»Rebellion gegen das Establishment«

von Volker Weiß

Magazin "der rechte rand" - Ausgabe 165 - März/April 2017

Der angekündigte Politikwechsel in den USA unter dem neuen Präsidenten Donald J. Trump wird von der Neuen Rechten in Deutschland stürmisch begrüßt. In dem exzentrischen Milliardär mit deutschen Vorfahren und der robusten »America first!«-Rhetorik erkennt man Fleisch vom eigenen Fleisch – dass der Slogan in den 1930er Jahren von SympathisantInnen der Nazis benutzt wurde, dürfte dabei nicht stören. Trumps Antrittsrede mit dem »American Carnage«, dem »amerikanischen Blutbad« aus Gewalt und Kriminalität, Arbeitslosigkeit und ungeschützten Grenzen, entspricht den eigenen Beschwörungen vom angeblichen »Vorbürgerkrieg« und »Ausnahmezustand« in den europäischen Gesellschaften durch die Einwanderung. Ebenso übertragen lässt sich Trumps Wirtschaftsnationalismus mit seinen zwei Prämissen: »Buy American and hire American«. Der Angriff auf die von Amtsvorgänger Barack Obama neu eingeführte gesundheitliche Basisversorgung, der umgehend aufgenommene Kampf gegen Abtreibung und die Anti-Klimaschutzpolitik sowie die angekündigte »Trockenlegung« des »Washingtoner Sumpfes« erfreut alle, die hier ähnliche Ziele verfolgen. Mit Trumps Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik und seiner angekündigten Verschärfung der amerikanischen Flüchtlingspolitik herrscht im wichtigsten Kernthema Einigkeit.

Ganz wie Trump sind auch die deutschen Rechtsparteien bisher nicht als Kämpferinnen für soziale Gerechtigkeit oder die Unterprivilegierten aufgefallen, bedienen sich aber permanent der Rhetorik, Stimme der Abgehängten zu sein. Mittlerweile zieht ohnehin die gesamte europäische Rechte ihre Daseinsberechtigung aus dem vorgeblichen Kampf gegen »das Establishment« und wettert gegen die ‹Political Correctness› als Herrschaftsmittel der verhassten Liberalen. Der autoritäre Stil, mit Berufung auf den einfachen Mann per Präsidialdekret zu regieren, entspricht der eigenen Vorstellung vom nationalen Führer als handlungsfreudigem Entscheider. Mit Donald Trump, Wladimir Putin, Victor Orbán und selbst Recep Tayyip Erdo?an scheint sich der bevorzugte Typ des autoritären Volkstribunen zu etablieren. Jetzt ist die Hoffnung groß, Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen, Geert Wilders und eine Führungsfigur der »Alternative für Deutschland« (AfD) mögen mit der nächsten Welle folgen.

Kaum verwunderlich also, dass Frauke Petry (AfD) unmittelbar nach der Wahl Trumps exklusiv für die Website der »Jungen Freiheit« (JF) das »Ende« der ‹Political Correctness› ausrief. Dieter Stein bejubelte bald darauf den Sieg als »Super-Gau für Linke« (JF 47/16) und bediente sich zum Jahreswechsel bei Oswald Spengler, um 2017 als »Jahr der Entscheidung« zu begrüßen. Der JF-Chef verkündete eine »politische Wende des Westens« zurück zur »Nation und zur Realität« (JF 2/17). Insgesamt wird auf den politisch-militärischen Rückzug der USA aus Europa spekuliert und die damit verbundene Aufwertung Deutschlands zur Führungsnation ohne EU-Schranken erwartet. Die Abenddämmerung des liberalen Europa scheint angebrochen und die Stimmung der Rechten könnte kaum besser sein.

Überraschend ist das nicht. Schon 2010 sah die »Junge Freiheit« die Zeit für »eine deutsche Tea Party« gekommen und unterstützte die »Aktion Linkstrend stoppen« innerhalb der CDU (JF 10/10). Anders als bei der wesentlich besser aufgestellten amerikanischen Bewegung misslang jedoch die Kaperung der etablierten Parteistrukturen. Vor allem mangelte es dem kleinen Bündnis randständiger RechtskatholikInnen und Nationalkonservativer gegen den angeblichen Linkskurs der CDU an einer mit Sarah Palin vergleichbaren Galionsfigur. Das hat sich heute geändert, wo gerade in der AfD eine ganze Riege teils schillernder und untereinander zerstrittener Figuren in die erste Reihe drängt. Das JF-Projekt deutsche »Tea Party« hat sich eine eigene Partei geschaffen.
Damit stand die Zeitung nicht alleine. Schon vor der Wahl sah das Sommerheft der »Sezession« (73/16) in Trump eine »Alternative für Amerika«. Die Zeitschrift des »Instituts für Staatspolitik« um Götz Kubitschek erblickte vor allem in der »Alternative Right« (Alt-Right) um das »National Policy Institute« (NPI) das amerikanische Pendant zu den eigenen Reihen. Ohnehin hat Kubitscheks »Antaios Verlag« mit Jack Donovan einen Shootingstar aus der Alt-Right in seinem Programm. Dessen »Der Weg der Männer«, ein Pamphlet eines sozialdarwinistischen Hypermaskulinismus, wurde von Martin Lichtmesz – der den österreichischen »Identitären« nahesteht – übersetzt und kommentiert. »Identität« steht auch im Zentrum des Denkens der Alt-Right, die sich explizit als VertreterInnen des »weißen Nationalismus« sehen. Mit Alain de Benoist und Guillaume Faye waren zudem zwei der wichtigsten Stichwortgeber der europäischen Neuen Rechten bereits Gäste des NPI. Der neu-rechte Nachwuchsblog »Blaue Narzisse« kürte zum Jahreswechsel dessen Leiter Richard Spencer zum »Metapolitiker des Jahres«. Im Kampf der Ideen sei die »alles entscheidende Frage die der Führung«, weshalb dem »weißen Separatisten« aus Boston im Gefolge Donald Trumps und seines Chefstrategen Stephen »Steve« Bannon viel Aufmerksamkeit gilt. Dass Spencer die Wahl Trumps auf dem Jahreskongress der Alt-Right Ende November 2016 in Washington mit einer geradezu klassischen faschistischen Erweckungs-Rede begrüßte und mit »Hail Victory« (»Sieg-Heil«)-Ruf beendete, finden seine deutschen Fans überbewertet.

Doch ganz ohne Skepsis wird Trump auch in der »Jungen Freiheit« nicht gesehen. Das Blatt macht sich angesichts von Trumps wirtschaftspolitischer Mischung aus »Reaganomics gewürzt mit Le-Pen-Zöllen« Sorgen um die deutsche Exportbilanz (JF 1/17). Im Interview hat zudem ein amerikanisches Idol der Neuen Rechten, der »Paläokonservative« und ehemalige Lehrer Richard Spencers, Paul Gottfried, schon Zweifel an Trumps »Konservatismus« angemeldet. Für Gottfried ist Trump eher »Opportunist«, der auf den rechten Zug aufgesprungen ist, als ein echter »Überzeugungstäter«. Allerdings hält Gottfried viel auf Trumps wichtigsten Berater Steve Bannon, dessen Nachrichten-Website »Breitbart« ein erheblicher Anteil am Wahlsieg Trumps zugesprochen wird. Bannon teilt wiederum einige Vorlieben europäischer Rechtsintellektueller. Erst kürzlich hat er sich zu den Einflüssen von Julius Evola auf sein Denken bekannt. Ähnliche Lektüre schätzt auch der Ökonom Max Otte, in der deutschen Öffentlichkeit einer der wenigen Trump-Verteidiger. Otte hat in der Vergangenheit für die »Junge Freiheit« zur Feder gegriffen. Er ist bekennender Verehrer Oswald Spenglers und war Teilnehmer einer Ehrung des Untergangs-Philosophen zum 75. Todestag durch das »Institut für Staatspolitik« 2011 ­
(s. drr Nr. 131).
Die »Junge Freiheit« befragte auch den US-Autor und ehemaligen Direktor des »Center for Cultural Conservatism«, William Sturgiss Lind, zu seinem neuen Präsidenten. Lind stellte Trump insgesamt jedoch eine bessere Note aus als Gottfried. Er setze vor allem auf Trumps Stab, ließ Lind die Zeitung wissen: »Die Kräfte, die Trump an die Macht gebracht haben, werden nicht einfach wieder verschwinden. Trump ist nur das Vehikel einer Rebellion gegen das Establishment.« (JF 4/17).
Die Orientierung am Erfolg Trumps schlägt sich mittlerweile auch äußerlich nieder. Längst wird die erfolgreiche Provokations-Strategie kopiert, mit der Medien wie »Breitbart« in die Öffentlichkeit drängten. Besonders die Pathosformeln linker Identitätspolitik hatten es den amerikanischen ‹White Nationalists› angetan. Ihre Strategie, diese umzudrehen und sich einfach selbst zur diskriminierten Minderheit zu erklären, war durchaus erfolgreich und korrespondiert mit der verbreiteten Selbstviktimisierung deutscher Rechter. Inzwischen geht die Nachahmung der Formen bis ins Detail. Johann Konstantin Poensgen, Autor von »Sezession« und »Blaue Narzisse«, beschreibt im Blog der »Sezession«, wie auf dem »Freiheit für Europa«-Kongress der ENF-Fraktion am 21. Januar in Koblenz »mit Elementen der Trump-Rallies experimentiert« wurde. Es gab »große Pappschilder mit den Namen der Hauptredner«, die man »beim Applaus für den jeweiligen Redner hochhalten« konnte. So schnell kann sich die Haltung der Rechten zu den einst verpönten Formen des amerikanischen Massenspektakels ändern. Martin Sellner, ein Leiter der »Identitären Bewegung Österreich«, lobte ebenfalls für »Sezession« bereits im Juni vor der Wahl, Trump trete »in die Fußstapfen« des NS-Sympathisanten Charles Lindbergh. »The Donald« habe ihm »den Glauben an das andere Amerika zurückgegeben, den ich nie hatte«. Und auf dem »Compact«-Kongress Anfang November 2016 in Berlin bekannte er sich dazu, »ein Trump-Fan der ersten Stunde« zu sein.

Angesichts der neuen Entwicklungen in den USA unter Donald Trump zeigt sich daher, dass auch in der Rechten, die sich stets auf »ewige« Werte beruft, nichts ewig ist. Nicht einmal der Antiamerikanismus.