und befristete »Aufenthaltsgenehmigungen« erzielt. Ende 2014 sollen VertreterInnen des »Freistaats« versucht haben in Luxemburg ein Sturmgewehr zu beschaffen.

»Volk in Bewegung – Der Reichsbote«
Herausgeber der Zeitschrift »Volk in Bewegung – Der Reichsbote« ist der Neonazi und NPD-Funktionär Thorsten Heise. Seit 2011 erscheint das neonazistische Blatt. In ihm ging unter anderem die kurzzeitig erscheinende Publikation »Der Reichsbote. Anzeiger des Freistaates Preussen« auf, die eindeutige Bezüge zur Ideologie der »Reichsbürger« enthielt. Antisemitische und geschichtsrevisionistische Artikel finden sich bis heute in dem Blatt. »Schriftleiter« des Blattes ist Rigolf Hennig, selbst ernannter »Staatspräsident« eines »Freistaates Preußen« (s. Freistaat Preußen, Verden).

»Völkische Reichsbewegung« / »Reichsbürgerbewegung« /
»Reichsbürgerbrief«
Anfang 2004 begann Horst Mahler mit der Veröffentlichung seines »Reichsbürgerbrief / Organ des Allgemeinen Volksaufstandes der Deutsche«. Das steht in einer langen Reihe seiner Bemühungen um das »Deutsche Reich«. Angefangen bei dem 1994 gegründeten »Deutschen Kolleg«, über die »Reichsbürgerbewegung« die dann in die »Völkische Reichsbewegung« überging. Ziel war immer das Schaffen einer Massenbewegung zur Errichtung eines »Vierten Reichs«. Mahler befindet sich wegen Leugnung des Holocaust in Haft.